Beiträge von Ilse2

    Zumindest bei uns sind für den Förderbedarf Geistige Entwicklung vor allem die lebenspraktischen Fähigkeiten das entscheidende Kriterium. Lesen, schreiben, rechnen sind da eher untergeordnet. Den Förderschwerpunkt Lernen gibt es meines Wissens nach auch nur in Deutschland, nirgends sonst.

    Ich bin Sonderpädagogin an einer Grundschule in NRW mit ca 270 Schüler: innen mit Sozialindex 8. Wir haben insgesamt offiziell 42 Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, viele, bei denen noch ein AOSF ansteht. Ich bin die einzige Sonderpädagogin an der Schule. Die Kinder sowohl mit als auch ohne Förderbedarf werden bei uns nicht gut gefördert und das liegt nicht an der Haltung des Kollegiums. Das kriecht auf dem Zahnfleisch. Dazu kommt eine inkompetente Schulleitung, die unpassende Prioritäten setzt und die Kolegen mit unnötigem Kram belastet. Außerdem arbeiten bei uns nur 1/3 tatsächlich ausgebildete Grundschullehrer, der Rest sind Verena-Kräfte und Seiteneinsteiger. So soll gute Inklusion funktionieren? Und ehrlich, ich bin mal mit voller Überzeugung ins Grundschulkapitel gegangen. Würde ich heute nie wieder tun und hoffe, ich schaffe es noch, den Weg zurück in die Förderschule zu gehen. An eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Inklusion glaube ich leider nicht mehr.

    Wir rechnen einen sehr kleinen Teil an Schwerpunktstunden mit. Das sind Stunden, wo bei Bedarf äußere Differenzierung stattfinden kann. So ca. 5-10%. Die Mehrheit der Stunden legen sich die Sonderpädagogen im Nachgang. Da die Sonderpädagogen ausschließlich für Sonderpädagogische Förderung eingesetzt werden und das Team groß genug ist, gibt es da auch keine Abdeckungskonflikte.

    Die Sonderpädagogen verteilen auch die GL-Stunden von Regellehrern im Nachgang. Diese können dann natürlich nur in deren Stundenplanlücken liegen.

    Was sind denn GL-Stunden bei Regellehrern bei euch?

    Wieso ist ein bestimmtes Arbeitsverhalten an der Gesamtschule besser aufgehoben, führt das nicht genau zu dem Problem, dass sozial schwache aber kognitiv fitte SuS überproportional häufig in der Gesamtschule beschult werden? Und am Gym wiederum entsprechend verhältnismäßig oft die Leisen, Ordentlichen, die aber nur mit Nachhilfe durch die Schulzeit kommen?

    Ja, das sehe ich schon auch so. Trotzdem ist die Chance für Kinder, die gerade in diesen Bereichen Schwierigkeiten haben an der Geamtschule erfolgreicher zz sein als am Gymnasium höher. Ich sag nicht, dass ich das gut finde, sehe aber die Realität zumindest in meiner Stadt. Da sortieren die Gymnasien und auch die Realschulen gnadenlos aus.

    Ich kenne mich in HH nicht aus, aber offenbar gibt es Stadtviertel, in denen ein Viertel der Kinder mit Empfehlung die Schulform wechselt und Stadtviertel, in denen kaum ein Kind das Gym verlassen muss. Ich schlussfolgere daraus, dass in bestimmten Vierteln die GS-Lehrkräfte die Kinder oft zu gut einschätzen, weil sie dies klassennormbezogen tun. Das würde dafür sprechen, dass die Empfehlungen zum Gutteil auf einem Gefühl beruhen, wer zu "den Besseren" gehört und wahrscheinlich am Gymnasium "klarkommen" wird. Das finge dann wohl bei der Notengebung an, die sich zu wenig an Lehrplanzielen orientiert und zu sehr am Klassenschnitt. In einem "schwierigen" Einzugsgebiet will man nicht nur 4en und 5en verteilen, weswegen man beginnt, Leistungskontrollen so zu verfassen, dass 2en und 3en für das Gros der Klasse möglich sind.


