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An vielen Schulen gibt's kaum Möglichkeiten für einen Kompromiss. Oftscheitert es schon an der Kommunikation zwischen Kollegium/ÖPR und SL.
Mancher Kollege hat selbst schon erlebt, dass "nein" sagen bzw. der SLzu erklären, warum es dieses Mal nicht geht oder zu viel ist,
gesundheitlich, kaum möglich ist.
Diese Ehrlichkeit, zu sagen, dass es einem zu viel ist, wird häufigbestraft - wer sich gleich komplett krankmeldet bekommt dagegen gute
Besserung gewünscht und keine weiteren Fragen gestellt.
Deswegen kann es auch nicht sinnvoll sein, den Rückzug in die innere Emigration zu propagieren oder die Flucht in die Krankheit oder das Minimalistentum. Das kann eine superkurzzeitige Lösung für en Notfall sein, hält aber auf Dauer auch nicht gesund - Arbeitszufriedenheit besteht nämlich nicht, oder nicht für jeden, aus "so wenig wie möglich". So lange der Prozess der Verbesserung der Arbeitsgesundheit ein individueller Prozess bleibt, und jeder nach sich selbst schaut, wird es darauf hinauslaufen, dass der eine auf Kosten des anderen gesund zu bleiben versucht, die Gräben tiefer werden, das Gefühl der Isoliertheit auf beiden Seiten des Leistungswilligkeitsspektrums größer.
Man muss dabei auch beachten, dass Leistungswille nichts an sich Schädliches ist. Ich halte es für äußerst destruktiv, unter Beamten/Lehrern/... diejenigen Menschen zu diffamieren, die Spaß an Leistung haben. Das tun wir - hoffe ich - auch nicht bei unseren Schülern. Ich erlebe es oft, dass sowohl die KollegInnen unschön kommentiert werden, die gerade nicht gut aufgestellt sind, und nicht gut leisten können, als auch die, die vor Energie und Ideen strotzen und das auch ausleben wollen - denen dann nachgesagt wird, sie verderben die Preise/hängen die Latte hoch, usw. Beides ist ein gesundheitlicher Killer - die Isolation, wenn du gerade nicht rund laufen kannst, genauso wie Spott/Häme und Gegenwind, wenn du deine Energie in den Arbeitsalltag einbringen kannst und willst, aber nicht sollst. Kurz: unfreiwilliges Ausgebremstwerden ist so ungesund wie unfreiwilliges Angetriebenwerden. Bei jedem, der nicht kann, den Verdacht zu haben, dass er nicht will, faul ist und mauert, ist ebenso unfair, wie jedem, der kreativ und belastbar und glücklich im Tun ist, nachzusagen, er schleime/gebe an/sei unsolidarisch.
Es muss Platz für jeden davon sein, und für all die vielen auf den anderen Stufen der Skala. Und: man kann davon ausgehen, dass jeder von uns im Leben einmal oder mehrfach in der Nähe des einen oder anderen Pols landet. (Natürlich gibt es auch die wenigen (!!), die nie wollten und wirklich stinkfaul sind, oder diejenigen, die nur hyperaktiv werden, um "nach oben" zu kommen, aber wegen dieser paar Wenigen muss man nicht aufhören, daran zu arbeiten, dass die Bedingungen besser werden, so weit man das im Kleinen kann. Für's Große engagiert man sich dann noch anderswo.
Solidarität im Sinne einer kontinuierlichen und echten Kommunikation darüber, wie am Dienstort Geben und Nehmen gerecht gestaltet werden kann, wie Lehrergesundheit vor Schulprestige stehen muss, wie individuelles/r Leistungsvermögen und -willen jeweils ihren Platz finden, kann nur gemeinschaftlich erfolgen. Innerhalb jeder Schule, aber auch innerhalb größerer Systeme. Daher kann meiner Erfahrung nach es auch nur die Lösung sein, sich auf diesem Feld besonders zu engagieren, und zwar unabhängig davon, zu welcher Gruppe man gerade gehört. Dieses Engagement lohnt sich immer.
Ich habe das Glück, dass eine meiner Fachschaften mittlerweile (war nicht immer so, im Gegenteil!) eine solche ist, wo ständig gemeinsam geschaut wird, wie man das Minisystem so optimieren kann, dass es allen hilft: denen, die wollen und können und denen, die brauchen. Und es funktioniert - in Form von ständigem Austausch am "Anglistentisch", riesigen Materialpools, selbstverständlicher Geberkultur, einer eingeschliffenen, routinierten und echten Solidarität, die eigentlich in den letzten 10 Jahren unkaputtbar war und auch weniger leisten könnende Kollegen dauerhaft und ohne "Herabschauen" mitgetragen hat, ohne den anderen die Bremse anzulegen.
Das kenne ich aber nicht aus meinem anderen Fach und schon gar nicht häufig aus anderen Schulen. Warum die Kommunikation über solche Strukturen so schwierig zu implementieren ist, weiß ich auch nicht. Ich vermute mal, es braucht eine Gruppe, die anfängt und einen extrem laaaaangen Atem hat - und eine Leitung, die den Sinn darin erkennt - und der besteht schlussendlich auch für die Struktur. Es lohnt sich.
Das Gleiche kenne ich von Schulen, die hoch demokratische, partizipative Strukturen geschaffen haben, in Form von Dienstvereinbarungen und Gesamtkonferenzbeschlüssen, aber auch in Form von Kommunikationsstrukturen, die gut sind und offen für jeden Lehrertyp. Da sind solche Fragen wie "wer guckt und rechnet, ob die anderen beim T.d.o.Tür/Schulfest/xyz da sind oder nicht", gar nicht notwendig, weil eine Vertrauensbasis darüber besteht, dass es schon nicht ausgenutzt wird, sondern nur fehlt, wer es wirklich nötig hat.
Und natürlich wäre es wünschenswert, wenn diese Art der Kommunikation auch im weiteren Kontex des Sprechens über Lehrerarbeit - sei es der Bezirk/das Schulamt oder das Land oder in den Communities - gelernt werden könnte.
Wir sind verschieden und auch verschieden belastbar. Die nicht-Belastbaren bekommt man am besten mit guten Arbeitsbedingungen wieder ins Boot, mit support, und mit Großzügigkeit an vielen Stellen. Und dafür hat man eigentlich immer ein paar gerade gut Belastbare, die sich austoben möchten und die wissen, dass sie, wenn sie mal abschwächeln, aufgefangen werden von denen, die dann gerade oben schwimmen. Das ist die Grundhaltung, von der ich mir wünschen würde, sie wäre in Kollegien verbreiteter. Dass sie möglich ist, erlebe ich selbst öfter in diversen Bereichen meiner Jobs - daran, dass es mit Lehrrn nicht geht, liegt's offensichtlich nicht. Eher daran, ob man sich zutraut, mal anzufangen und dann die Geduld hat, dran zu bleiben.
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@Meike. bringtdurch Verweis auf die Dienstpflichten uns alle auf ganz glattes Eis.
Jeder (!) von uns kürzt irgendwo, niemand bringt in allen Bereichen die volle Hingabe, die §54 fordert.
Nein, das ist kein glattes Eis, das ist die Rechntsnorm auf der der Beamtenstatus fußt.
Zur Art, wie ich ihn lese, siehe dieser Beitrag hier.