Hallo,
Timm schrieb:
Zitat
Audio=Ich höre. Deine Tochter ist also schwerhörig. Mhm, das kann man jetzt also auch über KISS diagnostizieren.
Ja, genau so ist es, Timm! KISS kann für Entwicklungsstörungen verantwortlich sein - eine auditive Wahrnehmungsstörung ist nur ein kleiner Teil davon. Die Auswirkungen von Entwicklungsstörungen sind bei allen Kindern individuell verschieden, weil KISS nicht gleich KISS ist und viele andere Faktoren bekanntlich eine Rolle spielen.
Einfach und nicht allumfassend ausgedrückt: Durch Kiss kommt es zu Bewegungseinschränkungen - bereits im Säuglingsalter. Die ersten vor- und nachgeburtlichen Bewegungen sind unwillkürliche - durch frühkindliche Reflexe (u.a. viele Nackenreflexe) gesteuerte Bewegungen, die großen Einfluss auf die Entwicklung des ZNS haben. Kiss ist ein Grund (ein nicht selten vorkommender, es gibt aber auch andere), dass der Reifungs- und Hemmungs-/Integrationsprozess im Reflexsystem gestört wird. 90 Seiten kostenlose Literatur zum Thema "frühkindliche Reflexe" hatte ich hier im Forum schon eingestellt.
Die kindliche Entwicklung funktioniert wie eine Pyramide, was diese Grafik gut verdeutlicht:
[Blockierte Grafik: http://www.arcor.de/palb/alben…1024_6362336534353565.jpg] Nachfolgend habe ich einige Absätze aus meinen Beiträgen bei www.emgs.de hier hinein kopiert, die ich jetzt aus Zeitmangel nicht weiter sortieren kann:
Zum Thema Wahrnehmungsstörungen möchte ich noch erwähnen, dass es außer dem visuellen und auditiven Wahrnehmungssystem noch folgende gibt, deren Betrachtung oft vernachlässigt wird:
die taktile Wahrnehmung -Tasten und Fühlen
die vestibulare Wahrnehmung - das Gleichgewicht
die propriozeptive Wahrnehmung - die Stellung und Spannung der Muskeln, Sehnen und Gelenke
die gustatorische Wahrnehmung - das Schmecken
die olfaktorische Wahrnehmung - das Riechen
Jean Ayres hält den Gleichgewichtssinn für "das alles vereinende Bezugssystem." Sie weist darauf hin, dass vestibulare Informationen das gesamte Nervensystem zu einer "wirkungsvollen Funktion" anhalten und dass die Verarbeitung anderer Empfindungen unregelmäßig und ungenau wird, wenn das vestibulare Sinnessystem nicht korrekt funktioniert.
"Das Gleichgewichtssystem überwacht den Austausch aller Sinneswahrnehmungen zwischen dem Gehirn und dem Körper - in beide Richtungen. Probleme mit dem Gleichgewichtssystem wirken sich auf sämtliche andere Funktionen aus. Sie beeinträchtigen die sensorischen Systeme, da alle Sinneseindrücke das vestibuläre System auf Hirnstammebene passieren, bevor sie weitergeleitet und analysiert werden." schreibt Sally Goddard.
"Zahllose "Bits" sinnlicher Wahrnehmungen erreichen in jedem Augenblick unser Gehirn nicht nur
von den Augen und Ohren her, sondern auch von jedem Teil unseres Körpers. Keiner der Sinne entwickelt sich isoliert oder funktioniert nur für sich. Sowohl das Sehen wie das Gehör sind vom Gleichgewichtssystem abhängig; trotzdem arbeiten Beschäftigungstherapeuten und Hörspezialisten getrennt voneinander und erfahren vielleicht nie, dass sie beide mit denselben Kindern arbeiten - solchen, deren Hauptproblem sich im Innenohr befindet. Es ist unbedingt notwendig, die Sinne und die Art, wie sie einander ergänzen, zu verstehen, wenn wir jene Kinder unterstützen wollen, für die die Welt keinen Sinn ergibt und die deshalb Schwierigkeiten mit den herkömmlichen Methoden des Lernens haben." (Sally Goddard)
Als großes Problem sehe ich u.a. das fehlende Wissen über diese Zusammenhänge und über entsprechende Fördermöglichkeiten bei vielen Schulmedizinern.
Ein kleines Beispiel, was passieren kann, wenn vestibulare und/oder visuelle Wahrnehmungungsstörungen vorliegen:
Das Vestibularsystem hat einen wesentlichen Anteil am Muskelaufbau. Es veranlasst z.B. die Augenmuskeln automatisch zu ausgleichenden Augenbewegungen. Kommt es hier zu Störungen, sind die Augen z.B. nicht in der Lage, den gleichen Punkt in einem Text zu fixieren (Winkelfehlsichtigkeit), und an das Gehirn kann kein klares Bild weitergeleitet werden.
Mögliche Auswirkungen s. hier:
www.winkelfehlsichtigkeit.de/Informationsblatt1.doc.pdf
Trotzdem behaupten viele Augenärzte "Das Kind sieht wie ein Adler", weil sie nicht dafür ausgebildet sind und über die entsprechenden Messgeräte verfügen.
Zum Gleichgewichtsgefühl tragen auch die von den Augen aufgenommenen Informationen bei. Ca. 20 % der Botschaften von den Augen, von der Retina und den äüßeren Augenmuskeln gehen in Bereiche des Gehirns, die für Gleichgewicht zuständig sind.
Das war aber nur ein kleiner Ausschnitt vieler Möglichkeiten, was schief laufen kann in der kindlichen Entwicklung.
noch ein Nachtrag zum Thema Vestibularapparat und Hörverarbeitung:
"Das Gehör wird zwingend von Informationen beeinflusst, die den Vestibularapparat passieren, ebenso wie der Vestibularapparat von Geräuschen beeinflusst wird. Störungen im Vestibularapparat beeinträchtigen denjenigen Punkt in der Informationsverarbeitung, an dem das auditive System seine Aufgabe aufnimmt, und Probleme im auditiven System können ihren Ursprung in einem vestibulären System haben, das überlastet ist, da es Schwierigkeiten zu kompensieren versucht" schreibt Sally Goddard.
Viele HNO-Ärzte stellen jedoch nichts fest oder stellen eine Diagnose ohne Therapieempfehlung.
Nachfolgend ein Artikel aus der renommierten Zeitschrift Gehirn und Geist (Gehirnforschung)von 01/04 zum Hörverarbeitungstraining nach Fred Warnke, von dem ich sehr überzeugt bin - allerdings heilt ein Hörverarbeitungstraining allein meist nicht alle Wunden.
www.meditech.de/download/gug-1-2004-nachhilfe-ade.pdf
Die richtige Förderung zu finden ist wie ein Puzzlespiel.
Wer die Zusammenhänge verstehen will, muss mehr darüber lesen. Das ganze Thema lässt sich nicht in einigen Sätzen verständlich machen.
Viele Grüße
Erika