Original von Mia
Holla, interessante Meinungen zu dem Thema! Ich glaube, hier im Thread bekommt man eher Schläge, wenn man sich mehr soziale Gerechtigkeit wünscht.
Nein, wir sind doch alles gelernte Pazifisten! Aber was ist soziale Gerechtigkeit? Ja, ich habe Angst vor "Gleichmacherei", denn das empfinde ich als ungerecht, im Sinne von: ich werde dem einzelnen Kind nicht gerecht, seinen Bedürfnissen, seinen Fähigkeiten...
Und was auch jede Studie immer wieder deutlich zeigt: Unser Schulsystem baut sich auf sozialen Unterschieden auf! Und genau das ist der Punkt, der mir am größten Bauchschmerzen bereitet.
Überlegt doch mal selbst: Wollt ihr euer eigenes Kind auf einer Hauptschule haben? Nein, ich will noch nicht mal, dass mein Kind eine Realschule besuchen muss. Und nicht, weil ich es automatisch für so klug und begabt halte, sondern weil ich einfach Angst vor den sozialen Unterschieden habe! Ich weiß doch ganz genau, dass mein Kind andere Kontakte, ein ganz anderes Umfeld haben wird, wenn es auf dem Gymnasium sein wird. Es wird zu einem anderen Teil der Gesellschaft gehören und genau aus diesem Grund will doch logischerweise jeder, dass sein Kind diese Chance bekommt.
Ja, ja. Mein Sohn ist auf dem Gymnasium (7. Sj.). Für uns war sehr schnell klar, dass wir ihn nicht zu einer Gesamtschule schicken würden. Ja, er ist begabt, so ist uns die Hauptschule erspart geblieben. Für uns wäre das auch nicht einfach gewesen, aber ich wollte ihn nicht selbst unterrichten müssen (verständlicherweise), aber auf die andere HS wollte ich ihn auch nicht schicken müssen (hat einen deutlich schlechteren Ruf als unsere!!!). Da ich aber weiß, wie überforderte Kinder leiden müssen, hätten wir wohl eher der Hauptschule zugestimmt und nicht auf Gymnasium oder Realschule bestanden. Das ist natürlich jetzt alles müßig, noch kommt er super mit, lernt aber von kleinst auf sehr, sehr gerne - hatte schon früh ein sehr ausgeprägtes Zahlen- und Buchstabenverständnis. Ob angeboren oder auch "vorgelebt"/durch Umwelt geprägt? Ich denke mal beides!
Ganz davon abgesehen: Wer ist in der Lage zu entscheiden, welche Begabungen mein Sohn hat, nur weil er aus den verschiedensten Gründen vielleicht in der Grundschule Probleme haben mag und deswegen nicht auf irgendwelche geforderten Mindestnoten kommt?
Ja, aus welchen Gründen denn. Es liegt nicht nur an der Umgebung.
Wenn es nur an der Umgebung liegen würde, hätte ich ein (nicht zu ernst zu nehmendes) Patentrezept:
Raus aus der Umgebungsfamilie, rein in die Rund-um-die-Uhr-Betreuung oder alternativ: Holt die Eltern in die Schule, zeigt den Eltern, dass Lesen Spaß macht usw.
Aber das will eben auch keiner. An sozialen Unterschieden rüttelt man besser nicht. Also hat eben das Arbeiterkind aus einem bildungsfernen Elternhaus gelitten, wenn es am Ende der 4. Klasse nicht auf dem gleichen Stand ist wie das behütete Akademikersöhnchen, das jeden Abend von seinen Eltern den Ranzen gepackt kriegt.
Wir haben unserem Sohn das Prinzip des Taschepackens vermittelt, jeden Tag gefragt (auch heute noch): "Musst du etwas Besonderes mit zur Schule bringen?" Der Rest war dann seine Sache.
Da soll es mal schön auf die Hauptschule gehen und einen handwerklichen Beruf erlernen. Schließlich hat's ja offensichtlich nicht so viel im Kopf.
Unsere Hauptschüler werden nicht nur Handwerker. Und - auch die brauchen sehr viel im Kopf!
Interessanterweise hat das ja auch die Grundschullehrerin in der Doku bestätigt: Ihre beide Kinder packen natürlich problemlos das Gymi. Das muss natürlich allein an ihrer angeborenen Intelligenz liegen, klar.
Ach, wenn es doch so einfach wäre... Warum ist dann XY - als Tochter einer Realschullehrerin - bei uns und macht den normalen HS-Abschluss?
Eine Forderung oder Idee (diesmal absolut ernst gemeint!):
Jeder - auch Erwachsene - sollte die Möglichkeit haben, kostenlos ohne weitere Hemmschwelle z. B. Büchereien, Kulturprogramme nutzen können, z. B. Theater, Oper...
Die an einigen Orten schon installierten Familienzentren könnten ein guter Weg sein, um auch Eltern dauerhaft mit ins Boot zu nehmen, ins Boot der "sozialen Gerechtigkeit", ins Boot der weiten Bildungswelt.
So, jetzt dürft ihr mich schlagen ob meines unpopulären sozialen Gedankenguts.
Es wird ja immer populärer - ich vertrete ja eher die "veraltete Denke", aber darum, weil ich glaube, dass ich damit - im Idealfall - sozial gerechter wirken kann.
LG
Mia