Hallo Conni, erstmal Danke für's ausführliche Antworten. Schön, dass du immer so zuverlässig mitdenkst und bereitwillig berichtest, wie es bei euch so läuft. Dass mit den veränderten Verweilerzahlen bei euch, ist in der Tat sehr spannend. Dadurch, dass SaPh und vorgezogenen Einschulung gleichzeitig eingeführt wurden, ist es ja doch schwierig zu beurteilen, was die Hauptursache für die vielen Verweiler ist... vermutlich verstärkt sich beides... Jetzt aber zu deinen Einwänden: Das Problem der Ausgrenzung entstünde sicherlich dann, wenn man sagen würde: nur die Kinder mit Defiziten kommen in die Gruppe, die drei Jahren macht. Ich habe mir aber eher ein Modell vorgestellt, in der ersteinmal alle Kinder, die mit 5 Jahren eingeschult werden, in die Gruppe eingeschult werden, die drei Jahre hat, plus die Kinder, bei denen schon im Vorfeld ein erhöhter Förderbedarf festgestellt wird. Das heißt, es wäre ausdrücklich keine Gruppe für die schwachen, sondern lediglich eine Gruppe für die jüngeren Kinder. Fände ich auch wichtig, um eine ausgewogenen Mischung in der Klasse zu haben. Auch innerhalb dieser Gruppe müsste der Unterricht dann so differenziert sein, dass auch leistungsstärkere Kinder nicht unterfordert werden. Ein Wechsel in die "ältere" Gruppe wäre dann nur im Einzelfall nötig, wenn das Kind trotz der Differenzierung zu kurz käme (so wie es ja auch früher möglich war, Kinder überspringen zu lassen...). Umgekehrt müsste es natürlich auch möglich sein, dass Kinder aus der "älteren" Gruppe zu den Jüngeren wechseln, wenn der Rückstand trotz innerer Differenzierung nicht auszugleichen ist.
Als Vorbild könnte da die bereits erwähnte Eingangsstufe in Hessen dienen. Die wird dort an einigen Grundschulen (wenn ich das richtig verstanden habe) für Kinder angeboten, die freiwillig schon mit 5 eingeschult werden. (Unsere werden halt unfreiwillig so früh eingeschult, wieso sollten sie da nicht dasselbe Anrecht auf ausreichend Lernzeit haben?) Die Kinder besuchen dort zwei Jahre die Eingangsstufe, die die erste Klasse ersetzt. Im darauffolgenden Jahr gehen dann alle Kinder in die zweite Klasse. Das heißt, die Kinder haben zwei Jahre Zeit, sich die Inhalte der ersten Klasse zu erarbeiten, es wäre am Anfang mehr Zeit für vorschulische /erzieherische Aktivitäten, der Übergang von der Kita zur Schule könnte fließender erfolgen. Es ist auch ausdrücklich nicht so gedacht, dass erst ein Jahr Vorschularbeit stattfindet und erst im zweiten Jahr mit dem Stoff der ersten Klasse begonnen wird, sondern schon im ersten Jahr werden die Inhalte der ersten Klasse einbezogen. Man hätte dann aber deutlich mehr Zeit und könnte den kindgerechteren Methoden (z.B. Lernen mit allen Sinnen) wieder mehr Raum geben. Der absolute Vorteil läge für mich dabei in den stabileren Gruppen. Was mich persönlich nämlich wirklich mit am meisten stört, sind diese instabilen Lerngruppen, die allein dadurch entstehen, dass sie jedes Jahr neu zusammengesetzt werden, dadurch, dass man die Gruppe immer wieder teilen muss usw. Ich habe auch selbst gerade mein eigenes Kind in der SaPh und obwohl es ihr dort insgesamt sehr gut geht, sehe ich jetzt doch auch noch mal deutlicher, wie traurig es für ein Kind ist, wenn einige der gerade erst gewonnenen Freunde im nächsten Jahr die Klasse verlassen werden. Auch die Aussicht schon nach zwei Jahren Lehrerin und Erzieherin wechseln zu müssen, nimmt sie sich durchaus zu Herzen und auch die Kinder aus meiner Klasse reagieren häufig regelrecht erschreckt, wenn sie diese Tatsache das erste mal so richtig realisieren. Gerade für die Kinder, die wir hier haben, ist Kontinuität absolut wichtig! Gerade weil vielen das zu Hause schon fehlt!
Ziel wäre also, einen Weg zu finden, bei der möglichst viele Kinder in einer stabilen Gruppe verbleiben können! Und nochmal zum Thema Ausgrenzung: wenn ich nach einem System suche, dass jahrgangshomogen funktioniert, in dem aber die Kinder trotzdem die Möglichkeit haben müssen, drei Jahre für den Stoff der ersten beiden Schuljahre zu haben, bestünde die andere Alternative ja doch wieder nur im Zurückstufen . Und egal wie schonend man das organisiert (z.B. durch schon vorher stattfindenden Förderunterricht bei der zukünftigen Klassenlehrerin oder durch gemeinsame Projekte mit Partnerklassen) : ich würde mal behaupten, die betroffenen Schüler würden sich da weitaus ausgegrenzter fühlen. Und auch in dem bestehenden SaPh-System ist es ja so, dass die Kinder sich untereinander vergleichen und einige ganz unglücklich sind, wenn sie drei Jahre bleiben müssen, während der Freund mit dem sie zusammen eingeschult wurden schon weitergeht.... die Gefahr, dass da Kindern schon von Anfang an vermittelt wird, dass sie nicht gut genug sind (um es in zwei Jahren zu schaffen) finde ich da viel größer. Und nicht weil wir Lehrer ihnen das so vermitteln, sondern weil sie selbst sich vergleichen und oft auch, weil die Eltern es so empfinden. Oft genug auch genau die Eltern, die am Angang kamen und sich Sorgen machten, weil ihr Kind noch so jung ist. Denen muss ich dann am Ende des ersten Schuljahres immer erstmal wieder bewusst machen, dass ihr Kind nach altem Schulgesetz in diesem Sommer ja überhaupt erst eingeschult worden wäre und dass dann ja auch niemand erwartet hätte, dass es jetzt schon flüsssig lesen können muss oder sicher bis 20 rechnen. Könnte man den besorgten Eltern der jüngeren Kinder von vorneherein sagen: ihr Kind ist zwar noch jung, aber dafür bekommt es bei uns auch ein Jahr länger Zeit, könnten sie das mit Sicherheit besser annehmen. Wir würden den Kindern dann sozusagen das Jahr wieder zurückgeben, was man Ihnen durch die vorzeitige Einschulung genommen hat.
So, das war jetz ganz schön viel (und weil ich das vorher wusste hat auch die Antwort so lange auf sich warten lassen) , vielleicht mag ja nochmal jemand eine Meinung dazu abgeben (übermorgen muss sich unser Team zumindest auf die grobe Richtung einigen!)