Es geht tatsächlich eher um theoretische Begründungen im Rahmen des Studiums. Auch wenn ich natürlich trotzdem erhoffe, auch etwas für die Praxis mitnehmen zu können
Konkret brachte mich auf die Frage hier ein Fall eines verhaltensauffälligen Drittklässlers (vorwiegend ADHS), für den verschiedene Unterrichtskonzepte diskutiert werden sollen.
Ja guck, und damit kann man doch auch was anfangen. Für den theoretischen Hintergrund ist Literatur lesen sicherlich am schlauesten, weil du das einfach auch zitieren kannst. Konkrete Tipps habe ich da allerdings nicht, dazu ist das Studium einfach schon zu lange her...
Spannend finde ich wirklich die konkrete Frage, welche Unterrichtsform bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten am besten passt. Da würden mich Erfahrungswerte auch sehr interessieren. Das Dumme ist ja, dass man auch in seinem eigenen Unterricht nicht permanent alles umwerfen kann, nur um mal auszuprobieren, ob es anders nicht besser wäre.
Das finde ich manchmal schade. An meiner vorherigen Schule mit sehr vielen auffälligen Schülern war die einhellige Meinung des bestehenden Kollegiums ja immer: all diese "modernen" (=offenen) Unterrichtsformen könne man ja anderswo gerne machen, aber nicht mit unseren Schülern. Die bräuchten klare Strukturen und enge Führung und könnten mit Freiraum sowieso nicht umgehen. Diese sehr enge Führung bedeutete aber bei diesen Kollegen vor allem einen feldwebelartigen Umgangston. In der Tat hatten die dann auch weniger Unterrichtsstörungen und waren im Stoff scheinbar immer schon weiter. Ich selber kann und will diesen Umgangston aber nicht und hatte dementsprechend mehr Schwierigkeiten. Was den Stoff angeht, habe ich aber irgendwann gemerkt, dass das auch viel Augenwischerei war. D.h. die Kinder in diesen Klassen waren eingeschüchtert genug den Frontalunterricht ohne größeren Widerstand "abzusitzen", und die Lehrer sind dann einfach stur im Lehrgang weitergegangen ohne groß zu differenzieren. Wenn man dann aber (z.B. in Vertretungsstunden) mal geguckt hat, was sie wirklich verstanden hatten war das erschreckend wenig (und auf keinen Fall besser als in meiner Klasse). Ich selber kenne das auch aus meinem Unterricht (jetzt mit deutlich einfacheren Kindern), dass ich in frontalen Phasen immer denke: oh prima, sie haben es verstanden aber wenn es dann an die Arbeit geht, merke ich, dass es eben doch immer Kinder gibt, die aus diesen Phasen überhaupt nichts mitnehmen. Insofern finde ich frontale Phasen zwar durchaus wichtig um gemeinsam Neues einzuführen ich sehe aber auch deutlich die Grenzen.
In den offeneren Phasen habe ich einerseits auch die Kinder, die mit dem Freiraum nicht gut umgehen können und versuchen das dazu zu nutzen einfach mal gar nichts zu machen, andererseits kann ich in diesen Phasen deutlich besser differenzieren und auf einzelne eingehen. Manche Kinder erreiche ich echt nur so. Ich fahre also so ein Mischkonzept und im Moment bin ich damit auch ganz zufrieden, aber manchmal frage ich mich auch, wie es wäre, wenn ich noch konsequenter öffnen würde.
Erfahrungsberichte wie die von Krabappel gibt es ja auch immer wieder und theoretisch leuchtet es mir auch ein, dass ein Teil von störendem Verhalten ja auch aus ständiger Über- oder Unterforderung entsteht bzw. aus dem ständigen Unterdrücken von anderen Bedürfnissen, so dass manchmal gerade diese Kinder in offenen Formen besser laufen, weil es besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. In den Ferien habe ich z.B. ziemlich viel über das Churer Modell gelesen und fand das ganz spannend. Ich könnte mir das durchaus vorstellen, habe aber keine Menschen in meinem Umfeld, die in dieser Richtung Erfahrung haben und mit denen man sich da mal austauschen könnte. Insofern finde ich Erfahrunsberichte zu verschiedenen Unterrichtsformen immer sehr spannend.