Da ist sich die Gehörlosengemeinschaft selbst uneinig.
Einige (wie oben der Fall) argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, reale Bildungschancen und Teilhabemöglichkeiten zu haben, der Regelschulbesuch darstellt. Schon alleine, weil die deutsche Sprache da normal und gut erlernt wird. Meine Wahrnehmung ist, dass es aber in dem Fall Kinder von gehörlosen Eltern sind. Sie sind sich dessen bewusst, dass die Zweisprachigkeit wichtig ist, die Gebärdensprache aber auch zuhause gefördert wird.
Seien wir mal ehrlich: für Gehörlose ist die Situation so oder so katastrophal. In den meisten Gehörlosenschulen werden Gehörlose nicht in Gebärdensprache unterrichtet. Es gibt kaum gebärdensprachkompetente LehrerInnen. und selbst diejenige, die man als gebärdensprachkompetent bezeichnen würde, lassen meiner Meinung nach sehr zu wünschen übrig (ich sitze manchmal mit denen in einem VHS-Kurs und frage mich allen ernstes, wie sie ihren Unterricht machen).
Gehörlose MuttersprachlerInnen werden als HilfslehrerInnen eingestellt und sollen dann zum Beispiel Sachkunde unterrichten. Ok, ein Fortschritt, weil die Kinder dann wenigstens die Gebärdensprache lernen und die Möglichkeit überhaupt haben zu verstehen, wie eine Burg gebaut ist, warum die Sonne sich nicht dreht und was Frösche für Tiere sind. Aber nur, weil man selbst gebärdensprachlich (?) ist, heißt es nicht, dass man in der Grundschule unterrichten kann.
Eine Begleitung durch Dolmetscher in der Schule ist sicher nicht der Hit, aber als Mutter wäre es mir lieber, als mein Kind womöglich 50 Kilometer jeden Morgen mit dem Schulbus irgendwohin zu schicken und zu sehen, wie er seine Muttersprache verliert und trotzdem kaum lesen kann.
In vielen Kindergarten, wo KommunikationsassistentInnen (nettes neues Konzept zu Sparmaßnahmen, kosten natürlich Unmengen weniger als DolmetscherInnen) eingesetzt werden, gibt es dann super gute Kontakte zwischen allen Kindern. Die kleinen Hörenden lernen schnell sich zu verständigen und es klappt ganz gut (nicht anders lernen die Gehörlosen auch die Gebärdensprache, wenn sie nicht von gehörlosen Familien sind). Aber dass in einem echten Bildungskontext mit Unterricht eine bessere Lösung her muss, ist keine Frage.
Chili
PS: es ist ähnlich wie bei Rollstuhlfahrer: Nur, weil man querschnittsgelähmt ist, muss man nicht jeden Morgen in einen schönen kleinen bunten Bus mit lern- und geistigbehinderten Kindern steigen, um dann den ganzen Tag auf sehr niedrigem Niveau unterrichtet zu werden. Es gibt unter Querschnittsgelähmte sowie unter Gehörlosen auch lernbehinderte Kinder. Aber trotzdem nur eine EINZIGE Oberstufe in ganz Deutschland sowie in der Regel nur eine Grund- und Hauptschule in ca. 50-70 Kilometer Umkreis?