Mir erscheint diese demonstrativ zur Schau getragene Toleranz gegenüber allen möglichen Minderheiten immer etwas selbstgerecht.
Du meinst, DU trägst sie demonstrativ zur Schau? Oder wer tut das? Vielleicht tragen Menschen diese Dinge ja auch nicht zur Schau, sondern bemühen sich nach ihren begrenzten Kräften, die Dinge auch so zu sehen? Aber selbst, wenn hier nur Dinge "zur Schau" getragen werden, ist das mehr wert, als wenn man die eigenen Ressentiments hoffähig zu machen versucht.
Unsere Achtung gilt Homosexuellen, weil, "die tun ja niemandem was", aber ein Pädophiler ist der allerletzte Abschaum, obwohl auch er sich diese Neigung nicht ausgesucht hat. Wenn man nur mal einen Bericht von jemand gelesen hat, der pädophile Neigungen hat und dagegen ein Lebtag anzukämpfen hat, müsste man das eigentlich anders sehen.
Tun ja auch die Menschen, die sich professionell mit Pädophilie befassen. DU könntest es auch tun und dafür werben. Der geifernde Feldzug gegen Pädophilie auf allen Kanälen schützt niemanden und verursacht massive Schäden (wie natürlich die absurde Idee, pädophiler Sek mit Kindern müsste erlaubt werden, auch!). Das Beste wäre auch hier, wenn es mehr Aufklärung und mehr Normalisierung gäbe, das heißt: Wenn es gelänge, die Pädophilen zu erreichen, sodass sie sich auf keinen Fall an Kindern vergreifen. Und die Eltern und Kinder zu erreichen, damit sie auf Warnzeichen selbst achten können. (Pädophile stellen übrigens oft Kontakt zu den Eltern her, deren Kinder sie missbrauchen.)
Man bräuchte (sagen auch Experten):
- Keine Verteufelung der Pädophilen, keine Skandalisierung und immer weitere Kriminalisierung;
- Sexualkunde und Aufklärung.
Idealerweise würde Pädophilie so behandelt, dass jeder Pädophile offen darüber reden könnte und allgemein bekannt wäre, wer pädophil ist. Dann könnte man die Kinder vor den Pädophilen schützen und die Pädophilen vor den Kindern. Das scheint aber nicht vermittelbar zu sein.
Geschwister, die heiraten, tun auch niemandem was. Trotzdem ist das nach wie vor ein Tabu.
Wie das wohl kommt? Schon in den philosophischen Debatten des 18. Jahrhunderts wird für eine Straffreiheit des einvernehmlichen Inzests (v. a. unter Geschwistern) plädiert. Erst dieses Jahr hat der Ethikrat das erneut gefordert. Dass das nicht passiert, liegt am Ekel, den viele Menschen beim Gedanken daran empfinden, mit Familienangehörigen Sex zu haben (geht mir auch so, klar) und natürlich an unseren Kirchen, die in Ermangelung anderer Betätigungsfelder hier auch stark aktiv sind. Resultat sind dann Fälle wie dieser:
http://www.sueddeutsche.de/pan…wie-verboten-ist-1.268035
(Lustigerweise eine Geschichte aus Sachsen.)
Im Übrigen sieht man hier, dass zwischen gefühlter und realer Welt natürlich Diskrepanzen bestehen. Denn faktisch ist Inzest unter Geschwistern überhaupt kein Problem, das relevant genug wäre, um von der Rechtsprechung behandelt zu werden. Dazu ist diese Form des Sexes (als freiwilliger Sex!) eben viel zu selten.
Es ist auch kein brauchbares Kriterium für eine "normale" Eigenschaft/Empfindung/Neigung, dass sie niemandem schadet. Eine Menge Dinge sind ebenso schädlich wie normal: Neid, Gier, Aggression ... Andere sind höchst unnormal, aber wir sind dankbar dafür, dass es sie gibt: Die künstlerischen oder wissenschaftlichen Genies zum Beispiel, die uns Freude und/oder Fortschritt bescheren.
Es bringt nichts, "normal" an statistische Häufigkeit zu koppeln. Und, ja: Vieles Normale gefällt uns nicht. Aber insgesamt geht der Trend doch dahin, auch negative Dinge eher als normal zu akzeptieren als sie NUR moralisch zu verurteilen. Und das ist insgesamt vermutlich auch ganz gut. Es scheint mir jedenfalls besser, z. B. mit Kindern auch über negative Gefühle halbwegs sachlich reden zu können (z. B. Neid) als ihnen immer mit erhobenem Finger sagen zu müssen, dass sie nichts taugen, wenn sie solche Gefühle haben.
Es ist auch sehr häufig, dass Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen. Aber muss man das jetzt als "normal" akzeptieren? Ich finde es nach wie vor traurig. Und dass es Kindern nicht schadet, wenn sich ihre Eltern streiten und trennen, das ist ja auch nur so eine Mär wie die vom Schreienlassen, das lange empfohlen wurde, weil das "die Lungen stärkt".
Ja, das ist traurig. Und was willst Du nun tun? Die Eltern unter Strafe stellen? Die Kinder öffentlich bemitleiden oder ihnen wünschen, dass sie nie geboren worden wären (ein Wunsch, der gerade bei selbsternannten Lebensfreunden übrigens weit verbreitet ist)? Und was ist die Relevanz dieser Überlegungen? Gibt es denn gesellschaftliche Gruppen, die sich wünschen, dass Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen? Oder kannst Du mit Deiner Trauer die Existenz solcher Zustände ändern? (Du kannst Dir natürlich einbilden, alles wäre besser, wenn es ein Gesetz gäbe, dass Eltern vorschreibt, mit ihren Kindern zusammenzuleben. Aber es spricht ja nicht viel dafür, dass DAS eine gute Idee ist.)
Auch hier: Meinungen, die irgendwie nicht passen, werden als schädlich, geschmacklos, unglücklich formuliert ... bezeichnet und vielen Usern gefällt das so. Ist das jetzt Diskussionskultur? Oder ist das die "alternativlos"-Kultur, die immer weiter um sich greift?
Die vermeintliche "alternativlos"-Kultur ist eine Kultur, die möglichst vielen Menschen ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen ermöglich will, ohne dass diese Menschen diskriminiert, herabgesetzt oder juristisch verfolgt werden. Dies gilt, solange keine anderen Menschen geschadet wird. (Und unter schaden ist hier nicht ästhetisches Unwohlsein gemeint.) Es ist die Kultur, zu der sich die Grundordnung der BRD eigentlich bekennt. Aber keine Sorge: Alternativlos ist sie nicht. Historisch und global gesehen ist sie sogar eine absolute Ausnahme.