leni 90 Anfänger

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  • Hallo Leni,

    als Einstieg zum Thema Lügen halte ich den Aufsatz „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ für nicht so gut, da die SuS von Kant einen ungünstigen Eindruck bekommen würden: „Der Spinnt wohl etc.“


    Der Aufsatz war eine Antwort auf Benjamin Constant Schrift „Des réactions politiques“. Constant versucht das Problem der Lüge zu lösen, indem er davon ausgeht, dass man sich für die Wahrheit als würdig erweisen müsse. Das führt jedoch dazu, dass in allen ähnlichen Situationen gelogen werden darf, wenn der Belogene sich für die Wahrheit als unwürdig erweist. Das funktioniert schon deswegen nicht, weil wir in den meisten Fällen den Belogenen nicht kennen oder wenigstens zu wenig Informationen über ihn haben.


    Hier könntest du mit einem Beispiel ansetzen:.


    Hans öffnet an einem schönen Tag die Tür, da es geläutet hat. Vor ihm steht ein stämmiger Mann - Ingo ist sein Name -, der sich nach Fritz (dem Freund) erkundigt. Hans erkennt in Ingo sofort den potentiellen Mörder von Fritz und sagt: „Fritz sitzt in dem Lokal „Zum ewigen Frieden“ gleich beim Friedhof um die Ecke.“ Fritz weiß allerdings, dass Hans strenger Kantianer ist und daher niemals lügt. Er hat sich deswegen bereits in das besagte Lokal gerettet, in dem er wenig später von Ingo ermordet wird.


    In meinem Beispiel hat Hans genügend Informationen über Ingo und darf ihn nach Constant belügen. Es könnte aber auch sein, dass Ingo in Wirklichkeit ein Polizist ist und Fritz Hans nicht die volle Wahrheit sagt, da er sich auf der Flucht vor der Polizei befindet.


    Kant geht davon aus, dass der Kategorische Imperativ Lügen strikt verbietet, für die Konsequenzen einer Lüge bin ich verantwortlich, nicht aber für die der Wahrheit. Er lässt uns noch einen Weg offen, denn ich bin nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, ich kann auch schweigen. Wenn wir aber reden, müssen wir die Wahrheit sagen. Das ist natürlich in der Situation von Hans kaum möglich. Dennoch hat es eine Reihe von Versuchen gegeben, es möglich zu machen.

    Hans könnte beispielsweise sagen: „Fritz ist in der Nähe“ Er würde nicht lügen und dennoch könnte er ihm helfen. Diese Vorschläge haben alle gemeinsam, dass ein Ausdruck wie „in der Nähe“ unscharf ist. Praktikabel sind sie allerdings ebenfalls nicht.


    Das Interessante an der ganzen Sache ist die Begründung des Lügenverbots in der „Metaphysik der Sitten“.


    Sie funktioniert wie eine Reductio ad absurdum:


    Die Definition einer Lüge besteht aus zwei Kriterien:

    X ist eine Lüge genau dann, wenn gilt

    1. x ist eine Falschaussage und

    2. x wird von einer Person mit der Absicht zu täuschen vorgebracht.


    Die in Frage stehende Maxime lautet:


    Ich will mir von Fall zu Fall einen Vorteil verschaffen, indem ich Lüge.“


    Die Universalisierung wird in zwei Schritten vorgenommen.

    1. Nicht nur ich lüge, sondern alle lügen.

    2. Nicht nur von Fall zu Fall wird gelogen, sondern immer.


    Der Lügner kann sich nun keinen Vorteil mehr verschaffen, da das zweite Kriterium nicht mehr gilt. Jeder in einer Komunikationsgemeinschaft muss davon ausgehen, dass er von allen anderen Kommunikationsteilnehmern belogen wird. Die Lüge wäre in dieser möglichen Welt nicht mehr möglich.


    Im letzten Halbjahr habe ich in einer zehnten Klasse den KI durchgenommen. Einige in diesem Kurs waren wirklich gut. Sie haben verstanden, dass nicht nur die Lüge unmöglich wird, sondern die Sprache generell. Denn es kann nicht mehr mit ihr gehandelt werden. Weder der illokutionäre Akt noch der perlokutionäre Akt wären in dieser gedachten Welt noch möglich.


    Ein Beispiel:

    Wenn jemand sagt: „Es zieht.“ möchte er, dass das Fenster geschlossen wird. Das kann er aber nur erreicht, wenn die Kommunikationsgemeinschaft davon ausgeht, dass der Satz wahr ist. Der Belogene und der Lügner müssen jedoch davon ausgehen, dass der Satz „es zieht“ falsch ist; der perlokutionäre Akt - das Schließen des Fensters - kann nicht mehr vollzogen werden.


    Ich denke, um eine Hierarchie der Pflichten kommt man nicht herum. Kant hat eine solche abgelehnt, weil es für ihn nur ein Prinzip des Moralischen gibt; den Kategorischen Imperativ. Für eine Hierarchie sind aber mindestens zwei notwendig, da das zweite Prinzipien Kriterien angeben muss, die unsere Pflichten in eine Hierarchie bringen.


    Ich komme ins Schwafeln.

    Wenn du meinem Vorschlag folgst, würde mich interessieren, wie die Einheit gelaufen ist.


    Grüße

    Jörg

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