Dann schreibe ich mal als Ex-Grundschullehrerin. Folgendes empfand ich am anstrengendsten:
Ständige Struktur: Jeder kleine Fehler in der Planung oder deiner Aufmerksamkeit rächt sich sofort. Dann tanzen sie dir auf der Nase rum und die Chaoten drehen eh durch und wittern ihre Chance. Da kann man die älteren Kids doch besser spontan verarbeiten.
Differenzierung: Es gibt so enorme Leistungs- und Entwicklungsunterschiede, dass es kaum möglich ist, jedem Schüler annähernd gerecht zu werden. Das klappt nur, wenn man enorm gut vorbereitetes Material hat und jede Menge Hilfe zur Selbsthilfe integriert hat. Womit wir zu...
Erstellen von Material: ... kommen. Man kann sich wirklich kaputt machen, wenn man versucht, jedem Schüler das einigermaßen passende Material an die Hand zu geben. Da wird das "Standardmaterial" vorbereitet, das DAZ-Material, das GU-Material, das LRS-Material, das Fordermaterial, Tippkarten für mehrere Leistungsstufen und dann kommt ein...
Ausraster: Die Lütten haben ja auch gerne mal ihre Wutanfälle und Empathie ist noch nicht wirklich entwickelt. Also wird gezickt, geheult, geschrien, weggerannt, gehauen, gebissen, mit Stühlen geworfen, vom Gelände gerannt... In diesen Momenten fällt dann deutlich auf, dass GSen nur...
wenig Personal: ... haben. Eine Sekretärin ist häufig nur als Teilzeitkraft vorhanden. Die nötigen Anrufe müssen nun irgendwie während des Unterrichts von der Lehrkraft geführt werden, die gleichzeitig gerade die Aufsicht führt. Diese Situation wird natürlich wieder sehr gerne von den Chaoten ausgenutzt, womit sich ein Teufelskreis entwickelt. Ebenfalls schwierig wird es, wenn eine Lehrkraft ausfällt, da man dann häufig irgendwie zwei Klassen beaufsichtigen muss oder man auch gerne mal für einen längeren Zeitraum zwei Klassenleitungen übernimmt. Wenn man selbst die erkrankte Lehrkraft ist, entwickelt man automatisch ein schlechtes Gewissen, da man ja weiß, was die Kollegen nun durchmachen müssen. Auch alle sonstigen Aufgaben werden natürlich auf wenige Köpfe verteilt. Die Aufsichten, die AG´s, die Mittagsbetreuung, das Verfassen von internen Curricula oder anderem geduldigem Papier, Referendare, Praktikanten, Planung von Projektwochen und anderen Veranstaltungen. Da es wenig Kollegen gibt, ist häufig auch...
die Ausstattung: ...absoluter Mist. Da müssen sich alle einen Tageslichtprojektor aus den 80ern teilen und einen Röhrenfernseher mit VHS oder DVD Player. Bücher gibt es natürlich nicht. In der Regel existieren Arbeitshefte, die die Eltern angeschafft haben und Bibeln. Den Rest besorgt sich die gute Grundschullehrerin bei diversen Verlagen (Werkstätten, es leben Werkstätten!) und sortiert ihr Exemplar natürlich in die Lehrerbibliothek ein, damit auch die anderen Kollegen davon zehren können. Es gibt einen Drucker für alle (wehe der Toner ist leer!) und der Rechner muss erst aus dem Tresor geholt (hoffentlich ist die Sekretärin da) und angeschlossen werden. Dann kann man sich aber gerne an einen Schülertisch im Kopierraum setzen und arbeiten. Das klappt während der Schulzeit eh nicht, denn Freistunden hat man in der GS in der Regel weniger und ...
der Lärm: ... ist vormittags kaum auszuhalten und macht ein Arbeiten eher nicht möglich. Während der Pausen drehen die total durch, irgendeine Klasse übt immer gerade mit einem Fachlehrer den ruhigen Gang zum Fachraum oder es brüllt eine Kollegin gegen ihre brüllende Klasse an. Selbst wenn man seine Klasse gut im Griff hat und ein ruhiges Arbeiten möglich ist, gibt es immer diese eine Kollegin, die dafür sorgt, dass es ständig laut ist. Nachmittags arbeiten geht in der Schule allerdings auch nicht, denn nun beginnt die Übermittagsbetreuung, in die man entweder selber eingebunden ist oder sich mit den anderen Kollegen um den Rechner streiten könnte, um dann bei Schulhofslärm zu arbeiten. Also wird Zuhause gearbeitet. Nun entsteht häufig ein Problem. Nämlich:
Ein Ende finden: Wie bereits oben erklärt, kann man sich in so einer Grundschulklasse wirklich kaputt differenzieren und fordern/fördern. Diese ganzen erstellten Materialien müssen auch nachgesehen werden, nicht alles funktioniert über Selbstkorrektur, eigentlich sogar das wenigste. Da ist es häufig plötzlich 21 Uhr und man merkt, dass man immer noch am Schreibtisch sitzt. Dadurch leidet dann das Privatleben. Der Fitnesskurs wurde wieder verpasst, dass Telefonat mit einer Freundin abgesagt, in Ruhe gegessen wurde auch nicht und die Lieblingsserie geht jetzt auch zu lang, da man ja um 07:30 Uhr die Busaufsicht hat.
Alleskönner: Jedes Fach muss ich ohne Lehrwerk unterrichten können. Klingt erst mal vielleicht total simpel, doch mir sind z.B. so einige Sachunterrichtsthemen ehrlich gesagt nicht geläufig und da musste ich mich dann tatsächlich mehrere Stunden einlesen, um etwas gut runterzubrechen (Schwimmen und sinken, Erdschichten, Das Leben der Römer...). Musik und Kunst liegt nun auch nicht jeder Lehrkraft.
Eltern: Jeder Grundschullehrer weiß, dass die Grundschulzeit die aller, aller, ALLERWICHTIGSTE Zeit für ein Kind ist. Danach ist es nicht mehr möglich, seine Lebenslaufbahn in irgendeine andere Richtung zu bewegen. Oh nein! In Klasse 1 sollten dringend Prognosen über die schulische Laufbahn abgegeben werden und wehe, die lautet nicht Gymnasium.
Andere Lehrer: Sorry an die Sek 1 und 2 (gehöre ja inzwischen selbst dazu), aber die ständigen Vorwürfe, dass wir mit den Kids anscheinend nix gemacht haben und ihr das nun ausbaden müsst, nerven einfach nur gewaltig.
So, fertig mit der Zeitreise. Übrigens habe ich wirklich sehr gerne in der GS gearbeitet und habe sie nicht freiwillig verlassen. Damals gab es aber tatsächlich einen Lehrerüberschuss an der GS und ich bekam keine Stelle.
Nun mache ich Sport und benutze ab nächster Woche für meine 10er, und 9er die Materialien, die meine vielen Kollegen und ich in den letzten Jahren entwickelt haben