Beiträge von Plattenspieler


    "Dopp (...) ruft Eltern an, macht Hausbesuche, liest Fachbücher zum inklusiven Unterricht."


    Blöde Frage, ich studiere ja auch noch, aber gehören die Zusammenarbeit mit Eltern sowie die Lektüre von Fachliteratur nicht immer zum Berufsbild des Lehrers?




    "Frank Dopp musste den Eltern seiner Klasse vor Kurzem beichten, dass er von acht Lektionen im Englischbuch in diesem Schuljahr nur zwei schaffen würde."


    Hierzu hatte ich ja schon geschrieben, dass ich einen gleichschritten, schulbuchorientierten Unterricht nach "Lektionen" generell nicht mehr als zeitgemäß erachte und ich überrascht bin, dass das im Regelschulbereich immer noch Usus zu sein scheint. Individualisierung ist nicht spezifisch sonderpädagogisch, sondern Grundlage eines jeden guten Unterrichts.

    Hallo, Silicium,


    antwortest du eigentlich aus Prinzip nicht mehr auf meine Beiträge? Das fände ich schade. :(




    Das ist auch gar nicht die Aufgabe eines Lehrers und übersteigt dessen
    Kompetenzen. Für diese Diagnostik (ob ein Kind von einer
    Intelligenzminderung betroffen ist oder nicht) gibt es ausgebildete
    Experten (Psychologen, Mediziner).


    Dann frage ich mich, warum ich mich in meinem Studium intensiv in Theorie und Praxis mit der Konzeption, Durchführung und Auswertung von IQ-Tests beschäftigen muss ... Vielleicht kannst du mir das erklären?


    Darüber hinaus habe ich ja schon darzustellen versucht, dass für den Schulerfolg der "IQ" eine nachgeordnete Rolle spielt. Es gibt Kinder mit deutlich unterdurchschnittlichen Werten, die schulisch trotzdem keine Schwierigkeiten haben, und Kinder mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem IQ, die verschiedene erhebliche Probleme im Lernen aufweisen. Deshalb bedarf es hier einer qualitativen (sonder)pädagogischen Diagnostik und für die sind eben gerade Sonderschullehrer ausgebildet und nicht Mediziner oder Psychologen.

    Irgendwelche Grenzen müssen ja festgelegt werden. Und ob ein Kind mit 67 intellektuell "völlig normal" ist, wie Du schreibst, sei mal dahingestellt. Der Intellekt ist auf jeden Fall nah an der geistigen Behinderung, wenn die Grenze bei 65 liegt.
    Normal würde ich eher den Bereich, der als Durchschnitt gilt, bezeichnen: 85 bis 114
    Edit: Ich hatte recht, anscheinend spricht man in verschiedenen Abstufungen von Borderline-Intelligenz bis zu verschieden schweren Formen der Intelligenzminderung.



    Oh, wir bewegen uns wieder einmal in medizinischen Gefilden.


    Also im Sinne der Gaußschen Normalverteilung ist es durchaus normal, dass es, so wie es einen gewissen Prozentsatz Hochbegabte gibt, auch einen gewissen Prozentsatz Lern-/Geistigbehinderte gibt, oder?
    Und die Hochbegabten pathologisiert man doch in der Regel auch nicht; warum sollte man es mit den weniger Begabten tun?


    Natürlich ganz abgesehen davon, dass Intelligenz und IQ-Werte ein Konstrukt sind, das nicht ohne Grund deutlich in der Kritik steht.

    Ich als Schreiberin einer leicht abgewandelten lateinischen Ausgangsschrift bin absolut dagegen, Schreibschrift nicht mehr beizubringen. Ich kann in Druckschrift einfach nicht in einer angemessenen Geschiwindigkeit schreiben. Und ich kenne viele andere Leute, die das auch nicht können.


    Es geht bei der Grundschrift ja auch nicht darum, dass die Kinder ewig isolierte Druckbuchstaben verwenden, sondern darum, dass sie für sich selbst herausfinden, welche Buchstaben sie sinnvoll verbinden können, um so eine individuelle verbundene Schrift zu entwickeln.



    Und die Schreibgeschwindigkeit ist essentiell, zumindest am Gymnasium und an der Realschule....


    Sehr interessanter Nachsatz mit dem "zumindest", der die Relevanz schnellen Handschreibens auf die Schule begrenzt. Und dann muss sich eben die Schule umstellen, wenn es im außerschulischen Leben von geringer Relevanz ist, weil alle längeren Texte sowieso am Computer o.ä. geschrieben werden.


    In der Primarstufe gehen so viele Stunden für stumpfe Schreibschriftübungen darauf, die man für so viele wichtigere Dinge verwenden könnte, und schon ein paar Jahre später verwendet sowieso kaum noch ein Schüler die gelernte Schrift ...
    Feinmotorik o.ä. kann man auch anders sinnvoller schulen, bevor das Argument kommt.


