Früher habe ich so gearbeitet, wie Craff das in seinem ersten Beispiel beschrieb.... ich habe das als sehr effektiv empfunden und hatte immer das Gefühl, ich differenziere und werde jedem Kind gerecht.
Als ich im Sommer an meine neue Schule kam, wurde mir erklärt, dass die Schüler hier mit Einstern arbeiten... jeder in seinem Tempo und absolut selbstständig. Die Aufgaben seien selbsterklärend. Und die Kinder seien das aus den ersten beiden Schuljahren der Eingangsstufe bereits so gewohnt.
Sicher... ich bin flexibel und passe mich an... und das ist ja auch total toll differenzierend und individualisierend, wie es sein muss.
Ich habe nach einigen Wochen bereits gemerkt, dass einige Kinder fleißig, konzentriert und zügig im Einstern arbeiteten und schon weit gekommen waren... und andere Kinder den Einstern nicht mal in die Schutzhülle gepackt hatten, geschweige denn aufgeschlagen und darin gearbeitet hätten.
Diese Kinder konnte ich nicht in ihrem Tempo arbeiten lassen, denn sie standen auf der Stelle. Denen musste ich erstmal ein Tempo vorgeben. Und sie mussten lernen, dass sie in einer bestimmtem Zeit ein Ziel erreichen sollen.
Und dann stellte ich auch ein Defizit bei mir selbst fest: Ich schaffe es nicht, 30 Kinder im Auge zu behalten und immer genau zu wissen, wo welches Kind gerade ist, wo welches Kind Schwächen und Stärken hat, wenn die alle an unterschiedlichen Seiten im Einstern arbeiten. Auch die Hausaufgabenkontrolle... jeden Tag einfach 20 Minuten da weiterarbeiten, wo man gerade ist... überforderte mich und ich hatte keinen Überblick mehr.
Hut ab vor Lehrern, die das können... und selbstverständlich den Deutschunterricht ähnlich abhalten... und Sachunterricht...
Aber ich kanns nicht.
Von daher ist bei mir da die Grenze der individuellen Förderung erreicht, weil ich gar nicht mehr im Überblick habe, wo welches Kind gerade individuell ist.
ich bin ziemlich schnell dazu übergegangen, den Einstern in Wochenplanarbeit zu machen. Alle Kinder mussten Freitag mit einer bestimmten Seite fertig sein. Wer es nicht geschafft hatte, hatte Frist bis Montag und konnte zu Hause nacharbeiten. Montags war Kontrolltag... da habe ich die Wochenplanaufgaben kontrolliert.
Die leistungsschwachen Kinder mussten also nicht nur den Einstern in die Hülle packen, sondern auch darin arbeiten. Sie konnten es sich selbst einteilen, aber bis Freitag war halt ein bestimmtes Pensum zu schaffen. Die Pflichtaufgaben MUSSTEN gemacht werden. Und schon hatte ich dieses... jedes Kind in seinem Tempo... ausgehebelt, denn ich gestand diesen Kindern ihre langsame Arbeitsweise ja nicht mehr zu, sondern beschleunigte sie etwas.
Die schnellen Kinder bekamen Zusatzaufgaben, die der Einstern ja bietet. Nicht nur ein paar Aufgaben mehr... sondern auch auf einem höheren Niveau, aber zum Thema. Und diese Aufgaben habe ich für diese Kinder ebenfalls zu Pflichtaufgaben erklärt, denn sonst machen die das ja nicht.
Meine Differenzierung läuft also mittlerweile im Wochenplan ab.
Ich behalte so den Überblick, denn spätestens am Kontroll-Montag merke ich ja, wo bei einem Kind Schwierigkeiten sind und ich kann darauf eingehen und dieses Kind speziell in einer Förderstunde fördern.
Für die schwächeren Kinder ist das auch gut, denn sie hängen nicht hoffnungslos weit hinter der Klasse zurück... sie sind immer am Ball.Ich merke sogar, dass sie erleichtert sind, denn sie waren von diesem selbstständigen Lernen hoffnungslos überfordert. Die können sich einfach noch nicht selbst organisieren mit ihren acht oder neun Jahren.
Für die leistungsstarken Kinder ist es auch in Ordnung... die lernen ja eh immer gut und erreichen die Unterrichtsziele, egal, was wir für Methoden anwenden. Und ich habe immer extra Aufgaben für sie und mache regelmäßig Knobel-Förderunterricht.
Die Eltern meiner Schüler haben mir übrigens auch signalisiert, dass sie so sehr zufrieden sind.
Und von daher ist das jetzt die Methode, die für mich und meine Klasse prima passt... und ich will gar nicht so ganz genau wissen, ob das denn auch alles ganz korrekt ist.
Übrigens habe ich IMMER ein freies Wochenende... ich bestehe darauf und arbeite da prinzipiell nicht.
Ausnahmen gibt es nur in besonderen Zeiten... Vorbereitung Elternsprechtag oder Zeugnisschreiben oder so.
Und Forenbeiträge schreibe ich natürlich auch ...