Ich finde Erpressungen unter Kindern relativ normal. Haben wir das nicht alle getan? "Wenn du das nicht tust, bin ich nicht mehr deine Freundin/darfst du nicht mehr in meine Buddelkiste/...!"
Mit diesem Gedanken nimmt man der Situation die Dramatik. Nichtsdestotrotz darf man es als pädagogische Kraft nicht darauf beruhen lassen. In der Grundschule kommen solche Fälle immer vor. Kinder probieren halt aus, wie sie Macht über andere gewinnen. Das ist im Erwachsenenalter eine lebensnotwendige Erfahrung. Eine lebensnotwendige Erfahrung ist aber auch, wie man damit umzugehen hat, wenn man selbst so erpresst wird. Dabei dürfen wir unsere Kinder nicht allein lassen. Und da setze ich an: ich versuche - ganz allgemein - mit meiner Klasse zu besprechen, wie man am besten reagiert, wenn ein Kind ein anderes erpressen will. Wenn mir also so ein Fall zu Ohren kommt, tröste ich die Eltern erstmal mit dem Gedanken, dass Kinder solche Erfahrungen leider machen müssen und dass sie bitte Ihrem Kind die Seele stärken sollen, indem sie von sich als Kind berichten, den Rest - in der Klasse - mache ich.
Dann trete ich vor meine Klasse und erzähle ihnen, dass Kinder ganz lieb sein können, aber manchmal auch ganz schön gemein. Dann denke ich mir eine ähnliche Geschichte aus wie vorgefallen ist und lasse die Kinder entscheiden, wie das Opfer-Kind reagieren könnte oder auch die umstehenden Kinder. Dabei ganz groß im Kurs: sich von dem Täterkind abwenden und andere Freunde suchen, Rache ("Dann darfst du auch nicht mehr mit meinem Barbiepferde spielen"), dem betreffenden Kind sagen, dass es gemein ist. Kein Kind will gemein sein! Vielen ist nicht klar, dass sie gemein sind, wenn sie andere bedrohen.
Meist reicht das, denn die Kinder kennen das Täterkind in der Klasse genau und sagen es in dieser Stunde meist laut. Das wiegle ich aber ab mit den Worten: "Ja, xy hat das vielleicht gemacht, aber andere in dieser Klasse auch schon und in anderen Klassen auch. Aber das heißt nicht, dass er/ sie das auch weiter macht, wenn sie/er weiß, wie gemein das ist. Aber das vergisst man halt manchmal."
Dann habe ich noch meine Stunde "Gemeinheit oder Erpressung". Am Anfang stelle ich klar, dass manches Gemeinheit ist und anderes Verhalten schon Erpressung. Die Grenze ist dann erreicht, wenn der Bedroher das immer wieder tut, Geld oder Dinge erpresst oder dritte bedroht (dann haue ich deine Schwester - das lasse ich aber meist weg, um die Kinder nicht auf noch schärfere Gedanken zu bringen). Dann habe ich einige Fallgeschichten, die die Kinder in kleinen Gruppen lesen und entscheiden sollen, ob es sich hier um Gemeinheit oder Bedrohung handelt. Sie sollen in der Gruppe entscheiden, wen den anderen den Fall vorliest und, wer vorträgt, wie sie den Fall einschätzen und warum. Am Ende gibt es ein Arbeitsblatt, auf dem nochmal Aussagen stehen, die man in Gemeinheit- oder Bedrohung-farbe umranden soll. Manche müssen/können dann auch zweifarbig werden. Das Blatt ist auch für die Eltern, damit sie merken, dass wir mal drüber gesprochen haben.
Beides reicht nach meiner Erfahrung um diesen kindlichen Exessen Einhalt zu gebieten.
Anders liegt der Fall natürlich, wenn Dasie immer wieder das Opfer-Kind ist (das ist dann Mobbing) oder wenn Fiona einen Ring von Kindern um sich ringt, die die von ihr ausgehende Bedrohung überbringen, sich also mafiöse Strukturen entwickeln. Dann braucht es härtere Mittel.