    Also: hier im Forum und auch im RealLife sagen die wenigsten Lehrer (auch elternschreck, etc. nicht), dass man die heutigen Förderschüler NICHT an die Regelschule lassen soll, solange dies vernünftig unterstützt wird.


    Also Siliciums Beiträge lesen sich da anders, wenn er von "einer Schule für leistungsstarke und leistungswillige" Kinder spricht. Aber vielleicht verstehe ich das nur wieder nicht richtig ... ?

    Nein, Plattenspieler. Die Arbeitsbelastung kommt durch die Arbeitgeber hinzu, die die Inklusion auf Kosten der Lehrer umsetzen wollen.
    Müsstest du auch schon bemerkt haben.


    Vielleicht bin ich zu blöd, aber ich verstehe den Unterschied nach wie vor nicht bzw. halte ihn für konstruiert. Letztendlich sind doch immer die neuen Schüler das Übel, ohne die wäre die Situation nicht so, unabhängig davon, wer das veranlasst.

    Ein Kind mit massiven Behinderungen im sozialen Bereich, Aggressionsattacken usw. kann durchaus Grund für eine (stressbedingte, überforderungsbedingte) Frühpensionierung sein.


    Wie viele solcher Kinder kennst du denn?
    Und glaubst du wirklich, der Umgang mit Sonderschülern unterscheidet sich so grundsätzlich von dem von "Regelschülern", dass du diese nicht unterrichten könntest? Auch Sonderpädagogik ist Pädagogik ...
    Gibt es am Gymnasium keine Kinder mit Verhaltensstörungen? Dass die Unterscheidung, wer klassifiziert und "sonderbeschult" wird, oft sehr willkürlich ist, sollte doch nicht wirklich neu sein ...
    Sollten dann solche Kinder, wie du sie beschreibst, gar nicht beschult werden? Oder schließt du nur dich als Gymnasiallehrer dich hier aus, mutest es anderen Lehrern aber zu?
    Wenn du dich überfordert fühlst, gibt es auch Fortbildungen etc., zu denen du als Lehrer im übrigen verpflichtet bist, gerade weil sich im Laufe eines Arbeitslebens Arbeitsbedingungen ändern können ...


    p.s.: Zu dem Artikel und dem gleichschrittigen Vorgehen habe ich oben schon etwas geschrieben. Einen Text, der im Jahr 2012 noch von "Taubstummen" schreibt, kann ich auch per se nicht richtig ernst nehmen.

    Aber die Arbeitsbelastung kommt doch durch die "Sonderschüler" hinzu, oder? Also wird es schlussendlich doch auf diese zurückgeführt.


    Wie schon einmal geschrieben, sehe ich die personelle/finanzielle Umsetzung der Inklusion durchaus auch kritisch, aber bei manchen Beiträgen hier fragt man sich schon, was für Vorstellung so mancher Schreibling hier von den Schülern hat, die hier eventuell an die eigene Schule kommen könnten ...
    Ganz abgesehen von den fragwürdigen Links, die hier gepostet werden, 8 Lektionen in Englisch "nicht geschafft". Wer macht denn heute an welcher Schule wirklich noch einen gleichschrittigen Unterricht mit der gesamten Klasse?! So kann Inklusion natürlich nicht gelingen, aber so frage ich mich sowieso, wie der momentane Unterricht so aussieht. Hier liegt doch dann ein Problem vor, dass lange vor der "Inklusion" beginnt ...


    In allen integrativen Projekten, in die ich bislang Einblick erhalten konnte, klappte der "gemeinsame Unterricht" gut, auch bei vergleichsweise schlechten personellen und räumlichen Bedingungen. Manche Sorgen sind sicherlich berechtigt, aber viele hier angedeuteten Untergangsszenarien wirken schon lächerlich.

    Lieber Silicium,


    eigentlich wollte ich hier nicht mehr schreiben, aber jetzt habe ich doch noch drei kleine Rückfragen an dich, die du hoffentlich gestattest:



    1.


    So wie ich das mitbekommen habe sind manche Fachlehrer froh, wenn sie den unzähligen Gesichtern noch Namen zuordnen können und Noten zu jedem einzelnen verfassen können. Eine detaillierte, ausführliche Beschreibung jedes einzelnen Schülers mit seinem individuellen Leistungstand ist mir da noch nicht untergekommen.


    Das verstehe ich nicht: Wie kann ich denn Noten zu jedem Schüler konstruieren, ohne über seinen Leistungsstand bescheid zu wissen? Das muss dann ja reine Willkür sein ... ?



    2.


