Das mit den Pausen ist so lächerlich. Das, was bei uns "Pause"heißt, hieße anderswo "Meeting".
Ja, das ist eines der vielen Dinge, die man einfach mit anderen Jobs nicht vergleichen kann. Und da hilft reine Arbeitszeit aufschreiben eben nicht mehr weiter.
Ich glaube, noch deutlicher ist der Unterschied in der Belastung, wenn man nicht nach Arbeitszeit, sondern Arbeitsintensität geht.
Da bewegen wir uns dann aber in einem Bereich, der gar nicht mehr verifizierbar, der aber - so glaube ich - gesundheitlich das eigentlich Entscheidende ist.
Ich rede mal von mir, auch wenn ich weiß, dass ich da mitnichten die Einzige bin:
Ich habe derzeit ein Tätigkeitsfeld, bei dem etwa ein Drittel/Hälfte meines Jobs Büroarbeit ist, und zwar anspruchsvolle Arbeit, auch mit hoher Verantwortung (Verhandlungen mit Amtsleitung und Dezernenten), und Verwaltungsarbeit.
Der andere Teil ist Unterricht in diszplinproblemfreien Oberstufenklassen.
Bis auf Sitzungsleitung und kitzlige Dienstgespräche ist Unterricht bzw. das Tätigkeitsfeld in der Schule immer anstrengender obwohl es zeitlich insgesamt nicht mehr ist, es ist auch was die Verantwortung angeht nicht mehr, aber es strengt mehr an. Obwohl ich nullgarkeine Diszplinprobleme und nur liebe Kurse habe. Die ich mag. Die mich mögen. Mit denen ich fachlich gut vorankomme. In einer Schule, an der ich gerne bin. Fachlich breche ich mir auch keine Zacken aus der Krone, da bin ich fit. Trotzdem: Es schlaucht deutlich, deutlich mehr.
Ich habe mich, als ich das feststelle, gefragt, warum - ?
Ich habe keine eindeutigen Antworten gefunden, außer, dass ich (und alle Mit-GPRen und ex-Lehrer-Verwaltungsbeamte im SSA und an Schulen, die ich kenne) dasselbe sagen: nichts ist so anstregend wie "an der Front". Auch wenn's gut läuft und Befriedigung bringt (und wenn dem nicht so ist, ist es die gesundheitsgefährdende Hölle schlechthin, aber das ist ein anderes Thema).
Und wieso ist das so?
Vielleicht ist es das hier:
- Dauerpräsenz: 40-60 Augen sind ständig auf einen grichtet. Man kann sich keine Sekunde Schwäche erlauben. Bzw man könnte vielleicht schon..? Aber man tut es nicht. Kein kurzes Wegschalten (kann ich im Büro), kein Nasebohren (würde ich NIE tun im Büro ), keine Dehnübung für die Nackenmuskulatur oder kurzes Augenschließen, keine Chance, diese email zwei- oder dreimal zu lesen, wenn die Konzentration nicht gut ist (Schülerbeiträge müssen beim ersten Mal verstanden und eingeordnet und darauf reagiert, gewertschätzt, verwendet werden), Reaktionen müssen sofort erfolgen, es gibt keine Ablage (!!) für Schülerfragen/verhalten. usw. Ihr versteht, was ich meine?
- Entscheidungsdichte: Im Klassenraum werden seriell Entscheidungen getroffen. In wuseligen Klassen jede paar Sekunden eine, bei mir in der Oberstufe nicht so, ich kann auch bei ner Stillarbeit mal rumgehen und grad mal nix entscheiden, aber ich muss es jede Sekunde können. Planänderung, Gesprächsformänderung, Reaktion auf dies oder jenes, Medienänderung so oder so, kürzen, straffen, dehnen, wiederholen, rephrasieren, antworten, offen lassen, Lockerung durch Witzchen, Unterbrechen und Ansprache halten, mahnen, durchwinken, auf etwas fokussieren, einordnen, nicht einordnen und so stehen lassen, ablenken, vertiefen jetzt oder später, zurückführen, Kreise schließen, loben, anerkennen, weiterverweisen, usw., usf. Und: jede falsch getroffene Entscheidung im Untericht hat sofort Konsequenzen. Das ist bei anderer Arbeit auch nicht so: dann überarbeiteste es halt nochmal. Machst es neu. Anders.
- Unmittelbarkeit: Im Büro gibt es Anfragen oder Aufträge, die leg ich weg. "Erstmal die Rechtsstelle fragen um sicher zu gehen" oder "Les ich morgen genauer, kapier ich heute nicht auf Anhieb" oder "Nervt mich jetzt, mach ich später" ... Das ist meine Entscheidung. Selbstbestimmt. Im Unterricht ist man fremdbestimmter, finde ich. Es muss JETZT passieren und es muss kompetent, konsequent sein und es muss sitzen. Und: "Da frag ich die anderen, hab ich jetzt keine Meinung zu": es gibt im Unterricht kein Team, kein Netz wie bei den meisten Jobs mit Verantwortung: ich treffe meine Entscheiungen alleine. Und trage die Konsequenzen allein und sofort. (Jeder Dezernet oder Sachbearbeiter im Amt kann den Juristen fragen. Ich im Büro auch. Oder meine Gewerkschaft, mein Gremium, die Gremien anderer Bezirke. Ich habe Backup).
- Dauerarbeit: Ich habe in der Schule keine Pausen. Lehrerzimmer ist keine Pause. Außer ich geh in einen leeren Klassenraum. Was irgendwie keiner macht. Und wenn doch: dann gibt es da dann so viel Ruhe, dass man ja andlich mal gescheit was arbeiten könnte? Im Büro geh ich runter in die Cafta und da GIBT es nichts zu tun. Und es redet auch keiner über die Arbeit mit mir. Die wissen ja gar nicht,w as ich da so mach
Feierabend gibt es schulisch auch nicht. Ich bin nie fertig. Aus dem Büro darf ich aus Datenschutzgründen nichts mitnehmen an Daten. Was nicht fertig ist, bleibt da. Ich darf nicht mal ne automatische Weiterleitung von mails machen. Erst hat mich das geärgert, mittlerweile bin ich mir nicht ehr so sicher. Ich bin, wenn ich mir nicht Sachen auf den Kopierer lege und sie mit heim trage, fertig, wenn ich die Tür rausgehe. Ich trage zwar oft was heim, aber das ist eine Menge, die dann "fertig gemacht" werden kann. Also endlich. Schulisch nicht. Ich könnte immer was machen. Es gibt kaum abgeschlossene Arbeiten, das Schuljahr kann man ja nach oben offen beliebig genau planen, Klausuren optimieren, Material erstellen, überarbeiten, erneuern...
Ich weiß nicht, ob das als Erklärung reicht. Irgendwie reicht's mir noch nicht. Aber das ändert nichts daran: nichts ist so anstrengend wie Schule.
Zumindest kein Verwaltungsbürojob, auch nicht die spannenden und verantwortlichen, die auch anstregend sind wie meiner: da ist auch hohe Konzentration angesagt. extreme Genauigkeit, Sachkenntnis, Verwaltungskenntnisse, Rechtskenntnisse, auch Empathie und Diplomatie und alles mögliche andere - aber es schlaucht einfach nicht so. Sagen alle, die ähnlich arbeiten.
Und daher glaube ich zunehmend: in der Schule ist die Crux die Arbeitsintensität, neben der Arbeitszeit. Und wie man die erheben, beschreiben, evaluieren könnte, da bin ich überfragt. Interessiert mich aber.
Ist Arbeitsintensität eigentlich jemals untersucht worden? Kennt da einer was?