- Besteht die Möglichkeit hinterher auch in anderen Fächern eingesetzt zu werden? Gibt es da generell Erfahrungswerte - also mit fachfremdem Unterricht - an Gesamtschulen oder Realschulen oder Gymnasien egal in welchem Bundesland?
- Und noch eine generelle Frage an die Lehrer in Sek I: Wie anspruchsvoll ist der Unterricht inhaltlich? Ich habe z.B. von meinem eigenen Schüler-Dasein in Erinnerung, dass in Englisch spannende Lektüre und interessante Themen eigentlich erst in der Oberstufe bzw. im Leistungskurs dran kamen.
- Und noch eine generelle Frage: Wie würdet ihr sagen unterscheidet sich die Arbeit mit älteren und jüngeren Schülern?
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Ich kann nur zu den oben stehenden Fragen etwas sagen - und zum Kommentar, das Studium sei langweilig und praxisfern. Es ist keine Berufsausbildung im klassischen Sinne. Und gerade für anspruchsvollen und wirklich guten Deutschunterricht in der Oberstufe braucht man ein fundiertes Fachstudium hinter sich, um wirklich die Zusammenhänge, Entwicklungen usw. selber voll zu durchringen und dann auch aufzeigen zu können. Wenn du also einen hohen Anspruch an deinen Deutschunterricht stellst, dann solltest du m.M. nach das Studium durchziehen, sonst wird es eher Klausurtrainingsunterricht bzw. Unterricht nach Schema F (ich kann für mich selber z.B. sagen, dass ich das in Englisch in der Oberstufe um Längen besser hinkriege und da besser ausgebildet bin als in Deutsch - was vermutlich auch damit zu tun hat, dass Deutsch in der Oberstufe deutlich mehr Literaturunterricht ist, während Englisch an vielen Stellen doch schon fast eher eine Gesellschaftswissenschaft mit der ein oder anderen Lektüre ist...).
Was die Fragen angeht:
Ja, man wird auch mal (!) fachfremd eingesetzt, am Gymnasium allerdings eher seltener bis gar nicht (und auch, wenn es geht, eher nicht in Hauptfächern, eher mal in Politik oder Kunst in den kleinen Klassen, wenn man sich das zutraut). Und auf gar keinen Fall in der Oberstufe, bei uns ist das allerhöchstens mal in der Einführungsphase in der neu-einsetzenden Fremdsprache passiert, dass da ein Kollege unterrichtet hat, der ein Jahr in Spanien gelebt hat. Aber der unterrichtete dann auch definitiv nicht mehr in der Qualifikationsphase, also den zwei Jahren, die für das Abi zählen. Wenn du also primär daran Interesse hast, führt am Fachstudium für Deutsch kein Weg vorbei.
Was den Anspruch angeht, stellt sich halt auch die Frage, wie du Anspruch definierst. In den Fremdsprachen ist die SI primär zum Spracherwerb da, was man mit denen dann in Klassen 8 und 9 diskutieren kann... hängt halt sehr vom Sprachniveau ab. Aber auch bei wirklich guten Schülern merkt man, dass es ihnen natürlich in der Muttersprache leichter fällt, Diskussionen zu führen (und ich habe einen wirklich extrem (!) guten Englisch LK, der kurz vorm Abi steht, mit denen kann man wirklich was machen, aber das ist die Ausnahme). I.d.R. steht die Sprache da immer als eine mehr oder weniger große Barriere, in Deutsch ist es natürlich einfacher, sich primär auf den Inhalt zu konzentrieren.
Bestimmte Abstraktionslevel erreichen die Schüler aber i.d.R. auch erst ab einem gewissen Alter, egal, was sie evtl. an Wortschatz haben.
Das man allerdings grundsätzlich und regelmäßig in der Oberstufe tiefgreifende, spannende Diskussionen führt... die müssen Englisch und Deutsch belegen, ob sie wollen oder nicht, es gibt einen nicht unerheblichen Teil der Schülerschaft, die keine Bereitschaft haben, sich auf Texte einzulassen (und ich habe Schüler aus einem extrem bildungsnahen Milieu - ok, eher wirtschaftlich als künstlerisch orientiert). Auch für viele deutschsprachige Schüler aus so genannten "gutem Hause" sind Texte in der Sprache Goethes oder Schillers schwer zu verstehen (und wie gesagt, oft auch mangelnde Bereitschaft, sich mal durchzubeißen - ja, ärgerlicherweise auch im LK; gerade der Deutsch LK ist ja oft die Verlegenheitswahl, wenn man irgendwie nichts so richtig kann... ich hatte die selber als Schülerin alle in meinem LK sitzen, war das vielleicht nervig...).
Zumal zumindest bei den Schülern, die wir haben, man ganz klar einen "wie kann ich das denn 1 zu 1 später gebrauchen" Gedanken erkennt. "Ich will BWL studieren, was soll ich da Gedichte analysieren?" D.h. man kämpft also auch noch damit, ihnen den Wert und Nutzen der Gegenstände nahezubringen, denn viele denken nur an die nächste Klausur, die Abinote, um dann irgendwas zu studieren, was Geld bringt (wir haben gehobene Mittelschicht mit ordentlich Abstiegsangst...)