    In welchem Bundesland heißt die "Schule für Geistigbehinderte" denn "Schule zur individuellen Lebensbewältigung"? Interessiert mich ernsthaft; ich finde den Namen nämlich gar nicht so schlecht, auch wenn er eigentlich tautologisch ist, weil jede Schule bei der "individuellen Lebensbewältigung" helfen sollte.
    An Schulen dieses Typus, die ich kennenlernen durfte, waren ca. 3 - 8 Schüler pro Klasse. Gibt vielleicht auch welche mit 10 (oder mehr), aber dann hoffentlich nur mit gutem Personalschlüssel.



    3.


    Du weißt, dass es empirische Studien gibt, dass integrativer Unterricht die fachlichen Leistungen der "normalen" Schüler nicht beeinträchtigt? Oder soll ich sie für dich heraussuchen?

    So wie ich euch verstehe, ist es bei euch mehr ein gradueller Unterscheid zwischen "Rechenschwierigkeiten" und "Dyskalkulie" als ein prinzipieller?
    Eine solche Abgrenzung nach dem Schweregrad ist ja ok und sicherlich hilfreich. Nur den Begriff "Dyskalkulie" sehe ich immer noch kritisch, weil er eben für ein bestimmtes ätiologisches-medizinisches Konzept steht (hinter dem sicherlich nicht alle Leute stehen, die den Terminus verwenden).

    Eine solche Unterscheidung zu treffen, wie du es nennst, Ilse, halte ich durchaus für sinnvoll und natürlich kann jeder dafür seine eigenen Termini verwenden. Dennoch halte ich es nicht für Wortklauberei, denn "Dyskalkulie" und "Legasthenie" stehen im Allgemeinen eben für den medizinischen Ansatz, der weitgehend als überholt und wenig sinnvoll gilt, und deutet insofern schon auf ein bestimmtes Verständnis von Lernschwierigkeiten hin. Der Ansatz stigmatisiert und pathologisiert Kinder und eine "Ursache" ist damit leider trotzdem nicht gefunden. Und zuletzt entlastet er auch Lehrer und hält sie davon ab, die didaktisch-methodische Unterrichtspraxis zu überdenken - konkrete Hilfen für die Therapie bietet er im Gegensatz zur pädagogischen Diagnostik auch nicht. Eine schöne, knappe, aber auf den Punkt gebrachte Einführung zur Kritik am medizinischen "Legasthenie"-Ansatz von Valtin findet man unter http://www.rsb-borken.de/fileadmin/Downloads/LRS/Valtin.pdf ; die meisten Punkte lassen sich relativ analog auf das Thema "Dyskalkulie" übertragen.


    Silicium, ich habe überhaupt nichts gegen die Psychologie (übrigens auch nicht per se gegen die Medizin) und halte sie für eine sehr wichtige Bezugswissenschaft für die Pädagogik. Bei den hier erörterten Fragen grenzt man meist auch eine pädagogisch-psychologische Perspektive von einer medizinischen ab (vgl. den verlinkten Artikel von oben). Und, wie gesagt, wie sie das schlussendlich nennen, hat nicht unbedingt etwas mit dem dahinterstehenden Konzept zu tun - trotzdem und gerade deshalb plädiere ich aber gegen eine originär medizinische Terminologie in diesen Bereichen, die auch die Psychologie, soweit ich den aktuellen Forschungsstand überblicke, weitgehend abgelegt hat. Die meisten neueren Aufsätze oder Bücher, in deren Titel noch "Dyskalkulie" oder "Legasthenie" vorkommt, sind von Medizinern verfasst.
    Neurowissenschaften halte ich für durchaus nicht uninteressant, aber für die konkrete pädagogisch-didaktische Praxis weitgehend irrelevant. Schulisch relevante psychologische Gebiete sind im Allgemeinen die Entwicklungspsychologie, die Lern- und Motivationspsychologie und die Verhaltens- und Sozialpsychologie (in denen natürlich auch verstärkt naturwissenschaftlich-biologische Aspekte eine Rolle spielen). Ich glaube da aber auch nicht an einen Paradigmenwechsel in der pädagogischen Psychologie zugunsten der Biopsychologie und Neurowissenschaften. Aber wir werden sehen, was kommt; wir stehen ja beide erst zu Beginn unserer Berufslaufbahn.
    Mein Lieblingswort für Rechenschwierigkeiten ist übrigens "Zahlendyssymbolismus". (Also nicht, dass ich es verwenden würde, aber im Sinne eines amüsanten Wortes - so war es ja wohl auch von dir gemeint.) :)

    Das sind keine "anerkannten" Krankheitsbilder, sondern seltsame Konstrukte der Medizin in einem Bereich, der nicht zu ihrem Fokus gehört und originär in anderen Disziplinen angesiedelt ist.


    Gibt ja auch berechtigerweise genug Kritik daran, denn die Begriffe schaden mehr als sie nutzen. Erschreckend, wie viele Pädagogen trotzdem daran hängen.


    Was unterscheidet denn ein Kind mit "echter Dyskalkulie" von einem "nur rechenschwachen" Kind?

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