    Ich kenne das Dilemma jedenfalls von der Lernförderschule, in der entschieden werden muss, wer den Hauptschulzweig besuchen kann. Wir schwimmen da manches Mal, weil es (außer bestimmten Noten) keine Kriterien oder Aufnahmeprüfung gibt.

    Dazu kommt auch noch, dass es zumindest in NRW grundsätzlich erstmal die Empfehlung Haupt- und Gesamtschule, Real- und Gesamtschule und Gymnasium und Gesamtschule gibt. Da kann es durchaus sein, dass ein Kind grundsätzlich zwar kognitiv in der Lage wäre, das Gymnasium zu schaffen, die Noten such entsprechend sind, aber beispielsweise das Arbeitsverhalten oder auch Sprachkenntnisse vielleicht eigentlich besser an einer Gesamtschule gefördert werden könnte. Das wird den Eltern im Gespräch erklärt, auf der Empfehlung steht dann aber formal richtig aufgrund der Noten trotzdem Gymnasium und Gesamtschule und die Eltern melden trotz anderer Beratung am Gymnasium an. Ich weiß natürlich jetzt nicht, ob das in Hamburg auch so ist.

    Über den eigenen Karriereweg darf ja auch jeder selbst entscheiden. Darf ich fragen inwiefern du als Sonderpädagogin tätig bist?

    Was heißt inwiefern? Ich bin als Sonderpädagogin Förderschullehrerin. Ich arbeite an einer Grundschule im Gemeinsamen Lernen und meine Hauptaufgaben sind Unterrichten und Diagnostizieren.

    Ich kann nicht direkt helfen, mit braunstormen kann ich aber vielleicht auch. Kennst du die Seite http://www.gpaed.de? Falls nein, melde dich an, es lohnt sich! Da gibt es u.a. auch Unterrichtsentwürfe für die Förderschule GG zum Thema Mittelalter ( ich hab nur mal kurz überflogen ob es irgendwas in Richtung Geschichte gibt) und außerdem auch einen Foren erreichbar mit kompetenten Kollegen. Ich könnte mir vorstellen, dass du da vielleicht Unterstützung bekommen kannst.

    Wie er bezahlt wird weiß ich natürlich nicht, und so etwas fragt man auch nicht. Kann gut sein, dass er das nur nebenbei gemacht hat (war vlt 4-5 Stunden am Tag da), aber zusätzlich noch eine andere (Förder-)Klasse unterrichtet hat er nicht. Die Schulleitung war damals ganz froh, dass er da ist um vor allem das eine Kind im Alltag zu unterstützen. Ich kann mich daran erinnern, sie meinte, dass sein Bildungsweg eigentlich Norm für die Stelle sein sollte (dadurch habe ich erfahren, dass er Sonderpädagoge ist).

    Ich als Sonderpädagogin möchte ganz sicher nicht arbeiten wie eine Schulbegleitung. Dafür bin ich tatsächlich zu gut und teuer ausgebildet.

    Vom Grundprinzip her ist diese Diskussion vergleichbar mit dem allseits bekannten BeamtInnenbashing. Ich sage den BasherInnen immer, dass es jedem/jeder freistehe, bzw. freigestanden hätte, ebenfalls Beamte/r zu werden. Ebenso steht/stand es jedem/jeder frei, Kinder in die Welt zu setzen, an einem Ort mit hoher Mietstufe zu leben und dann "fett zu kassieren"... Männer sind sogar biologisch im Vorteil...

    Entschuldige, aber das stimmt ja so nicht. Ich bin trotz grundständiger Ausbildung nicht verbeamted. ( und offenbar trotzdem gut genug, den selben Job zu machen).

    Das fände ich auch furchtbar. Hat eure Lehrerkonferenz das so beschlossen? Oder die Schulkonferenz?

