Beiträge von unter uns

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    Aber warum müssen denn alle einen vergleichbaren Text schreiben? Sie brauchen doch später auch keine vergleichbaren Worte, sondern jeder einen individuellen Wortschatz.

    Scheint mir ein - besonders für die Grundschule - wirklich seltsamer Gedanke zu sein. Natürlich brauchen die Menschen zunächst einen identischen, keinen individuellen Wortschatz. Es mag sein, dass es vom individuellen Leben abhängt, ob man "anthropozentrisch", "fabulieren", "Draisine", "Albatros" oder "Mousse au Chocolat" richtig schreiben können muss. Das gilt aber kaum für Wörter wie "vor", "und", "schlagen", "stehlen", "Wald" - und einige tausend andere.

    a) Positiv korrigieren: Ich korrigiere in die Texte hinein (habe nur Oberstufe, wo ganze Texte geschrieben werden) - so, dass mit meinen Korrekturen ein korrekter Text dasteht. Ich streiche also z. B. falsche Ausdrücke im Text durch und schreibe korrekte Ausdrücke darüber. Oder ich verändere falsche Wortstellungen im Text mit Pfeilen etc. Dafür verzichte ich auf Korrekturzeichen am Rand - von deren Nutzen ich nicht überzeugt bin.
    b) Keine Ahnung. Evtl. nur die Fehler einer Kategorie (z. B. Zeitfehler) korrigieren lassen? Oder die Berichtigung ab einer bestimmten Fehlerzahl ersetzen durch Wiederholungsübungen? Dann müsstest Du allerdings extra Kopien machen.

    Siehe edit oben. Und: Nein, die Annahmen müssen nicht alle (!) spezifiziert werden, da dies unmöglich ist. Es ist nicht möglich den Schülern im Deutschunterricht die Welt in ihrer Gesamtheit zu erklären, aber die Welt in ihrer Gesamtheit ist der Hintergrund für das Verständnis vieler Texte. Die Annahme eines gemeinsamen Grundwissens ist völlig unvermeidlich.

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    die Welt, die als Hotizont im Leser entsteht muß nicht zwangläufig die gleiche sein, wie die im Lehrer und wie die vom Autor beabsichtigte. Insofern halte ich Bewertungen an dieser Stelle für ziemlich sinnfrei.

    Leuchtet mir nicht ein. Es ist oft schlicht völlig unmöglich über eine Textwelt zu sprechen, indem man das Gespräch völlig auf das beschränkt, was der Text explizit sagt. Es ist auch unmöglich, sinnvolle Gespräche über einen Text zu führen, ohne bestimmte Annahmen zu treffen, die der Text selbst nicht vermittelt (etwa: dass die Textaussagen kohärent sein sollen).


    Eine Hauptschwierigkeit der Interpretation besteht gerade darin zu ermitteln, wo die Grenzen zwischen Gesagtem, (Mit)gemeinten und Unklarem bzw. gar nicht Gesagten und Gemeinten liegen. Hier stellt man oft fest, dass Schüler - aus Erwachsenensicht - an ganz einfachen Dingen scheitern. Die Lösung für dieses Problem kann aber nicht darin bestehen, offenkundige Missverständnisse zur kognitiven Eigenleistung zu erheben und sämtliche Verständnisvorschläge als gleichwertig anzusehen.


    In der Regel lassen literarische Texte eine Reihe plausibler Deutungen zu. Damit ist aber nicht die Tatsache aufgehoben, dass es Plausibilitätsgrenzen gibt, die sich zudem oft nicht aus dem Wortlaut des Textes selbst, sondern aus Wissen jenseits des Textes ergeben. Wenn ein Text im November auf einer Alm im Hochgebirge spielt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort Temperaturen von 35 Grad herrschen und Palmen wachsen, gering und entsprechende Aussagen von Schülern sind als Fehldeutungen zu werten, und zwar auch dann, wenn die Schüler ernsthaft glauben, solche klimatischen Bedingungen seien im Gebirge anzutreffen. Dies gilt auch, wenn die Botanik rund um die Alm nicht im Detail im Text dargestellt wird.

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    woher hat der Leser genau die Information über "mehr und anderes ist, als der Text erzählt"?
    Ich als Leser habe den Text, als Informationquelle, sonst nichts.

