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Original von Mike Köder
Hallo zusammen,
ich überlege, als Seiteneinsteiger (Ferigungstechnik und Wirtschaftkunde) in den Schuldienst (berufsbildende Schule) zu wechseln. Bisher Forschung Entwicklung Maschinenbau FH.
Nun meine Fragen:
- wie viele Unterrichtsstunden hat ein volles Deputat an einer berufsbildenen Schule?
Zwischen 25 und 28 Stunden, je nachdem, ob wissenschaftliche oder technische Lehrkraft.
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- Werden heute immer noch Doppelstunden abgehalten (2x45Min)?
Ja, je nach Schule.
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- wann ist in der Regel Schulbeginn und wann Schulende?
Hängt auch von der Schule ab. Bei uns (Gym) geht es um 7.00 Uhr mit der Frühaufsicht los (1. Stunde um 7.30) und endet um 17.10 Uhr mit der letzten Stunde. Bei der BBS im Nachbarort laufen die Kurse abends noch bis 22.00 Uhr.
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- Unterrichtet man bei einem vollen Deputat jeden Tag, oder kann es auch sein, dass man einen Tag "frei" hat?
Ja, das kann sein. Ein Kollege an der BBS hat einen freien Tag die Woche, dafür aber an einem anderen Tag zehn Stunden am Stück, unterbrochen von einer halben Stunde Mittagspause.
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- wie hoch ist der Vorbereitungsaufwand in den ersten zwei Jahren stündlich je Tag?
Kann man pauschal nicht sagen - es hängt viel von den Fächern und den Rahmenbedingungen ab. Außerdem ist es ja nicht alleine die Vorbereitung des Unterrichts, die Zeit kostet.
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- wie sieht der Zeitaufwand neben dem Unterricht nach zwei Jahren aus?
s.o.
Vielleicht eine kleine Faustregel: Höher, als man denkt.
Unterricht muss ständig an neue Lerngruppen und Lernsituationen angepasst werden. Das braucht Zeit und Energie, selbst wenn man die Klassenstufe schon einmal unterrichtet hat. Dann ist es ziemlich illusorisch, zu glauben, dass man nach zwei Jahren schon alles mal unterrichtet hätte. Ich habe nach sechs Jahren im Beruf immer noch nicht alle Klassen durch.
Ferner gibt es Prüfungen mit zugehörigen Prüfungsordnungen, die alle naselang geändert werden, auch der Bildungsplan wird ständig angepasst. Da ist dann schnell ein Teil der Vorarbeit vergangener Jahre für die Katz.
In der Schule fallen ständig Zusatzjobs an, die erledigt werden müssen, und die, obwohl sie im Einzelnen nicht besonders anspruchsvoll sein müssen, in der Masse eine Menge Zeit fressen.
Zu guter Letzt sollte man noch bedenken, dass die "pausenlose" Präsenz in der Schule sehr schlaucht und man nach sechs Stunden Unterricht erst einmal so fertig ist wie nach einem klassischen Bürotag - man braucht eine gewisse Ruhe- und Abschaltphase, bis man wieder fit ist. Blöderweise ist dann aber der Tag schon fast zuende, die Unterrichtsvorbereitung aber noch nicht gemacht, so dass man vom vermeintlich "frühen" Arbeitsende nicht sehr viel hat.
Das nur auf die Schnelle, um einen kurzen Abriss zu geben.
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- muss man sich in der "unterrichtsfreien Zeit" (Ferien) auch vorbereiten, oder schafft man das "neben" dem täglichen Unterricht?
Das kann man durchaus neben dem täglichen Unterricht schaffen. Unterrichtsvorbereitung ist eines der netteren Geschäfte im Schulalltag. Was ein Zeitfresser in den Ferien ist, ist die Nachbereitung: Abheften der Unterlagen, Aufräumen des Arbeitszimmers, Erledigung aller liegengebliebenen Kleinigkeiten, Korrigieren, Korrigieren, Korrigieren...
Vorbereitung von Prüfungen, korrigieren von Prüfungen, Treffen von Arbeits- und Steuerungsgruppen, FoBis (kann man notfalls weglassen oder kürzen, aber seit neuestem muss man ein Portfolio darüber führen, also hin und wieder sollte man deshalb schon hingehen), Konferenzen (da ist Anwesenheitspflicht), Verwaltungskram (z.B. Führen von Listen, welcher Schüler sich für welche Präsentation gemeldet hat, wann er sie halten will, ob er sie schon gehalten hat, ob der zuständige Fachlehrer schon gegengezeichnet hat -> Schreiben von nervigen kleinen Erinnerungszetteln an die Schüler, die Fachlehrer...).
Briefwechsel mit dem Betrieb, mit dem Regierungspräsidium, Bestellen von Material, Buchhaltung über Materialausgabe und eingesammeltes Geld, undsoweiterundsofort.
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- kommt man an schon fertige Folien für den Unterricht von Kollegen ran, oder werden diese gehütet?
Ja, da kommt man ran. Ist eine Sache auf Gegenseitigkeit - man tauscht die Unterlagen eben untereinander aus. Viel Zeitersparnis bringt es aber meistens nicht, da man mit Unterricht, den ein anderer für eine andere Klasse vorbereitet hat, u.U. nicht so viel anfangen kann und man irgendwann sogar schneller damit ist, das Zeugs selbst vorzubereiten, als sich erst mühsam in den Unterrichtsentwurf eines anderen einzudenken.
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- wird man anfangs in "schwierige" Klassen gesteckt, auf die die bereits verbeamteten Lehrer keine Lust mehr haben?
Ja, kann passieren.
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- wie steht es mit dem Berufsvorbereitungsjahr (Auffangbecken für Schüler ohne Abschluss). Wird dort auch Fertigungstechnik oder und Wirtschaftskunde unterrichtet? Sind solche Klassen schwierig?
Zu den Fächern kann ich nichts sagen. Üblich an den BBS, die ich kenne, ist aber, dass jeder Lehrer auch mal im BVJ eingesetzt wird. Zu den Schülern: Gerade die schwierigsten können oft eine sehr rührende und liebe Anhänglichkeit zu einem Lehrer entwickeln, wenn sie merken, dass dieser sich mit Empathie um sie bemüht und authentisch ist.
Es wäre den Schülern zu wünschen, einen solchen Lehrer zu bekommen.
LG
Eva