Hallo Littlesweetie,
Das Praktikum hat mir solala gefallen.
Ich hatte darum gebeten, in einer gebärdenden Klasse zu sein, was auch ermöglicht wurde. (Es gibt ja Klassen für Schwerhörige, und Klassen für Gehörlosen).
Ich war damals an der Schule in Frankfurt. Es gab 7 Kids in der Gruppe, 1 davon war CODA (Child of Deaf Adults) und hat dementsprechend super gebärdet. Die Lehrerin konnte nicht gebärden, hatte wohl in den letzten Jahren einen Crash-Kurs gemacht und hat alle paar Wörter, die sie gesprochen hat, eine Gebärde dazu gemacht. Mir gegenüber sagte sie, dass dieses Wildgestikulieren von dem Kleinen CODA sie einfach nerven würde (tja, er war auch der einzige, der _wirklich_ gebärdet hat, die anderen hatten einfach Schwierigkeiten, sich noch auszudrücken.
Es wurde auch viel Wert auf Sprechen gelegt, aber das war nicht der Schwerpunkt.
Alltag? Was soll ich sagen? Die meisten Kids sind logischerweise Fahrkinder, kommen von weit her, sind also schnell tagsüber müde. Es ist oft eine Ganztagsbetreuung aber nicht überall und es sind logischerweise sehr kleine Kleingruppen. (1) so viele Kids gibt es nicht, 2) sonst kann man sich ja nicht verstehen)
Warum hab ich dann mein Gymnasialstudium fertig gemacht? Ich studierte zu dem Zeitpunkt schon 6 Jahre und wollte das abschliessen. Abgesehen davon will ich gerne mit großen Kids arbeiten und ich war / bin mir dessen bewusst, dass ich nie eine solche Lehrerin sein möchte. Nicht falsch verstehen, es war keine schlechte Lehrerin. Aber ich würde nicht nach Spanien auswandern und meinen Unterricht nur auf Deutsch halten. und dabei hätten die Kids dort eine Chance, irgendwann Deutsch zu verstehen. Gehörlose hören aber nicht und werden es auch nie tun, egal wie laut und langsam ich spreche.
Ich bin nach meinem Studium durch Zufall nach Berlin gezogen und habe dann beschlossen, dort den Bachelor "Deaf Studies" anzufangen (im Nachhinein falsch, ich hätte direkt Audiopädagogik machen sollen, wäre sicher besser gewesen). Es spielten mehrere Sachen eine Rolle, warum ich das Ganze abbrach: ich war eindeutig zu alt, um noch in einem Bachelor-System mit 15 Leuten zu studieren (es sind nur 15 pro Jahr und man studiert wirklich alle zusammen), ich konnte finanziell nicht sicher stellen, dass ich Job und Studium vereinbaren könnte (habe gearbeitet, aber nicht in der Schule), und: die Gebärdensprache bleibt eine Leidenschaft von mir, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, FÜR Gehörlose zu sprechen, sie sollen selbst ihre FürsprecherInnen sein. Wie gesagt, es wäre anders gewesen, wenn ich direkt in der Audiopädagogik gewesen wäre, und nicht beim allgemeinen Dolmetschbachelor.
Ich halte allgemein viel von Inklusion, glaube aber nicht (hoffentlich nicht!!), dass es Gehörlose in großem Masse treffen wird. Ich weiß, dass es gehörlose Kids, die mit Dolmetscher und Integrationshelfer in die Regelschule gehen, aber die Mehrheit wird es wohl nicht werden. Klar wäre es für viele weniger Fahrzeit und Integration in der Nähe aber wichtig ist die sprachliche Bildung, und die sollte man am Besten in der GL-Schule finden. Allerdings weiß ich jetzt von meinem neuen Wohnort, dass hier an der Gehörlosenschule nur eine Gehörlose unterrichtet und eine andere, die gut gebärdet, der rest nicht.
Es wird sich hoffentlich mit der Zeit ändern. Es ist auch sehr neu, dass die Gebärdensprache anerkannt wurde und es also langsam in die Gehirne von Universitäten und Schulen kommt, dass die GS keine Affensprache ist.
Ich arbeite jetzt an einem Gymnasium und biete Gebärdensprach-AGs. Über die letzten 3 Jahre komme ich auf 3+4+7 Kinder, die also ein paar Grundkenntnisse der Gebärdensprache lernen. Die 4 von letztem Jahr sind sogar in ihrem zweiten Jahr und langsam kann ich nicht mehr mitfolgen, meine Kenntnisse sind ja auch nicht prickelnd. Wir treffen uns in regelmässigen Abständen auch mit Gehörlosen (in fast jeder Stadt gibt es Gehörlosen- Gebärdenstammtische, einfach im Netz suchen, auch StudiVZ oder so), und das macht immer wieder Spass.
A propos Spass: am 17. März ist die Münsteraner Theatergruppe (bestehend aus Gehörlosen und Hörenden) in Bielefeld und spielt das Stück "Schrille Stille". Für Hörenden perfekt verständlich, ich empfehle es dir auf jeden Fall (und deinem Freund, damit er was auch davon mitbekommt). Das Stück ist genial!
http://www.bielefeld.de/de/kf/…2012&UHRVON=19:00&UHRBIS=
Englisch an der Gehörlosenschule:
funktioniert genauso wie Deutsch, wird also nur schriftlich und leicht lautsprachlich gemacht. Klappt auch einigermassen, viele kennen das von Foren, dass man eben nicht spricht.
Wie das Niveau ist, weiß ich nicht, ich kenne nur "ältere" Gehörlose vom Stammtisch und sonst welche die das Abitur in Essen gemacht haben, vom Studium in Berlin. Sie konnten gut Englisch, wir mussten auch Texte auf Englisch lesen.
ASL oder BSL müsstest du nicht lernen
Chili