Vielen Dank für die Meinungen. Und keine Angst, ich sehe das recht Ähnlich, ich habe sicher kein antiquiertes Bild von SU. Bei mir im Unterricht werden natürlich auch die Leistungsbereitschaft und die Leistungsverbesserungen berücksichtigt. Ich reflektiere schon auch den Sinn meiner Bewertungen. Diese Note mit den Wiederholungen in einer Minute wird nur einen ganz kleinen Teil der Gesamtnote ausmachen.
Eines muss ich aber sagen: Nur weil ich in Sport auch schlechte Noten gebe und weil ich mit manchen Teilnoten die Fitness der S messe und bewerte, lasse ich mir sicher nicht den Vorwurf der Diskriminierung und schon gar nicht des abstrusen, antiquierten Sportunterrichts zur Wehrselektion machen. Aus folgenden Gründen:
Viele sehen den SU insgeheim als Schonbereich für die Schülerinnen und Schüler. Es soll nach Möglichkeit ja nichts schlechter als 3 bewertet werden. Eine 4 wird oft schon als völlig absurd angesehen und alle schreien gleich "Diskriminierung!". Meine Meinung: Klar, werde ich die Leistungsbereitschaft, die Motivation, den individuellen Leistungsfortschritt etc. berücksichtigen, aber solange Sport ein ganz normales, versetzungsrelevantes Fach ist, werde ich den gesamten Notenbereich zur Anwendung bringen. Ich habe auch schon 5en im Zeugnis in Sport gegeben. Da waren eben weder Fitness, noch Talent, noch Leistungsbereitschaft zur Verbesserung, noch Fairness, noch eine angemessene Arbeitshaltung gegeben. Da geb' ich sicher keine 3 mehr.
Eine weitere Sache: Das Argument der Diskriminierung wird immer angebracht. Wenn jemand kein Talent in Mathe hat und er auch bei größter Anstrengung die Aufgaben nicht lösen kann, wird er dann auch diskriminiert, wenn er eine 5 in der HÜ schreibt? Das Problem beim Sport ist, dass die körperlichen Nachteile für jeden sofort ersichtlich sind. Die mentalen Nachteile sieht man nicht. Manche sind einfach mathematisch begabter als andere. Und manche sind eben körperlich begabter als andere. Warum ist das eine Diskrimierung und das andere nicht? Klar, muss ich im Sport die physische Konstitution der S berücksichtigen, aber berücksichtigen andere Fächer die psychische Konstitution im gleichen Maße? Ich glaube nicht.
Hieraus ergibt sich ein weiteres Problem: Man diskriminiert auch die guten S, wenn diese sehr gute Leistungen bringen, sich anstrengen, Leistungsbereitschaft zeigen etc. und diese dann aber sehen müssen, dass jemand, der offensichtlich Klassen schlechter ist, noch ne 3- bekommt, weil es ja sonst diskriminierend wäre. Dass der erstgenannte S aber in Mathe oder Englisch die 5 bekommt, während der zweitgenannte die 1 bekommt, findet niemand verwerflich. Die S wissen selbst sehr gut, auf welchem Niveau sie sich bewegen und können sich selbst sehr gut vergleichen. Gerade die Übergewichtigen (um die es bei dem Argument der Diskrimierung ja meistens geht) wissen oft sehr genau, dass die 3 für ihre absolute Leistung, die viele Sportlehrer im schlechtesten Fall geben, in keinerlei Verhältnis zu der 1 des fitten Vereinssportlers steht.
Warum soll man also nicht auch mal die Fitness der S bewerten und den guten dafür auch eine gute Note geben? Das ist nun mal sehr gut machbar mit messen von Zeiten, Längen, Wiederholungen, Höhen, was auch immer. Vielen S macht auch gerade das Spaß und motiviert sie. Das wegzulassen würde viele bestrafen. Man hat ein Ziel vor Augen, kann darauf hinarbeiten und sieht vor allen Dingen ganz konkret die Verbesserungen (die man ja, wie gesagt, auch bewerten sollte). Das hat gar nichts, aber auch gar nichts, mit Wehrertüchtigung zu tun und ist auch keinesfalls absurd, wenn Teile der Note auch so festgestellt werden. Wenn jemand hart trainiert und dann 150 Durchschwünge in der Minute schafft, dann sage ich Bravo und gebe ihm gerne die 1. Wenn man für solche Noten (oder sogar für solche Leistungen) "ganz bestimmt keinen Respekt" hat und immer sofort mit dem uralten Handgranatenweitwurf-Vergleich kommt, dann finde ich das zumindest schade. Darf ich dann auch keine Vokabeltests in Englisch mehr schreiben und messen wie viele der 20 gelernten sich die S behalten konnten? Sonst laufe ich ja Gefahr, die zukünftigen Dolmetscher zu "selektieren."
Spaß am Sport zu vermitteln ist mein übergeordnetes Ziel im SU. Aber Leistung und Anstrengung und hart für Verbesserungen arbeiten, bin ich nicht bereit komplett auszuklammern. Auch körperlich benachteiligte S haben bei mir eine faire Chance eine ordentliche Note zu bekommen. Sie sollen ja im besten Fall sogar lernen, dass Sport Spaß machen kann und zur Bewältigung ihrer körperlichen Probleme beitragen kann. Dazu müssen sie aber auch lernen, dass hierfür körperliche Anstrengung nötig ist. Wenn ich ihnen aber durch meine Notengebung sage, wenn Du mit 16 Jahren keinen einzigen Sit-Up und keinen einzigen Liegestütz schaffst, nur 30cm hochspringen kannst, für 100m 23s brauchst oder eben nur 40 Durchschwünge mit dem Seil in einer Minute schaffst, dann ist das vollkommen "befriedigend", dann gebe ich ihnen ein falsches Signal. Deswegen messe ich auch weiterhin im Sportunterricht.