Ich habe auch noch eine peinliche Geschichte. Letztes Jahr, Elternsprechtag... ich elternsprechtage als Klassenlehrerin einer nicht ganz einfachen 9. Klasse so seit drei Stunden vor mich hin und freue mich vage auf die Mittagspause, die irgendwie einfach nicht näher kommen will, weil sich die Eltern wie immer die Klinke in die Hand geben. Nach einem eher unangenehmen Gespräch (in Trennung lebende Eltern, der Vater extrem selbstbewusst-arrogant auftretend, die Mutter nah am Wasser gebaut, nutzen meinen Klassenraum, um ihren Ehekrach zu reaktivieren) reicht es gerade noch für einen raschen Blick auf die Terminliste.
Freude kommt auf - ich kenne die Mutter, die als nächstes auf der Liste steht, gut, ich mag sie und habe bisher immer nur sehr schöne Gespräche mit ihr gehabt, auch wenn ihr Kind mein Fach partout nicht kann. Das Gespräch KANN nur besser werden als die vorangegangene Tortur. Es klopft, die Tür geht auf, ich bitte die nett lächelnde Frau, sich hinzusetzen, schüttle ihr die Hand, wir lächeln uns positiv gestimmt an. Dann greife ich nach meiner Notenliste und fange an, freundlich, aber ernsthaft über die betreffende Schülerin und das Thema "Versetzung gefährdet" zu reden. Mein Gegenüber hört mir ruhig zu, bis...
... ich plötzlich merke, dass sie nach meiner Hand greift.
Das ist dann doch ein bisschen ungewöhnlich für den Elternsprechtag. Ich runzle leicht irritiert die Stirn und sehe, dass die mir gegenüber sitzende Frau hemmungslos lacht. Ist das die richtige Reaktion für die schwerwiegenden Befürchtungen, die ich ihr gerade anvertraut habe?
Sekunden später trifft mich der Blitz der Erkenntnis. Das ist NICHT die erwartete Mutter. Das ist unsere Sekretärin - eine ganz tolle, hilfsbereite, kompetente Frau. Ich kenne sie seit fünf Jahren, seit ich an meiner Schule arbeite. Und sie wollte mir nur sagen, dass besagte Mutter angerufen hat, weil sie im Stau steht und mich trotzdem gerne dringend sprechen würde...
Ich stottere nur noch so durch die Gegend und mache einer Strauchtomate farbliche Konkurrenz, als sie noch einmal beruhigend meine Hand tätschelt und sagt:
Frau..., ich glaube, ich hole Ihnen mal ein bisschen Kaffee."