    Stell Dir vor, Du kommst an eine Kreuzung. Dort stehen zwei zerbeulte Autos einander gegenüber. Die Front-Stoßstangen berühren sich, zwei Personen sitzen leichenblass auf den Vordersitzen. Was denkst Du?


    a) Bei einem Unfall an einer Kreuzung sind zwei Fahrzeuge frontal kollidiert und zwei Fahrer haben dabei einen Schock oder Verletzungen erlitten.
    b) Zwei Autos wurden von einem Schrottplatz geholt und auf der Kreuzung Stoßstange and Stoßstange geparkt. Zwei Junkies sind zufällig vorbeigekommen und haben gedacht, sie könnten sich auf den Vordersitzen ausruhen.
    c) Es gibt keine Autos. Es handelt sich um eine Illusion, die von zwei Aliens erzeugt wurde, die sich selbst die Gestalt von Menschen gegeben haben und darauf warten, dass Du näher kommst, um Dich zu fressen.


    Ich nehme an, a). Aber woher weißt Du das? Du hast doch "nur" das Geschehen vor Deinen Augen als Informationsquelle, und sein Bild ist womöglich noch unzuverlässig. Ich vermute, Du würdest Dein Weltwissen und Deine Erfahrung für die Deutung der Situation hinzunehmen und keine didaktischen Bedenken haben.


    Mit Texten ist es auch nicht viel anders. Sie entwerfen eine Welt, die sich nicht in dem erschöpft, was der Text sagt, sondern die aus dem Gesagten als Horizont im Leser entsteht, der für diese Horizontbildung wiederum Weltwissen verwendet. Wenn ich einen Text lese, der im 18. Jahrhundert spielt (was ich z. B. an Kleidung, Wohnungen, moralischen Vorstellungen und Redeweisen der Figuren erkenne), gehe ich davon aus, dass hier keine Helikopter existieren (außer, es ist ein fantastischer Text, was ich daran sehen könnte, dass in ihm etwa auch Digitaluhren vorkommen). Völlig zurecht akzeptiere ich es als Lehrer daher nicht, wenn ein Schüler z. B. schreibt: "Der Versuch der Gräfin, schwimmend aus dem Schloss zu entkommen, ist nicht besonders klug, denn sie hätte besser eine Flucht mit dem Helikopter vom Dach unternommen."


    Dabei gibt es gewisse Standardannahmen. Wenn in einem Liebesgedicht z. B. jemand seine Geliebte anredet, geht man grundsätzlich davon aus, dass diese Geliebte existiert - und nicht, dass der Redende Drogen genommen hat und unter Halluzinationen leidet. Das gilt auch dann, wenn im Text nicht (!) steht: "Ich hatte keine Drogen genommen."


    Problematisch ist all dies zugegebenermaßen insofern, als Schüler oft ein noch recht unentwickeltes Weltwissen haben. Aber das ändert nichts am grundlegenden Prinzip.


    Unterschieden wird vor diesem Hintergrund auch zwischen Erzählung und Geschichte im Sinne eines Geschehens. Geschichte ist, was passiert(e). Erzählung ist, wie das Passierte dargestellt wird. Unterschiedliche Erzählungen können derselben Geschichte entsprechen. Erzählungen vermitteln zudem wichtige Aspekte der Geschichte meist implizit. Wenn Dir ein Freund erzählt, er hätte am Sonntag Fußball gespielt und sechs Tore geschossen, wirst Du vermutlich annehmen, dass er auf einem ebenen Boden gespielt hat und Teil einer Manschaft war, auch wenn er dies nicht erwähnt.


    Geschichte (hier notwendig sprachlich formuliert): Harry und Will gehen in den Zoo. Harry springt in den Löwenkäfig. Der Löwe Kunibert frisst ihn. Willi trauert und macht sich Vorwürfe.


    Erzählung I: Noch lange nach dem Unglück saß Willi trauernd auf der Veranda. Nicht nur fehlte ihm Harry seit dem verhängnisvollen Tag im Zoo. Er machte sich auch Vorwürfe, den Sprung in den Löwenkäfig nicht verhindert zu haben. Noch immer hörte er das Knacken, das die Kiefer des Löwen Kunibert beim Kauen gemacht hatten.


    Erzählung II: Von dem Moment an, als Harry und Willi den Zoo betraten, ging alles schief. Plötzlich stand Harry auf der Brüstung des Löwenkäfigs - schon war er hineingesprungen. Willi konnte nichts unternehmen. Er sah den Löwen Kunibert, der Harry packte und verspeiste. Noch Wochen später war er von Trauer geschüttelt und von Selbstvorwürfen gebeutelt.

