Zitat von »kleiner gruener frosch«
Die guten Kinder werden wahrscheinlich trotzdem relativ gut bleiben.
Relativ ist nicht gut genug. Auch gute Schüler benötigen Aufmerksamkeit und wollen Erfolgserlebnisse haben.
Alles anzeigen
Nun will ich mich auch einmal zu Wort melden. Das hervorgehobene Zitat von Raket-O-Katz ist mein Sorgenkind seit jeher.
Ich habe im Grunde schon eine Inklusionsklasse - ganz inoffiziell! 1. Schuljahr: 25 Kinder, davon 5 Jungen, die extrem verhaltensauffällig sind - und zwar sowohl im Sozial- als auch im Arbeitsverhalten. Mindestens 70 % der täglichen Unterrichtszeit dreht sich nur um diese: Es gilt Streits zu klären, zu schlichten, Beschwerden über diese aufzunehmen, diesen nachzugehen, Kinder zu befragen, Unterrichtsstörungen direkt zu unterbinden, was dann aber wieder sehr zeitintensiv ist, Vorlesezeiten nach der Hofpause gehen regelmäßig drauf (zu Lasten aller Kinder), um wieder einmal Pausenkonflikte zu klären, ich muss (!) zu meiner eigenen Sicherheit alles dokumentieren (bin nur am Schreiben), bin in ständigem Austausch mit Jugendamt und Sozialarbeitern, schreibe tägliche Elternnotizen in die Notizhefte, versuche, diese Jungen während der Arbeitsphasen ans Arbeiten zu kriegen, unterbinde dabei ständige Störversuche, wende mich ihnen zu, bekomme sie wieder an die Arbeit, bis...
Ja, uff, man kann sich vorstellen, wie dieses an die Substanz geht! Ich habe wöchentliche Elterngespräche, meist in Verbindung mit Schulleitung, weil eben gerade die Eltern dieser Jungen auch noch unverschämt und anklagend mir gegenüber auftreten!
Im Grunde genommen könnte (müsste!?) ich für jeden dieser 5 ein AO-SF einleiten, Förderbedarf für soziale und emotionale Entwicklung! Wenn ich dies täte, dann würde mir ganz schnell das Schulamt aufs Dach steigen: Wie kann es nur möglich sein, gleich 5 Fälle Förderschule E zu melden?? - So die Rückmeldung meiner SL.
Den Schulpsychologen habe ich mir eingeladen, ihn eine Stunde vor seiner Hospitation "gebrieft". Seine Rückmeldung: Es "laufe doch alles". Er würde die von mir beschriebenen Probleme durchaus sehen und bestätigen können, sehe aber auch, dass der Unterricht läuft (mit mir als "Leithammel"). Dies sei "mein Verdienst", ich könne "stolz auf meine Leistung sein".
Klasse. Was kann ich mir dafür kaufen? Nichts! Die 5 Auffälligen "laufen mit", insoweit, dass sie leidlich ihre Grundlagen bearbeiten und währenddessen die anderen weitestgehend in Ruhe lassen. Allerdings nur, wenn ich als "Dompteur" (so komme ich mir vor) ständig in Bereitschaft stehe (nicht falsch verstehen: Ich bin eine sehr ruhige, aber eben konsequente L-Persönlichkeit). Sobald ich als Leithammel nicht zur Verfügung stehe (Fachunterricht/Vertretung), laufen die Beschwerden bei mir ein... über wen wohl?
Und dass mir das so leidlich "gut" gelingt, ist tatsächlich das Resultat eines Jahres anstrengendster Arbeit!
Noch einmal: Ich habe 25 Kinder. Davon 5, die mich überproportional beanspruchen - sowohl während, als auch nach der Unterrichtszeit!
Dabei habe ich 3 "Überflieger" in der Klasse. Sie konnten schon vor Schuleintritt fließend lesen und rechnen im Hunderterraum! Ich habe eine Menge an durchschnittlich begabten Schülern! Wer von diesen bedarf nun vordringlich meiner unmittelbaren Aufmerksamkeit?
Ihr versteht schon... Es schmerzt mich regelrecht, wenn ich darüber nachdenke, dass ich während des gesamten Schuljahres kaum Zeit hatte, mich persönlich meiner "Leistungsspitze" zu widmen! Selbstverständlich habe ich diesen "Futter" zur Verfügung gestellt. Und mich immer wieder darauf verlassen (müssen!), dass diese selbstverantwortlich zurecht kommen.
Wer meine Energien frisst, ist klar...
Hier vermischt sich der Bildungs- mit dem Erziehungsauftrag: Beide nehmen mich so sehr in Anspruch, dass die restlichen 20 (!) Kinder einfach so mitlaufen müssen! Ganz besonders meine Leistungsspitze. Der Tipp des Schulpsychologen übrigens: "Lassen Sie die 5 einfach mal machen und nehmen Sie in Kauf, dass diese halt mal weniger lernen. So haben Sie Zeit, sich um die anderen zu kümmern."
Dass diese "mal weniger lernen" nehme ich gerne in Kauf. Allerdings nicht, dass diese dann (wenn ich mich anderen Kindern zuwende) wieder den Frieden entern...
Wenn ich meine Klasse beschreiben sollte, dann wäre das schon für mich eine Inklusionsklasse. Noch mehr ist nicht zu verkraften - weder für mich, noch für die Klassengemeinschaft.
Noch mehr? Ohne mich!