Hm, also offen gestanden, mich lassen die gestellte Frage und die bisherigen Antworten etwas ratlos zurück. Ich habe den Eindruck, dass hier ein unklarer Begriff von Fachdidaktik vorliegt, der dann zu den entsprechenden Wertungen führt (gepaart mit der empfundenen Überlegenheit gegenüber den Ausbildern, weil die sich ja so "wissenschaftlich aufplustern" müssen). Vielleicht sollte man sich erst mal klar machen, was Didaktik ist und wofür sie gut ist.
eine Überlegenheit gegenüber meinen Ausbildern empfinde ich keineswegs, wenn ich aber sehe, dass sie ihre eigene Theorie nicht in der Praxis umsetzen können, scheint die Didaktik eben auch nur in der Theorie zu funktionieren, und das lässt mich wiederum ratlos zurück.
(Allgemeine) Didaktik ist Unterrichtstheorie: Wie soll Unterricht idealerweise laufen? Welche Ziele setzt er sich? Welche Unterrichtsinhalte sind lehrens- und lernenswert? Die Fachdidaktik kümmert sich um diese Fragen vor dem Hintergrund der jeweiligen Bezugswissenschaft: Was ist guter Französisch- oder Spanischunterricht? (Z. B. kommunikationsorientiert, kompetenzorientiert, etc.) Zugegeben: Wissenschaftsbereiche bilden dann ihre eigene Terminologie und dann geht's schnell ins Jargonhafte und tendenziell Lächerliche. Aber deshalb sind ja die Fragen, die die Didaktik stellt, nicht schon sinnlos.
THEORIE, wie du selber schreibst - in der Praxis läuft Unterricht aber nicht so ab und das wissen doch alle Beteiligten. Natürlich kann ich dies alles THEORETISCH untersuchen, für die Praxis bringt es mir aber rein gar nix, da meiner Ansicht nach der Unterricht vor allem auf der Beziehungsebene abläuft und da sollte ich lieber meine sozialen Fähigkeiten ausbilden.
Sollte sich jetzt jeder Lehrer damit beschäftigen? – Ich meine: Ja. Warum?
Damit beschäftigen schon, aber vor dem Hintergrund, dass sich vieles nur begrenzt in der Praxis umsetzen lässt.
Zum Beispiel:
Es muss ein neues Lehrwerk angeschafft werden: Welches ist das geeignete, welches entspricht dem Lehrplan, welches hat die beste Progression für unsere Lerngruppen? (Hier kann man sich nicht nur auf sein Bauchgefühl verlassen oder nur auf den Verlagsvertreter vertrauen.)EiDasne Unterrichtsreihe sollte auch nach klaren Kriterien, d. h. letztlich wissenschaftlichen Kriterien, aufgebaut sein – und eben nicht nach Bauchgefühl. (Dass man das dann als Profi nicht mehr alles aufschreibt wie in der Ausbildung, sondern im Kopf 'durchdenkt', ändert ja nichts an den Grundüberlegungen.)
Alternativen (wenn's mal im Unterricht nicht läuft) kann man auch nicht nur aus dem Bauch entwickeln, sondern muss alternative Strategien irgendwann mal kennengelernt und im Hinblick auf Vorteile/Nachteile etc. durchdacht haben.
Dass man sich professionell mit solchen Problemen auseinandersetzen kann, soll die Beschäftigung mit Fachdidaktik leisten. Wenn man nur Rezepte aus der Praxis 'nachbackt', kann man dies eigentlich nicht erreichen. Unser Unterricht in der Sek. I soll wissenschaftsorientiert und in der Sek. II wissenschaftspropädeutisch sein – nur mit Bauchgefühl ist das m. E. nicht machbar.
Natürlich kann man nicht nur mit Bauchgefühl agieren und natürlich muss man Dinge planen/durchdenken, analysieren. Oftmal hilft praktisches Handwerk aber weiter als 1000 wissenschaftl. Theorien. Und mal ehrlich - inder Sek I wissenschaftlich arbeiten? Das ist doch wirklich allerunterste Schiene, was man da macht - und in der Oberstufe wissenschaftspropädeutisch arbeiten, ist auch nur holde Theorie, weil die Kenntnisse der SUS das gar nicht hergeben - damit kannst du frühestens an der Uni anfangen.
Wenn man wissenschaftlich arbeiten will, ist man auf jeden Fall an der Schule falsch - es sei denn, du züchtest vielleicht in deinem Labor nach dem Unterricht noch Mäuse.