Ich habe auch immer mal wieder mit dem Modell "Lernweg" geliebäugelt , hatte aber doch auch immer Bedenken(das empfohlene Buch habe ich auch hier, habe es aber nie ganz gelesen...). Für einzelne Bereiche habe ich es aber auch schon ausprobiert und fand das da sinnvoll: bei der Schreibschrift (nach gemeinsamer Einführung der ersten Buchstaben und grundlegender Formen) und zuletzt bei der Erarbeitung der 1mal1-Reihen (nachdem das Prinzip klar war). Beides funktioniert gut, trotzdem habe ich für mich entschieden, dass ich das als durchgehendes Unterrichtsprinzip nicht möchte. Ein Hauptgrund: ich möchte nicht, dass es in ein Wettrennen ausartet. Das beobachte ich immer wieder: die Kinder vergleichen sich, wer wie weit ist und bei einigen führt das zu Stress und auch dazu, dass eher oberflächlich und schnell gearbeitet wird, weil man auch weiterkommen möchte. Ganz gruselig finde ich übrigends, wenn öffentlich ausgehängt wird, wer wo auf dem Lernweg ist. Ich frag mich immer, wie sich das wohl für die Kinder anfühlt, die das Schlusslicht sind.
Ich bevorzuge mittlerweile ganz klar eine Differenzierung "in die Tiefe", sprich: wir sind am gleichen Punkt aber da gibt es unterschiedliche Angebote. Auch weil das besser den gemeinsamen Austauch ermöglicht. Im Moment mache ich das noch viel über Wochenpläne, aber möchte perspektivisch noch mehr über gemeinsame Lernaufgaben mit unterschiedlich anspruchsvollen Bearbeitungsmöglichkeiten gehen. Ich habe vor einiger Zeit das "Churer Modell" für mich entdeckt und war gerade dabei mich da ranzutasten, als es mit Corona losging.... es ist aber defintiv das wo ich hinwill...
Zum Schriftspracherwerb: wir haben hier ein recht konservatives Lehwerk am Start (Tobi, also klassicher Leselehrgang), was aber den großen Vorteil hat, dass es ein stabiles Fundament ist und außerdem massig Zusatzmaterial bietet (vor allem auch zum Lesen). Es ist jedenfalls deutlich mehr, als ein Kind bearbeiten kann, so dass man darüber wirklich gut differenzieren kann. Ich ergänze das aber auch mit der Arbeit mit der Anlauttabelle und das ist für mich auch eine entscheidende Stellschraube um Differenzierung zu ermöglichen: die schnellen Kinder machen zwar auch den Buchstabenlehrgang mit (und nutzen da dann halt verstärkt die anspruchsvolleren Aufgaben) ,können sich aber über die Anlauttabelle auch schon andere Buchstaben erschließen, die sie beim freien Schreiben und vor allem beim Lesen auch schon nutzen und üben (das zugehörige Lesebuch gebe ich z.B. nach dem gemeinsamen Start auch frei). Klar gibt es dann immer das Problem, dass auch schon Buchstaben geschrieben werden, bevor die Schreibrichtung bekannt ist. Das ist in der Tat ein Problem, für das ich auch noch keine Lösung gefunden habe, weshalb das bei mir auch nur in Maßen stattfindet (der Löwenanteil ist wirklich die Arbeit mit Tobi und das Lesen). Trotzdem sehe ich jedes Mal wieder was für eine enorme Motivation das freie Schreiben für die Kinder darstellt und zwar auch und gerade für die Kinder, die sonst nicht gerne schreiben. Gerade für die, die sich nur mühselig durch den Schreiblehrgang kämpfen, finde ich es wichtig, dass sie auch wissen, wozu sie sich die Mühe machen. Und ich beziehe auch da von Anfang an die Rechtschreibung mit ein: beim Verschriften von lautgetreuen Wörtern lasse ich sie wirklich korrigieren (dazu rufe ich sie dann einzeln zu mir und wir sprechen und hören nochmal gemeinsam, es entstehen immer wieder Gespräche über Rechtschreibung) und bei den ganz freien Texten schreibe ich in Klasse 1 immer nochmal die richtige Schreibung dazu, damit von Anfang an ein Bewusstsein entseht, dass nich alles so geschrieben wird, wie man es hört. Mit dieser Mischung komme ich jetzt ganz gut zurecht.