Es gibt auch die anderen Schüler und alle paar Jahre auch den anderen Kurs. Ich hatte jetzt immer wieder das Glück, dass ich quasi in einem Jahrgang einen richtig diskussionsfreudigen Kurs hatte, der sich auf Dinge einließ, vieles in Frage stellte - danach folgten dann auch wieder zwei Jahrgänge, die wie Kaugummi waren, mit denen ich nicht mal ansatzweise so arbeiten konnte, wie mit diesen traumhaften Kursen. (Bin seit 2010 an meiner jetzigen Schule, jedes Jahr mindestens zwei Oberstufenkurse, bislang hatte ich drei richtig, richtig tolle Kurse - die anderen waren auch alle sehr nett und teilweise auch bemüht (teilweise auch einfach stinkendfaul...), aber bei denen war nichts mit spannenden und tiefgreifenden Diskussionen (teils fehlte das Sprachvermögen, teils das Abstraktionsvermögen, teils die Bereitschaft, die Texte (oder wenigstens mal eine Zusammenfassung) überhaupt zu lesen... :-/ )
Ich will dich nicht entmutigen, allerdings die naive Vorstellung nehmen, dass Deutsch-Oberstufenkurse grundsätzlich davon geprägt sind, dass alle wild miteinander diskutieren, verschiedene Interpretationsansätze vergleichen, Lebensweltbezug selber herstellen oder überhaupt daran interessiert sind. Das gibt es, ja. Es ist aber nicht die "natürliche Erscheinungsform" gerade eines Deutschkurses.
Was den Unterschied zwischen Kleinen und Großen angeht (ich bin eigentlich immer in Klasse 5/6 und dann wieder in der Oberstufe eingesetzt, mit der ein oder anderen Mittelstufenklasse hin und wieder): Für alle Jahrgangsstufen ist Beziehungsarbeit wichtig. Ältere Schüler sind im Schnitt eher in der Lage zu trennen zwischen "der ist zwar menschlich komisch/ total doof" und "er hat aber was auf dem Kasten und kann das vermitteln", aber i.d.R. ist die Arbeit in der Oberstufe deutlich einfacher und auch angenehmer, wenn man auch hier die Beziehungsarbeit zu den Schülern nicht vernachlässigt.
Bei den Kleinen ist es natürlich mehr Erziehungsarbeit im Großen und Ganzen und sie binden sich im Zweifel sehr an dich (was zur großen Gefahr führen kann, dass man sie extrem leicht emotional erpressen kann, weil sie einen nicht enttäuschen wollen - die Kleinen arbeiten überwiegend für dich, reißen sich für dich zusammen oder sind eben total betroffen, wenn sie Schwierigkeiten machen, weil sie dich enttäuscht haben). Classroom Management, disziplinieren ist in der Oberstufe (von der Einführungsphase mal abgesehen ) ein eher kleineres Problem - wenn überhaupt. Dafür werden die Probleme, wenn die Schüler welche haben, i.d.R. dramatischer, je älter sie werden. Von ersten Drogenexperimenten, evtl. kleineren Straffälligkeiten über psychischen Problemen wie Ritzen, Selbstmordgedanken, Magersucht usw. usf. wird im Allgemeinen heftiger, sobald sie die Pubertät erreichen (ich erwähnte schon unsere Klientel? Mittelschicht mit Abstiegsangst? Der Druck zeigt sich in den Kindern - und das heißt nicht, dass die Eltern den explizit auf die Kinder ausüben, das ist seltener der Fall, aber die Grundstimmung lässt sich nicht abschütteln und ist an allen Stellen zu erkennen und viele Kinder können damit nicht umgehen, mit dem Gefühl, nicht scheitern zu dürfen, mit dem Gefühl, perfekt sein zu müssen, denn ohne 1er Abi und dem perfekten Studium, dass dann in Rekordzeit ohne "Zeitverschwendung" absolviert werden muss, kein gutes Leben führen können).
Damit hat man natürlich als "reiner" Fachlehrer zunächst nicht unbedingt etwas zu tun, weil so etwas eigentlich erst über die Klassenlehrer bzw. Beratungslehrer läuft (mit einem Hauptfach bist du für den Job aber eh prädestiniert -- und in anderen Bundesländern wie z.B. Hessen ist das in Oberstufe auch wiederum anders organisiert über die Tutoren/ LK Lehrer, die quasi Klassenlehrerfunktion haben, soweit ich das verstanden habe).
Aber i.d.R. ist der Umgang mit den Größeren natürlich entspannter, man kann sich mehr auf den Gegenstand konzentrieren, i.d.R. mehr Freiheiten geben und muss weniger disziplinieren (bzw. hat andere Freiheiten - meiner Q1 sage ich hin und wieder auch, dass sie, wenn sie nur quatschen wollen, doch bitte meinen Unterricht verlassen sollen, damit die anderen ungestört arbeiten können -- “Gibt das dann eine 6 für die Stunde, Frau Katta?" - "Ja klar, ist ja keine Mitarbeit." - "Aber das ist doch dann kein echtes Angebot, Frau Katta." - "So war es auch nicht gemeint..." )
Man kann in größeren Schritten arbeiten, anderes Abstraktionsniveau erreichen - bei den Kleinen muss man kleinschnittiger vorgehen, die Arbeitsschritte genauer planen, mehr Abwechslung einbauen, darf keine Vorträge halten (also außer vielleicht Geschichten vom eigenen Hund erzählen... da können die auf einmal Ewigkeiten konzentriert zuhören... ), die Tafelbilder müssen strukturierter sein (das sollten sie bei den Großen auch - bzw. alles das - außer dem kleinschnittigen Vorgehen - zählt für die Großen auch, die verzeihen es aber eher, wenn es nicht so ist )
Ich mag es sehr, beide Extreme zu haben (ich muss nur hin und wieder aufpassen, dass, wenn ich überwiegend bei den Kleinen unterrichte, ich im LK nicht zu kleinschnittig vorgehe - auch wenn meine Oberstufenschüler das hin und wieder auch genießen, wenn sie mal mehr vorgekaut kriegen ) und würde das tatsächlich nicht missen wollen.