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    unter uns
    Ich finde das analytisch überhaupt nicht unsauber. Eine kategoriale Vermischung von Sinnebenen findet doch gar nicht statt, da Protagonisten nirgendwo sonst als im Text existieren.

    Jein. Protagonisten existieren in einer Geschichte, die der Text erzählt (bzw. im Drama darstellt) und die doch mehr und anderes ist, als der Text erzählt. Entsprechend auch die beliebte unterrichtliche Methode der Textergänzung ("Leerstellen ausfüllen").


    Abgesehen davon stellt sich natürlich die Frage, inwiefern bestimmte Markierungen im Text (Auftritte, Seitenzahlen etc.) wirklich zum Text "gehören".


    Aber ich meine auch: Missverständnisse gibt es hier eigentlich nicht, ich würde es nicht anstreichen. Ich halte es für ein eher narratologisch-philosophisches Problem, das für Schüler (auch der Kursstufe) nicht relevant ist.

    Ja, das stimmt. Eine andere Frage ist, ob man das sanktionieren will und wenn ja, wie sehr. Es ist m. E. zwar analytisch eigentlich unsauber, aber doch eine tolerierbare umgangssprachliche Verkürzung - vergleichbar zu: "Im Roman X verliebt sich a in b..." Anstatt: "In der Handlung des Romans X...".

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    ömmmm... die kann man nicht nennen ?
    Sind es zu viele?

    Die Grundschulrichtlinien benennen Kompetenzen, was man jederzeit auch im Internet nachlesen kann.


    Empirisch erhoben haben Steinig et. al. in der auch von Endine zitierten Studie unter anderem (!):


    - Viertklässler schreiben 2002 längere Texte als 1972, ein scheinbar rein vordergründiges Kriterium, das aber doch darüber informiert, dass der Umgang mit dem eigenen Schreiben freier und selbstbewusster erfolgt.
    - Sie gestalten die von ihnen entworfenen fiktiven Welten stärker imaginativ aus und fixieren diese Ausgestaltungen schriftlich.
    - Sie schreiben kohärentere Texte und verstehen es damit auch besser, wirklich schriftliche Texte - im Unterschied zum mündlichen Sprechen oder quasi-mündlichen Schreiben - zu formulieren. Gerade dieser Punkt ist interessant, denn Kohärenzprobleme sind, wie jeder weiß, eigentlich bis in die Oberstufe des Gymnasiums hinein Thema und ihr Fehlen (oder ihre Existenz) ist ein primärer Indikator für die kindliche Erzählkompetenz.


    Man könnte noch mehr nennen, aber mehr fällt mir aus dem Kopf nicht mehr ein.


    endine - schön, dass Du mal was zitierst. Leider hast Du das Thema gewechselt - und ein Zitat abgegriffen, das Dir einen scheinbaren argumentativen Vorteil verschafft, aber nichts mit dem zu tun hat, was gerade zur Debatte stand (nämlich: die Inhalte der Studie von Steinig et. al.).


    Da Du ja ein Anhänger "adressatenorientierten" Schreibens bist, schlage ich vor, dass Du im Interesse Deiner Leser mal einen Gedanken durchältst - vielleicht auch, ohne andere wörtlich zu zitieren? Schlicht gesagt: Von Dir lese ich bisher nur wörtliche Zitate und Schlagworte, die m. E. keinen inneren Zusammenhang haben. Dass Du dabei maximal strategisch operierst, ist unübersehbar - sei es, dass Du versucht, eine eigene Argumentation (oder einen eigenen Erfahrungsbericht) durch Suggestivfragen zu ersetzen, sei es, dass Du ein wörtliches Zitat an das nächste reihst, um andere mit geborgter Autorität zu beeindrucken.


    Der aktuelle Grundschulunterricht ist (!) wenigstens dort, wo er didaktisch "auf der Höhe" ist, konstruktivistisch orientiert. Dies massiv abzulehnen und gleichzeitige Trivialitäten eines "neuen Konstruktivismus" zu feiern, scheint mir eher nicht zusammenzupassen. Die "kommunikative Einbettung" sprachlicher Äußerungen ist ein Grundgedanke der 1970er Jahre, also jener Jahre, in der der Verlust von Rechtschreibkompetenzen vermutlich ungefähr begann. Es spricht nichts dafür, dass hier ein Schlüssel zur Lösung von Rechtschreibproblemen (!) läge.

