Wow, also wenn ich das lese kann ich aber schonmal mit Sicherheit sagen: du brauchst definitiv kein schlechtes Gewissen zu haben, weil du nicht genug machst!!! Du schöpfst offensichtlich schon alle Fördermöglichkeiten aus, du differenzierst, du kooperierst mit anderen Helfern, du diagnostizierst und tauschst dich dann mit anderen über die Ergebnisse aus.... mehr geht doch erstmal gar nicht!
Bei der Reaktion auf die erste HSP gebe ich der Kollegin recht: das kann eine erster Hinweis sein und sollte dazu führen die entsprechenden Kinder gezielt zu fördern und gut zu beobachten, aber für ein LRS-Diagnose ist es in der Regel wirklich noch zu früh. Es passiert in den ersten Jahren noch sooo viel an Entwicklung, da braucht es manchmal auch einfach "Geduld und Zuversicht" (mich interessiert bei der HSP im ersten Schuljahr übrigends auch erstmal nur der Wert für die alphabetische Strategie).Man tut den Kindern auch keinen Gefallen, wenn man zu früh die Pferde scheu macht, Eltern sind dann auch schnell verunsichert.
Dass es für die DAZ Kinder schwierig ist, ist normal und defintiv nicht deine Schuld. Davon musst du wirklich wegkommen (der Kollegin, die die Buchstabennamen beibringt, solltet ihr aber doch nochmal ganz deutlich sagen, dass das definitv nicht geht, das rechtfertigt auch kein Aufführung...) .
Du hast die Kinder, die du hast und du tust was du kannst, aber du kannst nichts erzwingen. Von einer Kollegin habe ich mal den klugen Satz mitgenommen "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht". Hilft mir immer wieder mal, wenn ich selbst eine ähnlich Krise habe...(wässern und düngen kannst du natürlich trotzdem).
Dein methodisches Repertoire wirst du mit Sicherheit noch erweitern, aber das braucht einfach Zeit. Ich rekapituliere mal, wie sich das bei mir entwickelt hat: gestartet bin ich auch nur mit LDS (was anderes wurde uns an der Uni leider nicht mitgegeben) und habe zunächst mit Tinto gearbeitet, habe aber schon im ersten Jahr gemerkt, dass das nicht reicht. Ich habe dann zunehmend gezielte Leseübungen dazugenommen, anfangs selbst geschrieben oder aus "normalen" Lesebüchern zusammengesucht. Für die schwachen Schüler war es defintiv wichtig Lesematerial zu haben, was sich entsprechend der Buchstabenfolge langsam aufbaute.
Wichtig war auch, regelmäßig konkrete Lesehausaufgaben mitzugeben (die Eltern wissen sonst oft gar nicht womit sie Lesen üben sollen).
Angesichts eines Schülers, der auch nach zwei Jahren nicht in der Lage war zwei Laute zu einer Silbe zu verschleifen, habe ich mich dann mit der Silbenmehtode (mildenberger) beschäftigt, was bei diesem Kind tatsächlich die entscheidende Wende gebracht hat. Von da an habe ich die Arbeit mit Silben von Durchgang zu Durchgang bewusster eingesetzt. Mittlerweile arbeite ich mit einem ganz klassichen Leselerngang (und bin froh drüber, dass es dazu viel Lesematerial gibt) und ergänze umgekehrt mit Anlauttabelle und freiem Scheiben (was ich einfacher finde), greife aber beim lautgetreuen Schreiben deutlich früher ein, als noch am Anfang. Als weiteren "Baustein" habe ich die Arbeit mit Lernwörtern und Rechtschreibstrateigen (FRESH) dazugenommen.
Aus meinem letzten Durchgang nehme ich mit, dass ich noch stärker die basalen Fähigkeiten und insbesondere die feinmotorischen Fähigkeiten im Auge haben muss. Das war mir vorher noch nie so deutlich, weil meine vorherigen Schüler so vielfältige Defizite hatten, das man das oft gar nicht klar benennen konnte, was jetzt die Hauptursache für die Schwierigkeiten war.
Diesmal hatte ich erstmals Kinder, die kognitv fitt waren, perfekt Deutsch sprachen und wirklich gute Unterstützung von zu Hause bekamen, die aber trotzdem kaum in der Lage waren einen Stift zu halten, eine Linie nachzuspuren, sich Bewegungsabläufe zu merken etc. Genau diese Kinder haben sich dann sehr schwer getan schreiben zu lernen und sind bis heute die mit dem schlechtesten Schriftbild und den größten Schwierigkeiten in Sachen Rechtschreibung. Wir haben von Anfang an gefördert, aber im Nachhinein denke ich, ich hätte bei den Eltern noch stärker darauf drängen sollen sich um eine Ergotherapie zu kümmern (empfohlen habe ich es allen, es haben aber nicht alle umgesetzt...), bzw. frühstmöglich Ursachenforschung zu betreiben (Hörverarbeitung / Sehfähigkeiten...).
Mal sehen: nächstes Jahr starte ich wieder mit einer ersten...