Nach meinem Abitur habe ich eine Ausbildung gemacht, anschließend studiert und 4 1/2 Jahre in der "freien Wirtschaft" - wie man so schön sagt, gearbeitet. Seit einem halben Jahr bin ich nun Direkteinsteigerin. D.h. ich unterrichte seit dem ersten Tag 10 Stunden in eigenen Klassen. Dazu kommen noch Hospitationen, angeleiteter Unterricht bei Kollegen/Mentoren und ein Tag Seminar mit einem Crash-Kurs in Pädagogik, Fachdidaktik etc.
Ich hatte zuvor wirklich einen stressigen Job und habe mich, ehrlich gesagt, auf das Lehramt gefreut. Zum einen wollte ich es schon immer machen, zum anderen erhoffte ich mir auch etwas mehr Freizeit. Zuvor habe ich ca. 60 Stunden die Woche gearbeitet, war an den Wochenenden oft unterwegs und wusste gar nicht wohin mit den 30 Urlaubstagen.
Aber so locker, wie ich's mir vorgestellt habe, ist es leider bei weitem nicht. Zu Anfang habe ich auf jeden Fall deutlich mehr gerabeitet als in meinem alten Job. Zudem kam das ständig schlechte Gewissen, man müsste, sollte, könnte.... Auch das Wochenende ist seitdem nicht mehr frei, von Feierabend ganz zu schweigen. Vorher hatte ich, zumindest sobald ich im Auto saß, Feierabend, auch wenn's manchmal erst um 22 Uhr war.
Nun gehe ich leider oft mit einem weniger guten Gewissen ins Bett, aber ich glaube, daran muss man leben.
Meine Hoffnung ist, dass ich irgendwann einfach mehr Routine in meine Vorbereitungen bekomme bzw. vielleicht auf das eine oder andere zurückgreifen kann.
Als Vorteil sehe ich beim Direkteinstieg die Berufserfahrung. Ich kann meinen Schülern berichten, wie etwas in der Industrie gemacht wird. Zudem kann ich ihnen anschaulich schildern, wie Einstellungsgespräche etc. verlaufen. Dann hängen sie wirklich an meinen Lippen und merken, dass da jemand spricht, der davon Ahnung hat.
Außerdem kenne ich selbst auch die andere Seite, also wie's in Firmen abläuft - da ist nämlich leider auch nicht immer alles perfekt.
Hätte ich gleich nach dem Studium als Lehrerin angefangen, würde ich wahrscheinlich immer denken, dass es anderswo doch sicherlich besser ist. So kann ich einigermaßen objektiv urteilen.
Vermissen tue ich meine früheren Kunden und Kollegen mit denen man auch 'mal über private Dinge geredet hat oder auch ab und zu ein Bierchen trinkgen gegangen ist.
Nette Kollegen habe ich nun auch, aber man geht eben meist nach seinem Unterricht nach Hause und sitzt dann allein am Schreibtisch.
Bei manchen meiner Kollegen muss ich eben manchmal feststellen, dass diese direkt von der Schule an die Uni und dann wieder an die Schule sind. Ihnen fehlt, scheint es mir, etwas Lebenserfahrung. Man lebt in einer sozusagen "Heilen Welt".
Beim Pädagogischen Tag, zu dem man schon um 8 Uhr erscheinen musste, gab's einen Aufschrei. Sie müssten dann ja schon um 7 Uhr zuhause losfahren, d.h. um 6 Uhr aufstehen. Ohje.
Ich bin früher öfters geflogen, meist mit den ersten Maschinen, da war für mich um 1/2 4 die Nacht um.
Insgesamt denke ich, dass alles Vor- und Nachteile hat. An Berufsschulen, wo ich z.B. bin, glaube ich, hat es Vorteile, wenn man nicht klassisch auf Lehramt studiert hat sondern zuvor etwas anderes gesehen hat. Für den Direkteinstieg ist so auch eine mehrjährige Berufserfahrung erforderlich.
Aber tröstet Euch, hier wird auch ein Unterschied gemacht. Mit Uni-Abschluss gibt's nämlich gleich mehr Gehalt und die Aufstiegschancen sind deutlich besser, obwohl die FHler genau den gleichen Job machen.
Gruß
Super-Lion