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    Sollte man daraus schließen, dass bei adressatenorientierter Textgestaltung Rechtschreibung und Grammatik eher keine Rolle spielen? Diesen Schluss ziehen die Autoren des von Dir genannten Buches - http://www.amazon.de/Schreiben-Kindern-d…18859078&sr=8-1 [Anzeige] - nicht.

    Uiuiui. Ich fühle mich entlarvt. Noch einmal: Den Thread lesen. Oder das Buch lesen.


    Wenn Du im Thema so bewandert bist, wie Deine Zitatsammlung nahelegt, wüsstest Du sicher, über welche Kompetenzen ich im letzten Post geredet habe (und könntest meine Aussage präzisieren - oder einschränken).

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    Ich weiss ja nicht was die von endine zitierten Personen sonst so forschen, aber wenn das alles ist, was sie rausbekommen haben, finde ich das armselig.

    Den Thread von Anfang an lesen hilft hier weiter.


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    Auf keinem Gebiet sind sie besser geworden.

    Das stimmt so nicht. Siehe oben.


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    welche Kompetenzen sind das eigentlich?

    Vor allem Kompetenzen in der Gestaltung von Texten. Siehe oben.


    Oder man lese, wenn man sich direkt an der Quelle schlaumachen will, etwa:


    http://www.amazon.de/Schreiben-Kindern-diachronen-Vergleich-Viertkl%C3%A4sslern/dp/3830922507/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1318859078&sr=8-1&tag=lf-21 [Anzeige]

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    und 2. als Ref/SE erwarten, dass der Ausbilder auch beide Stunden auf die Reihe kriegt ... denn sonst ist er "unten durch" - nicht, weil der Azubi es besser kann, sondern weil dem Ausbilder ganz offensichtlich (und objektiv - denn ein Fachfremder würde das ja auch erkennen, wenn man ihm nur mal beides präsentiert) die Ausbildungsfähigkeit fehlt, weil er verlangt, was er selbst nicht kann.

    Prinzipiell natürlich richtig, aber darüber kann Sonnenkönigin - soweit wir wissen - keine Auskunft geben. Was die AKO objektiv "kann", ist durch den Besuch weniger einzelner Stunden nicht festzustellen. Insofern ist das auch nicht der "springende Punkt" des Threads. Der "springende Punkt" ist eher, dass hier jemand mal seine AKO gesehen hat, festgestellt hat, dass sie anders unterrichtet, als im Seminar verlangt wird, und daraus auf ihre Unfähigkeit schließt - und zu einem Rundumschlag gegen jede Form schulischer Erfahrung (gleichgesetzt mit "Besserwisserei") ausholt.

    Der Grat zwischen Hilflosigkeit und Überheblichkeit ist in diesem konkreten Fall wirklich extrem schmal. Möglicherweise ist das ein Problem mancher Quereinsteiger, die in anderen Berufen bereits erfolgreich gearbeitet haben und nun keinen Lernbedarf mehr sehen.


    Jedenfalls passt hier ganz vieles nicht zusammen, z. B.

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    ich glaub, ich muss einfach selbstsicherer rüberkommen, denn die testen mich noch.

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    Danke, das Kompliment kann ich dir und allen anderen auch machen! Refs, Seiteneinsteiger, alles, was nicht schon 100 Jahre an der Schule ist, einfach Klappe halten, Scheuklappen aufsetzen und bloß keine Altegedienten in Frage stellen!


    Klingt für mich nach sehr viel Unsicherheit. Diese Tendenz, eigene Probleme mit sehr viel Aggressivität und Lautstärke zu übertünchen. Denn mehr ist es ja nicht, jedenfalls keine Lösung. Schade.

    Hallo,


    gibt es im Deutsch-Abitur in den östlichen Bundesländern - speziell in MeckPom - eine Aufgabe im "Gestaltenden Interpretieren"? Also eine Aufgabe, in der die Schüler ihr Textverständnis zeigen sollen, indem sie einen Text produktiv ergänzen, etwa zu einem literarischen Text einen Brief, Tagebucheintrag, Dialog schreiben?


    Wäre für Hinweise dankbar!


    Grüße
    Unter uns

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    Ein Mr. Oberschlau meldet sich immer, wenn er meint, irgendwelche Worte an der Tafel wären falsch geschrieben - sind sie aber nicht.

