Hallo,
ZitatIch würde es deshalb als grob fahrlässig ansehen, wenn Lehrer nicht versuchen würden, die Rechtschreibung der Schüler zu verbessern!
Das sehe ich auch so, kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Verbesserung der Rechtschreibung durch Punkteabzug und schlechtere Noten, auch in Nicht-Deutschfächern zu erreichen ist. Wenn diese Art der Förderung erfolgreich wäre, gäbe es doch nicht so viele und immer mehr schlechte Rechtschreiber.
ZitatWenn dann immer die Eltern kommen und ihm alles abnehmen, weil das arme Kind es ja nicht kann, was bedeutet das für die Selbstwahrnehmung des Kindes?
Wenn ihm gesagt wird, es habe irgendwelche Krankheiten, Störungen, die es am Lernen hindern?
Weißt du, was aus Kindern mit Lernstörungen wird, wenn selbst die Eltern nicht glauben wollen, dass ihr Kind einiges tatsächlich nicht besser kann, obwohl es eigentlich will?
Sie werden im Extremfall aggressiv, Verweigerer, Gewalttäter, psychisch Kranke, Alkoholiker, Drogenabhängige usw. Die Praxen von Psychologen sind doch überfüllt.
Mein Sohn - inzwischen 4. Klasse mit Gymnasialempfehlung und ohne Lernstörungen (außer ein paar Flüchtigkeitsfehlern und noch verbesserungswürdiger Handschrift) - wurde in der 2. Klasse ziemlich aggressiv, lustlos und sehr traurig, weil die Lehrer und auch wir Eltern seine "Schwächen" als "Nichtwollen" interpretiert hatten. Zum Glück habe ich rechtzeitig erkannt, dass er einiges, was von ihm erwartet wurde, wirklich nicht konnte. Mein Sohn hat sich keinesfalls krank oder gestört gefühlt. Er weiß inzwischen, dass es einigen Kindern ähnlich geht, aber nur wenige das Glück haben, dass ihnen auch die richtige Förderung zukommt. Er ist sehr stolz auf mich, und es fehlt ihm nicht an Selbstbewusstsein.
Zitatich frage mich, wie alle die KISS und sonstwas-Betroffenen bis vor 10 Jahren durch die Schule gekommen sind? Oder gar die Generationen meiner Eltern oder Großeltern??? Was aus denen hätte werden können, wenn da doch nur ein einziges Mal KISS oder eine andere Krankheit oder Störung diagnostiziert worden wäre...
Die Welt hat sich verändert. Alle Menschen haben viel weniger Bewegung, schon die Schwangeren. Die Geburten verlaufen anders, mehr Kaiserschnitt, mehr Saugglocke, mehr Technik. Viele Faktoren zusammen spielen eine Rolle.
Es ist nicht damit getan, den Eltern oder den Lehrern die Schuld für die veränderten Kinder in die Schuhe zu schieben, was zurzeit aber an der Tagesordnung ist, ebenso wie das Leugnen und Verdrängen, dass es mehr Lern- und Verhaltensgestörte als früher gibt.
Es ist doch nicht zu übersehen, jede Klasse hat Legastheniker, andere Lern- und Verhaltensgestörte. Es werden doch immer mehr.
Glaubt Ihr wirklich, dass Nachhilfeinstitute, VHS-LRS-Kurse, Privatschulen, Psychologenpraxen, ADS-Spezialisten usw. so boomen würden und mehr als überfüllt wären, obwohl Schulen so gute Arbeit leisten und Eltern sich nur alles einbilden, zu anspruchsvoll sind oder ihre Kinder vernachlässigen, nur vor dem Fernseher und Computer sitzen lassen?
Solche Eltern gibt es sicher auch. Jedoch kenne ich viele Eltern (zu denen ich mich auch zähle), deren Kinder sich immer viel bewegt haben, weder vernachlässigt noch überbehütet wurden und trotzdem Lernprobleme haben.
Und es gibt auch Lehrer, gar nicht so selten, die Kinder erst zu Lerngestörten machen, weil sie mit ihrer "Andersartigkeit" nicht umgehen können.
Bei diesen mir bekannten Kindern mit Lern- und/oder Verhaltensauffälligkeiten finden sich immer sehr viele der mir inzwischen geläufigen motorischen Auffälligkeiten bzw. ähnlich verlaufende Säuglings- und Kleinkindzeiten.
Ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen. Ich bin nicht der Meinung, dass Eltern für Therapien und Förderungen verantwortlich gemacht werden dürften. M.E. sind Gesundheits- und Bildungsministerien zuständig, hier für mehr Aufklärung, Ausbildung von Ärzten und Lehrern und dadurch für Abhilfe zu sorgen. Wenn die Politiker aber nicht von Eltern und besonders von Lehrern massiv darauf hingewiesen werden, sehe ich schwarz für viele Kinder - natürlich nicht für alle - aber der Prozentsatz der Auffälligen steigt, und wir alle müssen damit leben.
Durch ein anderes Verständnis für diese Kinder und andere Unterrichtsmethoden würde den betroffenen Kindern schon sehr geholfen.
Gruß Erika