    Angeblich ja. Leider ist in den Protokollen nichts zu finden und der Großteil der Kollegen kann sich nicht erinnern, darüber abgestimmt zu haben:grimmig:.

    Ohne die Diskussion kapern zu wollen, wäre "warum?" für mich hier die passende Frage.

    iPads besitzen die SuS bei uns ab Klasse 7. Ich finde die Geräte grundsätzlich positiv, wenn ich entscheiden dürfte, würde ich sie in Klasse 8 einführen. Wir haben Klassensätze, die in 5/6 gelegentlich genutzt werden, dann aber sehr zweckgebunden in einzelnen Stunden.

    In Klasse 5 kommen die SuS inzwischen mit so vielen Kompetenzlücken in grundlegenden Bereichen bei uns an, dass ich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, wenn eine unser Grundschulen in größerem Umgang iPads einsetzen wollen würde.

    Ich sehe das auch so. Leider unsere Schulleitung nicht. Wir sind als Grundschule tatsächlich jetzt Ipadschule. Alle (!) Schüler wurden mit Ipads ausgestattet, Bücher, Arbeitshefte und Co gibt es ab Klasse 2 nur noch digital. Ich finde es furchtbar! Vor allem, weil wir eh schon so viele Schüler mit so vielen Defiziten und generell viel zu hohem Medienkonsum haben.

    Grundsätzlich ist es kein Widerspruch, dass ein lernzieldifferentes Kind versetzt wird, ein Regelkind aber nicht, weil beide ja eben in unterschiedlichen Bildungsgängen unterwegs sind und "nur" halt im gleichen Setting beschult werden.


    in der Praxis hatte ich leider überhaupt keine Ahnung, welche Lernziele ein GE oder LE Kind in Englisch Klasse 6 oder Erdkunde Klasse 8 hat usw. Mir wurde damals gesagt, es gäbe keinen Lehrplan und Ziele werden "individuell" festgelegt. Da kein Sonderpädagoge zur Verfügung stand, habe ich - völlig unprofessionell - die Kinder mit irgendwas beschäftigt und aus den bearbeiteten Themen und Materialien im Nachgang ein paar Lernziele abgleitet, als es um die Zeugnisformulierungen ging. Für mich besteht das Problem bei fehlendem Lehrplan mit klaren Zielen darin, dass die Kinder komplett willkürlich mitversetzt werden. Gäbe es eine ebenso klare Zielperspektive wie im Regelsystem, könnte man die Versetzungen gemessen am Lehrplan des Bildungsgangs plausibel rechtfertigen. Das planlose Durchschieben, was zumindest bei uns an der Schule der Regelfall war, ist dagegen völlig absurd.

    Zieldifferent sonderpädagogisch geförderte Kindef werden NICHT versetzt.

    Die Lernziele werden im Förderplan festgeschrieben.

    Allerdings, da gebe ich dir vollkommen Recht, ist das mit den vorhandenen Ressourcen nicht sinnvoll umsetzbar. Aber weder am Gymnasium noch an sonst irgendeiner Schulform.

    Kind 1 (ohne Förderbedarf): hat 2x Note 5 in Hauptfächern, kann diese nicht ausgleichen = wird nicht versetzt

    Kind 2 (mit Förderbedarf): wird in derselben Klasse wie Kind 100, aber lernzieldifferent beschult, inhaltliche Defizite ähnlich groß (oder noch größer) wie bei Kind 1 = wird versetzt

    lernzieldifferente Kinder werden nicht versetzt, sie nehmen am Unterricht der Klasse xy teil. Jeder der da neidisch auf das zieldifferente Förderkind ist, sollte mal tief in sich gehen und beispielsweise über die zukünftigen Folgen nachdenken. Ein zieldifferentes Kind wird zumindest im ersten Bildungsweg keinen Regelschulabschluss machen können. Und damit meine ich nicht nur Abitur.

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