Hallo!
Ich habe seit Februar eine Vollzeit-Planstelle am Gym, bin nicht komplett Anfängerin, da ich vorher ein paar Jahre als Vertretungslehrerin gearbeitet habe, allerdings habe ich gerade mal die Hälfte der Klassen schon mal vorher unterrichtet.
Mein Fächerkombi ist Sprachen / Sowi, ich habe dieses Halbjahr keine einzige Stunde Sowi. 6 Korrekturgruppen, 17 Klausur-/Klassenarbeitstermine dieses Halbjahr, à mindestens 25 SchülerInnen.
Ich hatte mal eine Vertretung Vollzeit nur SoWi, viele Doppelungen, insgesamt 2 Klausurtermine à ca 20 SchülerInnen. Ein himmelsweiter Unterschied.
Insbesondere als "Anfänger" ist die Vollzeitstelle an der (eigenen) Schulform Gymnasium kein Zuckerschlecken. Ich liebe meinen Job und würde ihn um nichts in der Welt tauschen. Ich bin an einer Ganztagsschule und abends bin ich zu gar, um Deutsch zu korrigieren, also sind meine Wochenenden voll mit Planung und Korrekturen. Ich bewundere jede Deutschjunglehrerin mit Kindern, die (nahezu) Vollzeit arbeitet.
Aaaaaaaber: es sind meine Fächer, ich habe sie studiert, ich bin fit und dafür qualifiziert. Mein Ref hatte Höhen und Tiefen, aber ich habe bestanden, ich KANN das. (Attestiert! :-D)
An der Grundschule wirst du kaum nur "Deutsch und SoWi" unterrichten. und selbst wenn es so wäre: Der Lese- und Schreiberwerb ist echt was Anderes als Rechtschreibunterricht in der Mittelstufe. Es ist eine gaaaaaaanz andere Didaktik! Ein ganz anderer Umgang. Du hast an der Grundschule die "ganze Bandbreite", müsstest also quasi immer doppelt differenzieren. Am Gymnasium muss man natürlich auch differenzieren, aber seien wir mal ehrlich, ich möchte den sehen, der das in jeder Stunde konsequent macht (und nicht nur "und für die Schnellen noch eine Aufgabe"), an der Grundschule kannst du nicht anders. Einige SchülerInnen können schon am ersten Schultag fliessend lesen, andere werden es erst am Ende der 2. Klasse können. Bei den Zahlen dasselbe.
Was mich zum nächsten Punkt bringt: Welche Ahnung / Erfahrungen hast du denn in Mathe und Naturwissenschaften? Ich unterstelle einem Deutsch/SoWi-Lehrer eben relativ wenig. Wie machst du denn spannende Experimente in Sachkundeunterricht? Wie sorgst du denn dafür, dass die Kids in Mathe super begeistert werden? Kannst du dir vorstellen, Kunst und Musik zu unterrichten? Auf Grundschulniveau und auf der Ebene, dass die Kids was damit anfangen können?
Im Prinzip: kannst du einen Stoff, den du auf hohem Niveau (noch) nicht beherrschst, sinnvoll didaktisch reduzieren?
Ich habe oben erwähnt, dass ich unglaublich viele Korrekturen habe. Klar, an der Grundschule schreibt kein Kind 5seitige Aufsätze.
Dafür schreibt es jeden Tag neue Buchstaben, neue Texte, rechnet neue Zettel, malt neue geometrische Formen, sammelt neue Informationen von den tollen Stationen, die du am Wochenende gebastet hat, usw... und das muss überprüft werden... ich bin oft mit dem Bus und Zug unterwegs und ich "treffe" regelmässsig eine Grundschullehrerin. Wir haben an einzelnen Tagen den selben Stundenplan. Sie hat quasi immer eine riesige Stofftasche dabei und ständig Mappen in der Hand mit einem Blatt pro Kind (so Matheblätter des Tages, Deutsch-Aufgaben, ...). Es sollte ja möglichst fehlerfrei im Heft stehen und du kannst bei den jüngeren GrundschülerInnen nicht davon ausgehen, dass sie sich alle selbst verbessern. Außerdem willst du ja einen Überblick über den Stand haben, damit du zum Beispiel die individualisierten Wochenpläne entwickeln willst.
Ich hatte in der Jugend / im Studium überlegt, auf Grundschule zu wechseln. Ganz ernsthaft: ohne eine gute Ausbildung für diese unglaublich komplexe, herausfordernde Schulform halte ich es für fahrlässig. Vom Bundesland und vom Lehrer, der die Stelle annimmt. Geh ans Gymnasium.
chili