    Mach ihn zum Beauftragten für Schreibung - gib ihm ein Dictionary und lass ihn alles nachschlagen, was er moniert. Wenn er das Wort gefunden hat, darf er mit lauter Stimme aus dem Dictionary buchstabieren und dann einräumen, dass Deine Schreibung richtig war. Wenn es Dir Freude macht, kann er auch noch alle möglichen anderen Wörter und Ausdrücke nachschlagen, die im Unterricht vorkommen - die Blätterei wird ihm sicher keinen Spaß machen und ihn sehr bald ruhigstellen. Falls wider Erwarten aber doch nicht, ist die Sache auch noch zu was gut.

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    Deutsch spricht (er muss dann eine Präsentation auf Englisch für die nächste Std. machen - 2-3 Min.)

    Ersetz die Präsentationen durch englische Gedichte, die auswendig gelernt und rezitiert werden müssen. ODER, wenn Du weniger auf Druck setzen willst, stell ein Sparschwein auf und sammel Geld für deutsche Wörter ein. Damit könnt ihr dann am Ende des Jahres was machen, je nachdem, wieviel zusammenkommt, gibts nen Lollie oder Eis essen. Setzt die Kooperation der Schüler voraus. Eventuell auch das Schaf abschaffen, wenn Du den Eindruck hast, es wird als kindisch empfunden.

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    4 Leute sind letztes Mal zu spät gekommen.

    Das ist kein persönliches Problem von Dir, sondern das haben viele Kollegen. Diese Schwierigkeit ist leider fast unbeherrschbar, wenn die Kinder hartnäckig sind. Für den Anfang würde ich die Minuten aufschreiben, mal zwei oder mal drei nehmen und beim Erreichen von 45 Minuten eine Stunden Nachsitzen anordnen. Eventuell auch einen Elternbrief schreiben.

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    Dann habe ich ihnen auch noch gesagt, dass sie nächste Std. gut mitarbeiten müssen, weil mein FL kommt

    Auf solche Ansagen verzichten, außer vielleicht bei der Lehrprobe. Im besten Fall den Kindern noch sagen, dass Besuch kommt und Du entsprechendes Benehmen erwartest. Aber nicht sagen, dass der Besuch für Dich wichtig ist oder dass sie tolle Leistungen bringen müssen. Die Kinder wissen, dass bei Besuch in der Klasse natürlich gutes Benehmen erwartet wird. Leistungsbezogene Ansagen können sie übrigens auch zum Schweigen bringen - nicht aus Bösartigkeit, sondern Befangenheit.

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    Tut mir leid, aber das verstehe ich jetzt nicht.

    Es ist ganz leicht zu verstehen: Es beschlich mich einfach der Eindruck, dass Du größere Teile des Threads nicht gelesen hast.


    Am Anfang stand die Frage, wie bestimmte RS-Defizite bei Kindern in Klasse 5 zu erklären sind - am Gymnasium, aber sicherlich noch wesentlich dramatischer an Real- und Hauptschule. Und die Vermutung, dass diese Defizite früher nicht existiert haben. Und die Frage, wie man jetzt mit dieser Situation umgeht. Und die - nicht von mir stammende - Vermutung, es könnte auch etwas mit GS-Unterrichtsmethoden zu tun haben, dass dieses Problem existiert. Und die Vermutung, dass diese Methoden gerade schwache Kinder zusätzlich (!) benachteiligen - und zwar, obwohl (!) die GS-Lehrer - wie offensichtlich auch Du - glauben, mit diesen Methoden gerade den Schwachen zu helfen.


    Mich hat einfach interessiert, was die Kolleginnen dazu sagen. Und die Antworten waren ja auch sehr aufschlussreich. Z. B. die Antwort, dass die Klassen so extrem heterogen sind und die Defizite von zuhause schon so groß sind, dass es einfach kein Wunder ist, dass das Niveau in Klasse vier anders ist als in den 1970er Jahren. Aber eben auch die Antwort, man müsste so viele Dinge (Kompetenzen) schulen. (Übrigens glaube ich natürlich nicht, dass man etwa grundlegenden motorischen Defiziten mit Englischunterricht begegnen kann - die Frage ist aber, weshalb man die Stunden nicht in diese Defizite investiert, wenn sie da sind. Dass die einzelne Lehrerin dieses Problem nicht lösen kann, ist mir klar.)


