Also, ich kann mir schon vorstellen, dass es Mädchen, die sich in diesem Bereich ohnehin eher unsicherer fühlen (aufgrund ihrer gender-spezifischen Erziehung), lieber ist, wenn der Lehrer einen Vortrag hält, als wenn sie selbst experimentieren müssen. Jungen sind generell eher offen für Experimente. Aber dann müsste es doch bei deinem Ausbildungslehrer zumindest bei den Jungen gut geklappt haben.
Es müsste halt eine gesunder Mischung sein zwischen Experimenten und Lehrervortrag - ich fand Physik nur mit Lehrervortrag auf jeden Fall tödlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass lehrerzentrierter Unterricht den SUS auf Dauer gefällt - außer wenn sie extrem unsicher oder faul sind. Also, ich versuche ja auch immer einen Wechsel zwischen Lehrer- und Schülerzentrierung reinzubrigen - wobei man am Anfang, wenn die SUS z. B. neu eine Sprache lernen, halt noch viel korrigieren muss, aber trotzdem möchte ich ihnen möglichst viel Raum zum eigenständigen Arbeiten geben, aus dem einfachen Grund weil ich mich selber langweile, wenn ich ihnen alles vorkauen muss.
Warum es in dem Fall auch bei den Jungen nicht geklappt hat ... diejenigen, die eh interessiert sind und die es immer begriffen hätten (egal bei welcher Unterrichtsform) mal außen vor gelassen ... die waren schlichtweg zu faul. Es ist halt einfacher, etwas nachzuvollziehen, was ihnen fix und fertig serviert wird, als sich selbst mit dem neuen Material zu beschäftigen.
Was dann zu dem Ergebnis führte (durch den Vergleich der insg. 4 Parallelkurse (11, EF - je 2 vom Ausbildungslehrer und von mir)), dass der Lernerfolg bei den SuS insgesamt beim (überwiegend) lehrerzentrierten Unterricht deutlich höher war. Bei den Mädchen wie bereits beschrieben, und bei den Jungen - aufgrund der Faulheit der Schüler - eben auch.
Daher das Gesamtfazit des Ausbildungslehrers, dass er es beim nächsten Mal beim gleichen Thema (mag ja auch eine Rolle gespielt haben) nicht wieder so machen würde. Wie wußte er auch noch nicht, "aber es muss halt auch hinten was dabei raus kommen". Und selbst wenn die SuS lt. Lehrplan so lernen lernen sollen, es aber nicht tun und der Lernerfolg auf einem anderen Weg größer ist ... Und schon sind wir wieder bei dem (alten) Problem: Kompetenzerwerb gegen Wissenserwerb.
Und wenn wir die Mädchen herausnehmen, die eh nicht wollten ... dann bleibt die Gruppe übrig, die ganz offensichtlich viel besser damit zurecht kam und mehr lernte, wenn sie erst einmal in das Thema eingeführt wurde und dann mit dem bereits Gelernten weiter gearbeitet hat (nicht nur reine Anwendungen, sondern auch kompliziertere Aufgabenstellungen), als sich selbst mit dem neuen Material zu beschäftigen und das Thema (z.T. in Gruppen) zu erarbeiten.
Was du bzgl. Physik sagst - ja, da gebe ich dir recht. Ist auch mein Ziel, wobei die Luft zum Selbermachen in der Oberstufe stark abnimmt, weil es da viel weniger Möglichkeiten gibt, etwas wirklich sinnvolles selbst zu experimentieren ... eine Mischung aus den zu bearbeitenden Themen und der Ausstattung der Schule. Denn prinzipiell ginge auch da vieles, es ist nur nicht mach- bzw. bezahlbar.
Das Problem kommt dann - abgesehen von den Experimenten, die du als Lehrer selbst durchführen mußt - wenn zum eigenen Experimentieren "keine
Lust" besteht, was bei meinem kleinen Kurs jetzt auch die Lehrerexperimente einschließt, weil sie die im Prinzip (abwechselnd) auch selbst machen könnten. Denn für die ganzen trivialen Dinge sind die auch nur schwer zu begeistern oder aber die Begeisterung rührt daher, dass man ja dann in der Zeit, wo man z.B. die Flummis durch die Schule bewegt", relativ bequemen Unterricht macht. Zeiten messen und notieren ist halt cooler als mit den physikal. Sachverhalten zu arbeiten (rechnen). Und man kann auch schlecht mehrmals im Jahr praktisch arbeiten und nach Brühl oder Bottrop fahren (wozu man sie nicht zwingen muss ), wenn es um das Thema (Kreis-) Bewegung geht - obwohl das sicher DAS Highlight in der EF ist bzw. sein wird.
Die Frage ist also:
Was tun, wenn man eigenständig arbeiten lassen will, die aber nicht wollen und/oder auch nicht tun (selbst wenn sie den Rest zuhause erledigen müssen). Sich also der "Wissenschaft von der Didaktik" widersetzen . UND man feststellt, das lehrerzentriert unter'm Strich auch noch deutlich mehr dabei heraus kommt?
Und:
Ich habe mir diese Woche mal zwei absolut schülerzentrierte Stunden von "Lehrerprofis" angesehen (Mathe 7, Physik 6) ... nach den aktuellsten "wissenschaftlichen" didaktischen Gesichtspunkten sozusagen ... ich nenne es mal kurz Mode . Also für mich als Beobachter waren beide Stunden nicht weit von "Chaos" entfernt. Den Lernerfolg konnte ich natürlich nicht direkt messen, aber die präsentierten Ergebnisse waren - abgesehen von den SuS, die schon in der Stunde davor "Experten" waren - nicht berauschend.
Mal sehen, was da in der nächsten Woche mit meinen Parallelklassen passiert, wenn ich da auch mal ganz eigenständig arbeiten lasse ...
Ach so ... ein paar Kollegen (auch von anderen Schulen), z.T. in der Lehrerausbildung tätig, meinten zu mir, als ich mit denen über meine Hospitationserlebnisse gesprochen habe: Sobald die Sau durch's Dorf durch ist, hört das auch wieder auf!