Hallo Elaine,
ich fange auch mit einem Spass an:
Du bist ja ganz schön extrem und schwankst zwischen "beten" und "fordern". Der, zu dem man betet, hat als Allmächtiger Dir diese Situation doch eingebrockt und Dir diese kleinen Teufel geschickt. Du meinst wohl, dann könne er sie auch wieder wegholen?
Im Ernst, ich bin der festen Meinung, dass man im Referendariat NICHT schon alle denkbar möglichen Härten des Lehrerinnendasein durchmachen muss.
Ich stelle mal Deine Schilderung nicht in Frage, wobei ich mich allerdings frage, wieso dieser Wechsel nach 3 Monaten wirklich unumgänglich war. Als "Nur-Referendarin" - bis Du da beleibig verschiebbare "Masse"?
Du hast in dieser Lern- und Übungsphase einen Anspruch darauf, dass Dein Anfängerin-Sein, die Bedeutung der Noten für Deine spätere Karriere etc. berücksichtigt werden.
Du befindest Dich doch im pädagogischen Raum, Du sollst was lernen, "man" will Dir was beibringen, Dich anleiten - da muss auch pädagogisch (was immer = human ist) mit Dir umgegangen werden.
Leider wird in Direktoren- und Ausbilderkreisen viel zu häufig der Begriff "Belastbarkeit" ausgereizt, was nur Machtspielchen und Machtmissbrauch ist.
Als Referendarin sollst Du bestmögliche AUSBILDUNGS-Bedingungen haben, möglichst angstfei, um Sicherheit "im Geschäft" langsam aufzubauen - und nicht durch das Inferno geschickt werden nach dem Motto "Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter!" oder "Vogel friss oder stirb!". Du sollst nicht in erster Linie auslesemäßig hart durchgetestet werden !
Und gegebenenfalls "im Abfall" landen. "Harte" Menschen sind keine guten Pädagogen
Aber so scheint mir die Situation im Referendariat oft zu sein.
Ich gehörte zu denen, die um 1970 das Referendariat auch für die Grund-, Haupt- und Realschullehrer in Hessen gefordert - und erreicht haben (ab 1972). Wir waren vorher mit 28 Wochenstunden plus schriftlichen Vorbereitungen plus Seminar einfach zu überlastet, um uns in den Beruf gründlich einarbeiten zu können. Und was für die Gymnasiallehrer schon lange gut war (Referendariat), sollte auch für uns gut sein ! Dem konnte man auf Dauer nicht widersprechen.
Schon bald war ich enttäuscht und empört, dass es vielen Referendaren gar nicht besser ging als uns vorher - manchmal sah es sogar schlimmer aus. Und ich glaubte bald den Grund zu erkennen: den bis dahin einfachen Lehren, die jetzt Ausbilder wurden, stieg ihre MACHT ÜBER DAS SCKICKSAL DER ERWACHSENEN REFERENDARE zu Kopf und sie steigerten und steigerten die formalen Anforderungen bis zu Schikanen.
Damals fing gleichzeitig die Akademikerarbeitslosigkeit an und viele Ausbilder schienen es zu geniesen, junge Erwachsene um ihre Lebensbasis bibbern zu sehen, und erwarteten unterwürfigstes Verhalten. Sogar "Fertig-machendes" Verhalten war zu beobachten. Mit Oberstufenschüler wurde respektvoller umgegangen.
Wie ich Eure Berichte teilweise hier lese, ist es häufig immer noch so schlimm.
Am meisten wundert mich, dass junge Kollegen zwar schreiben, dass es "gerade die Hölle war" - aber scheintröstend formulieren, sie hätten es überstanden und dann würdest Du es auch überstehen.
So stelle ich mir vor, haben sich im 17./18. Jahrhundert auch die Negersklaven in Amerika gegenseitig getröstet und Gospels zum "Lord" gesungen.
Aber Ihr seid keine Sklaven und keiner hat das Recht, Euch wie Sklaventreiber zu behandeln.
Ich bin kein unmittelbarer 68-er, ich war nie auf der Strasse - aber ich habe mit anderen in meinem Bereich für Reformen geworben und gekämpft.
Warum lässt sich die große Mehrheit der jeweiligen Referendariatsgeneration diese Misstände und "Misshandlungen" gefallen ???
In Frankfurt gab es ein Seminar, das berüchtigt-berühmt für seine hohe Suizidrate war. Die Leiter waren noch stolz drauf !
Ich frage mich manchmal, ob ich nicht den Respekt vor denen von Euch aufgeben soll, die so mit sich umgehen lassen und sich nicht zusammentun, um was zu verändern. Und ich denke, wer im Referendariat das Duckmäusern gelernt und eingeübt hat, kann danach kein guter Lehrer und Erzieher für ein demokratisches Gemeinwesen mehr sein, in dem die Menschenwürde Vorrang hat.
Beginnt so mancher Lehrerfrust schon hier im Referendariat ???
Da scheinen mir die Watte-Trösterchen im Forum ganz unangeracht das System zu erhalten.
Zurüch zu Dir, Elaine:
Es ist schon prima, dass Du die Situation als problematisch ansiehst und auch hier beschreibst.
Ich möchte Dich ganz intensiv ermutigen, um eine normale Klasse zu "bitten". Vielleicht gebrauchst Du einige meiner obigen Argumente. Kein Handwerker überträgt einem Lehrling gleich die schwierigsten Aufgaben.
Wahrscheinlich würde ich es in einem wohl ausgewogenen Brief formulieren, in dem ich "bitte" (und in Klammern "beantrage") schreibe, denn es ist meine über 30-jährige Erfahrung, dass man mündlich sehr oft abgewimmelt wird und erst Schrifliches auf dem Schreibtisch der Zuständigen ernst genommen wird. Mündlich und schriftlich kan auch nacheinander erfolgen. Darüber muss dann ersthafter nachgedacht werden und es muss ein "wohl" begründeter schriftlicher Bescheid gegeben werden.
Ich weiß schon, dass einige hier "NÖ !" schreiben werden, aber dies is mein Vorschlag an Dich.
Und alle Referendare, die "leiden" unter 20-seitigen schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen und unter Demütigungen - so schreibt mir eine Moderatorin - bitte ich, sich meine Argumentation zur Veränderung mal gut zu überlegen.
Wenn sich nichts ändert, sage ich "Selbst dran schuld! Zu Mißständen gehören immer zwei - einer, der sie verursacht, und einer der es mit sich machen lässt!"
Viele Grüße, Georg Mohr