    Ob es bei einem emotional besetzten Thema hilfreich ist, den Kollegen Ignoranz und Inkompetenz zu unterstellen? Keine Ahnung. Es tut mir jedenfalls leid, dass ich die Begriffe "Lesen" und "Schreiben" vertauscht habe, aber dass Du daraus - erneut - den Schluss ziehst, ich wüsste überhaupt nicht, was in Grundschulen passiert, scheint mir ziemlich gewagt.


    Aber vielen Dank noch mal für die ganzen Antworten bei einem - verminten - Thema, ich werde mein neues Wissen weitergeben und in meinem Kollegium weiter um Verständnis für die schwierige Situation an den Grundschulen werben. Wenn ich darf natürlich :-).

    Tut mir leid, Melosine, aber ich erkenne in Deinem Beitrag den Thread nicht wieder.


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    Sommer-Stumpenhorst hin oder her - die Rechtschreibentwicklung ist eben nicht passend zum Ende der 4. Klasse abgeschlossen. Ich bin immer wieder überrascht, dass viele Gymnasiallehrer meinen, die Kinder müssten in der 5. Klasse perfekt rechtschreiben können.

    Das erwartet niemand.


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    Mir ist die Vermittlung guter RS sehr wichtig, aber man darf nicht vergessen, dass man in der GS mit vielerei anderen Themenbereichen beschäftigt ist.

    Sollte man ergänzen: Neuerdings?



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    Grundschulunterricht ist einfach nicht vergleichbar mit Gymnasialunterricht. Vielleicht solltest du, unter uns, mal in der GS hospitieren? Ich hab schon bei manchen Gymnasilkollegen das Gefühl, dass sie so ein bisschen im Elfenbeinturm sitzen. Die Kinder, die schließlich aufs Gymnasium gehen, sind ja in der Regel die Leistungsstärksten der Klasse. Aber in einer normalen Grundschulklasse sitzen eben Kinder vom Förderschulniveau bis möglicherweise zur Hochbegabung. Und man muss allen gerecht werden. Da geht es gar nicht, dass ich RS-Unterricht wie vor 50 Jahren abhalte. Geschätzte 2/3 meiner Klasse würde ich dabei abhängen.

    Hospitieren würde ich gerne mal. Habe ich auch schon. Soll ich zum dritten Mal schreiben, dass ich die GS-Arbeit für wichtig halte und denke, dass an den GS sehr intensiv gearbeitet wird? Oder noch mal erwähnen, dass ich die GS für eine sehr innovative Schule halte? Oder noch einmal erwähnen, dass ich bereit wäre, RS-Arbeit der GS fortzusetzen, wenn ich einen entsprechenden Auftrag hätte (oder die entsprechende Zeit)?


    Was den Elfenbeiturm angeht, ließe sich das auch auf die Grundschule anwenden, z. B. dann, wenn ich lese, dass Du das schreibst:


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    kämpfen. Und dabei kann man nicht nur darauf achten, die zukünftige Leistungselite zu fördern, sondern muss eben, wie gesagt, alle Kinder gleichermaßen da abholen, wo sie stehen.

    Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass ich oben eine Studie aus NW zitierte, die zu folgendem Ergebnis kommt: Die Grunschulen FÖRDERN primär die Leistungselite, und zwar gerade WEIL sie bestimmte Basisfertigkeiten in ihrem Profil weniger berücksichtigen als früher. Man kann von dieser Studie halten, was man will, aber ich hätte schon erwartet, dass man die Daten zu Kenntnis nimmt.


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    Unter anderem aus solchen Gründen entstehen Reformen auch meist in der GS und werden "oben" nicht aufgegriffen.

    Du meinst, es ist die Heterogenität der Lerngruppe, die dazu führt, dass die Grundschulen PC-Kenntnisse, Englisch, Buchvorstellungen in Klasse 2 etc. anbieten? Das glaube ich kaum. Ich sehe eher (wie ich auch schon schrieb) einen seltsamen Widerspruch zwischen der These, die Kinder könnten gar nichts (!) mehr und der immer weiteren Befrachtung des Grundschul-Curriculums mit Zusatzkompetenzen. Ich sage nicht, dass ich dafür eine Lösung habe oder dass die Grundschulen die Kinder nicht am PC schulen sollen. Ich stelle nur fest, dass das Ganze auf mich eigentümlich wirkt.


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    Ich sehe die Probleme absolut nicht in der Arbeit der Primarschullehrer, sondern ganz eindeutig im Elternhaus.

