Zum Problem "Aufsatz bewerten":
Normalerweise bewerten wir zumindest in der zweiten Klasse bei Aufsätzen die Rechtschreibung nicht.
Dann würd ich das in diesem Fall auch nicht tun.
Aber es kann auch nicht sein, dass sie vielleicht eine 3 oder 4 bekommt, weil ihre Gedanken ganz sinnvoll sind, obwohl ihr Text für Außenstehende eigentlich nicht mal zu entschlüsseln sind???
Wieso nicht?
So wie ich es verstanden habe, ist der Text ja nicht "gar nicht" sondern nur "schwer" zu entschlüsseln (den Ausschnitt konnte ich durchaus lesen). Dass das anstrengend ist, weiß ich auch, aber wenn es dir irgend möglich ist, mach dir die Mühe und benote nur das, was du bei den anderen Kindern auch benotest: Inhalt und Ausdruck. Andernfalls hieße das ja, dass du ein Kind, das eh schon große Schwierigkeiten hat noch zusätzlich strenger bewertest als die anderen. Finde ich pädagogisch sehr fragwürdig. Gerade bei den schwachen Kindern sollte man doch froh sein, wenn sie noch motiviert sind und lernen wollen. Diese Motivation trotz schlechter Noten aufrecht zu erhalten ist schwierig genug, da sollte man dem Kind wenigstens für das, was es gut macht (also für Inhalt und Ausdruck) nicht die Anerkennung verweigern.
Zu dem Problem allgemein:
wenn ich das lese, bin ich zum Einen doch sehr froh in Klasse 2 noch nicht benoten zu müssen und zum anderen wird mir wieder bewusst, wei relativ doch Einschätzungen sind, was noch im Rahmen ist und was nicht.
bisher ist mir so etwas noch nicht untergekommen, dass ein Kind Mitte der zweiten Klasse noch komplett unlesbar schreibt...
Mir schon... und dass das bei dir noch nicht der Fall war, zeigt vor allem, dass ihr an eurer Schule scheint's einen ganz guten Leistungsstand habt. An meiner ehemaligen "Brennpunkt"-Schule wäre dieses Kind überhaupt nicht aufgefallen, maximal positiv weil es überhaupt schon so lange Texte schreibt.
Ist natürlich kein Maßstab. weiß ich auch.
An meiner jetzigen Schule habe ich auch noch vereinzelt solche Kinder, die fallen dann da auch auf, weil die anderen schon deutlich weiter sind. Nun haben wir hier in Berlin ja die Schuleingangsphase (und zwar nicht nur bei Jahrgangsmischung sondern auch bei jahrgangsbezogenem Unterricht) und da steht am Ende des zweiten Lernjahres eh immer die Frage: 3.Klasse oder 3.Jahr Saph. Bei Kindern die insgesamt schwach sind und bei denen abzusehen ist, dass sie mit den Inhalten der 3.Klasse noch überfordert wären, ist die erste Maßnahme also immer: mehr Zeit geben, sprich:Verweilen lassen. Erst wenn dadurch keine Verbesserung eintritt, geht die Überlegung Richtung sonderpädagogischen Förderbedarf und ich finde, das macht auch Sinn: Durch dieses Verfahren habe ich jetzt schon sehr viele Kinder erlebt, die noch ein drittes Jahr Saph durchlaufen haben und habe da doch oft beobachten können, dass es manchmal tatsächlich einfach nur mehr Zeit braucht. Gerade in Klasse 1/2 passiert einfach noch so viel an Entwicklung und Reifungsprozessen, dem sollte man genügend Raum geben. Natürlich hatte ich auch immer wieder Kinder, bei denen sich letztlich doch ein Lernbehinderung herausgestellt hat, die hatten aber in Klasse 2 auch schon deutlich gravierendere Schwierigkeiten als deine Schülerin jetzt...
Ich weiß, das nutzt dir jetzt so nichts, weil du in einem anderen System steckst, aber ich finde man sollte sich immer darüber klar sein, dass Maßstäbe relativ sind... Gibt es denn bei euch grundsätzlich irgendeine Möglichkeit (vielleicht auf Antrag der Eltern), Kinder zurückstellen zu lassen, bevor es 5en und 6en hagelt (und Motivation und Selbstwertgefühl völlig hinüber sind)?