Hallo Animagus,
wer hat denn behauptet, dass die Schule die Ursache für Entwicklungsstörungen ist? Das tut doch niemand. Heißt das dann für dich und auch Alias als Lehrer (kennt Ihr beide euch zufällig?), dass Schule deshalb auch nicht helfen sollte/könnte, so nach dem Motto "Ätsch, selber Schuld, seht zu, wie Ihr Eltern (und Kinder) allein damit klar kommt?"
Zitat
Bei den meisten der betroffenen Kinder haben die genannten Defizite aber keineswegs etwas mit frühkindlichen Reflexen zu tun, sondern mit einem eklatanten Bewegungsmangel, so jedenfalls sehen das laut Dorothea Beigel die Experten.
Ich vermute, du hast das Buch bisher noch nicht gelesen, anders kann ich mir deinen Kommentar nicht erklären, oder hast du vielleicht ein bisschen deine eigene Meinung hinein interpretiert? In dem Buch steht, dass Experten Bewegungsmangel für die Lernmisere an Berliner Grundschulen verantwortlich machen und nicht, dass sie frühkindliche Reflexe ausschließen. Das Eine (Bewegungsmangel) schließt nämlich das Andere (Fortbestehen von frühkindlichen Reflexen) nicht aus. Im Gegenteil, durch Bewegungsmangel bzw. eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten (für Laien oft unauffällig), die u.a. auch durch das Kiss-Syndrom zwangläufig entstehen, bleiben Reste von frühkindlichen Reflexen bestehen.
Lies doch einmal auf Seite 107. Dort werden einige mögliche Gründe für das Fortbestehen von Reflexen aufgezählt:
Schwangerschaft (Erkrankungen, emotionale Ereignisse, Drogen, Medikamente u.a.)
bei der Geburt (Sauerstoffmangel, Geburtstrauma .... Druck und Zerrung usw.
in der Neugeborenenphase, u.a. durch einschränkende Umgebung (was Bewegungsmangel einschließt)
in genetischen Faktoren
Auf ganz, ganz vielen Seiten wird beschrieben, wie grundlegend wichtig Bewegung für die Entwicklung ist.
Ebenfalls auf Seite 107 steht, dass die Umgebung der Kinder in ihren Reaktionen eher unangepasstes Verhalten, welches mit Lustlosigkeit, Desinteresse, Ablehnung und Bösartigkeit beschrieben wird, sieht und es häufig dadurch zu zusätzlichen Verstärkungen der Verhaltensweisen kommt und dass das Selbstwertgefühl der Kinder ständig gemindert wird. Diese Erfahrung kann ich und viele andere mir bekannte Betroffene zu 100 % bestätigen.
Auf Seite 160 weist Dorothea Beigel darauf hin, wie unsensibel und unwissend auf Kinder und Eltern - auch von pädagogischer und therapeutischer Seite - eingegangen wird. Oft würde man einen ungenügenden Erziehungsstil der Eltern vermuten oder dass Eltern zu viel in Ihrem Kind sehen. An anderer Stelle wird noch erwähnt, dass Eltern vorgeworfen wird, sich zu viel oder zu wenig um ihre Kinder zu kümmern.
Abgesehen davon, dass auch Eltern die "Schuldigen" sein können, was ich nicht bestreite - die meisten sicher nicht absichtlich -, könnten Schulamt, Schule, Lehrer den Kindern helfen. Zu bedenken ist auch, dass manche Erziehungsprobleme- /defizite auch erst als Sekundarproblem auftauchen. Das "Urproblem" wird gar nicht erkannt.
Lt. Dorothea Beigel (S. 217) ist es Zeit "um-zu-denken", da die Welt der Kinder sich verändert hat. "Wir müssen aufhören, Kinder ausschließlich oder vorwiegend über ihren Kopf anzusprechen." Hilferufe sollten ernst genommen und nicht nach besseren Ergebnissen (Pisa-Studie) geschrien werden. Kultusministerien, Schulämter, Schulen müssen darauf achten, dass kindgerechte körperzentrierte Methoden zur Förderung der Persönlichkeit und der kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten angeboten und unterstützt werden und in der Lehreraus- und weiterbildung verstärkt auf diese Themen eingegangen wird. Das Wissen der körperlichen Grundvoraussetzungen ist ein Thema für alle Lehrämter und die Ausbildung der Erzieher.
Zitat
„Deshalb fordert sie [eine Professorin der FU Berlin] die enge Verknüpfung von Sprachförderung und Bewegungserziehung und empfiehlt eine diesbezügliche Verbesserung der Lehrerbildung (ebenda, S.12).
Die Logik dieser Schlussfolgerung will sich mir nicht erschließen.
Wenn du das ganze Buch gelesen hast, wirst du sicher die Zusammenhänge zwischen Bewegung, Sprache u.sw. und Lernen -auch diese Aussage- verstanden haben - aber nur mit gutem Willen.
Viele Grüße
Erika