    Ein Satz, auf den sich Grundschul- und Gymnasialkollegen sofort einigen können... Aber ich halte ihn für falsch. Man muss zumindest bestimmte Dinge zur Kenntnis nehmen und damit umzugehen versuchen, und zwar schulisch. Was ja in der Praxis auch von allen Beteiligten versucht wird.


    Wenn ich von Eltern höre, die ich kenne, sind sie vom Konzept "Schreiben durch Lesen" beispielsweise oft nicht begeistert. Dass dieses Konzept genutzt wird, ist eine schulische (!) Entscheidung, keine Elternentscheidung. Genauso an den Gymnasien: Was dort wie unterrichtet sind, sind Schulentscheidungen. Über diese Entscheidungen muss man vielleicht nachdenken, bevor man die Eltern allein verantwortlich macht.

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    Kannst Du das mal näher ausführen, es klingt für mich irgendwie danach, als sei das nicht in Ordnung.

    Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass das natürlich nicht in Ordnung ist bzw. vorsichtiger: Dass es befremdlich ist. Vor allem, da Kommentare auch von Nicht-Lehrern kommen. Wenn ich über die deutsche Polizei nachdenke (oder dazu mal einen Kommentar im Netz poste) interessiert mich vieles: Kann ich mich auf sie verlassen, kommt sie, wenn ich sie rufe, ist ihre Arbeit schwer, sind Polizisten brutal, haben wir genug Polizisten, was machen Polizisten eigentlich genau? Ich denke nicht als erstes über Gehaltsklassen nach. Aber auch wenn ich über Gehaltsfragen nachdenke, reduziert sich mein Bild der Polizei nicht auf die Frage, wie viel dort gearbeitet und wie viel dort verdient wird. Und das gilt natürlich für andere Berufe auch. Wenn es um Lehrer geht, ist aber eines sicher: Interessant wird es für zahlreiche Zeitgenossen vor allem genau bei diesen Themen. Oder anders: Wenn es um andere Themen (etwa: Kinder) geht, äußert man sich vor allem, wenn man das Thema irgendwie auf die Gehalts- und Arbeitszeifrage umlenken kann. So jedenfalls mein Eindruck.


    Man kann natürlich sagen, dass Geld die Menschen verbindet, weil alle Geld verdienen, aber nicht alle mit Kindern zu tun haben. Aber erklärt das die hohe Popularität dieser Themen? Weiß ich nicht.


    EDIT: Wahrscheinlich ist das aber zu einem gewissen Grad ein allgemeines menschliches, vor allem aber deutsches Phänomen. Ich sah vor ein paar Wochen den Doppelpass auf "Sport 1", als es um den Rangnick-Rücktritt ging. Irgendwelche Menschen riefen an und quatschten auf Band. Sagten sie: "Gute Besserung" oder "schade für Schalke" oder "ich hatte auch mal einen Burnout, das ist schlimm"? Nein, sie sagten: "Ich habe 20 Jahre lang Fische verkauft und keine Millionen verdient, wenn dieser Faupelz MEINEN Job machen würde, wüsste er, was Druck ist." Als ich noch im Norden lebte, las ich immer die Sportkommentare in den Zeitungen. Sie hatten eigentlich nur ein Dauerthema: Die zu hohe Bezahlung der Fußballprofis. Das ist 20 Jahre her, aber dieses Lied wird immer noch gespielt. Man sollte meinen, dass es in Fußball-Kommentaren um Fußball geht. Tut es aber nicht.

    Ich denke, wenn wir einmal von den Unterrichtsmethoden absehen - die imho auch Teil des Problems sind - liegt eine Schwierigkeit genau hier:


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    die Ansprüche an
    mehr Kompetenzen sind halt für die Kinder in der Grundschule gestiegen und das können wir nicht unberücksichtigt lassen.

    Zitat

    Wir sind Monate damit beschäftigt, diesen Kindern mittels Ritualen und festen Regeln eine Struktur zu geben, damit Lernen überhaupt möglich wird.

    Über diesen beiden Aussagen schließt sich für mich kein Himmel. Damit meine ich nicht, dass ich Euch nicht glaube. Sondern ich meine, dass das einfach nicht zusammenpasst. Ich habe ja oben schon geschrieben, was meine Kollegen sich wünschen: Dass die Kinder lesen, rechnen, (recht)schreiben können und grundlegende Sozialkompetenzen haben. Wenn man natürlich stattdessen PC-Kenntnisse, Medienerziehung, Referate halten, Grundschulenglisch (das in der Fläche doch eher wenig effektiv zu sein scheint) usw. trainiert, ist es nicht verwunderlich, dass die Basics nicht da sind. Mir ist schon klar, dass die Grundschule keine "Zulieferbetrieb" ist und dass die "Wünsche" der Gymnasien für den Grundschullehrplan nicht entscheidend sind. Übrigens bewegen sich die Gymnasien natürlich auch auf die Grundschulen zu, es geht nicht anders und außerdem sind uns unsere Schüler auch wichtig - auch wenn wir ein anderes Image haben :S . Aber ich habe mir gestern auch mal die Grundschullehrpläne NRW angesehen und auf mich wirkt das teilweise so, als würden hier hohe Türme auf Sand gebaut.


    Übrigens ist das natürlich - wieder! - nicht NUR ein Grundschulproblem. Denn teilweise wiederholt es sich an den weiterführenden Schulen. Z. B. PC-Kenntnisse: Muss ich in Klasse 5 und 6 auch unterrichten. Und ich halte es für eine totale Katastrophe. Es ist einfach nicht sinnvoll, eine Unterrichtsstunde pro Woche in PC-Arbeit zu investieren, wenn die Kinder nicht vernünftig lesen, schreiben und rechnen können. Während sich die Unterrichtsfächer um Stunden streiten, weil alle den Eindruck haben, dass sie ihren Stoff nicht mehr vermittelt bekommen, sollen Elfjährige, die am PC vielleicht mal eine halbe Seite schreiben, das Zehn-Finger-System lernen. Kinder, die den PC von zuhause kennen, langweilen sich vor dem Bildschirm, Kinder, die ihn nicht kennen, lernen in zwei Jahren Unterricht etwas, das sie später irgendwann ohnehin lernen würden, und zwar in wenigen Tagen.


    Zitat

    Es kann durchaus sein, dass zu Lasten der Rechtschreibung die Zeit in andere Kompetenzen gesteckt wurde, die
    wir in der Grundschule für wichtiger erachtet haben (freies Schreiben zum Beispiel).

    Ja, das verstehe ich natürlich und es entspricht ja auch dem (gerechtfertigten) Image der Grundschule, besonders innovativ zu sein. Aber ich muss doch noch mal einen Punkt von oben erwähnen: Diese einfache Umverteilung scheint mehr zu sein als nur die Neuverteilung von Unterrichtszeit. Denn es könnte eben sein, dass diese Umverteilung nur für bestimmte Gruppen von Schülern positive Effekte bringt, während gerade die sozial "Unterprivilegierten" verlieren, ohne an anderer Stelle zu gewinnen. "Freies Schreiben" ist eine wichtige und tolle Sache, aber es ist nicht toll, wenn damit die Ausbildung von grundlegenden Fähigkeiten in die Familien abwandert und bestimmtes Wissen damit automatisch nur noch bestimmten Schülern zur Verfügung steht ODER wenn es in die fünfte Klasse wandert, wo die Kinder schon aufgeteilt sind oder plötzlich ganz andere Sorgen haben (Vokabeln lernen z. B.). Natürlich ist damit nicht gesagt, dass man freies Schreiben nicht praktizieren soll, ich meine eben nur, dass man nicht aus den Augen verlieren kann, dass die Grundschulen in ein Gesamtsystem eingebunden sind. Und dass insofern beachtet werden muss, was es bedeutet, wenn Rechtschreibung immer noch als Top-Kriterium für Gymnasial- oder Realschultauglichkeit gilt, aber gleichzeitig im Unterricht an Bedeutung verliert.


    Unterm Strich ist es so, dass Grundschule und weiterführende Schulen ein Problem zu teilen scheinen - zumindest erleb ich das so: Den Eindruck, man habe einfach zu wenig Zeit für das, was man machen müsste.


    Mare:


    Nur zwei Zahlen: Der NRW-Lehrplan von 1969 legt fest: Kinder der Klasse 4 sollen mindestens 2500 bis 3000 Wörter fehlerfrei schreiben können. Der Lehrplan von 1985 hat diese Zahl bereits auf 1000 gesenkt. Der aktuelle Lehrplan enthält, glaube ich, gar keine Zahl mehr, es ist aber gut möglich, dass ich mich verguckt habe.

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