Das kann man natürlich so sehen, das mit den no-brainer. Dann sieht man eine Gewerkschaft als reinen Lobbyverein für die eigenen Interessen. Das finde ich sogar nachvollziehbar, wenn man so tickt, dass die eigenen Interessen relativ unabhängig von denen anderer betrachtet werden. Viele sehen das so und viele richten ihr Leben so aus.
Wenn man es als maybe-more-than-you-guess-brainer betrachtet ;), also ein bisschen nach mehr Faktoren als den eigenen Interessen differenziert, kann man es auch anders sehen.
Ein gutes Drittel, in vielen Bezirken mehr, der Mitglieder der GEW sind hier Gymnasiallehrer. Jetzt könnte man sich fragen, warum dem so ist. Eine Antwort wird sicher nicht stimmen: weil die alle bekloppt sind. Das ist ja immer der fixe Erklärungsmodus, wenn Menschen nicht den eigenen Ansichten folgen und man keine Lust hat, sich mit deren Ansichten zu beschäftigen.
Befragt man die Gymnasialkollegen, die Mitglied sind, kommen fast immer folgende Antworten:
- Es geht mir nicht nur um die Schlüsselversicherung und den Rechtsschutz für mich, sondern um Bildungsgerechtigkeit, also Schulen, in denen alle Kinder Chancen haben und ich nicht mehr in der Rolle bin, nur zu selektieren.
- Mir geht's sehr wohl um die Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung, und ich hätte gerne eine Rechtsstelle, die auch mehr als einen Mitarbeiter hat und erreichbar ist. Bei 280.000 Mitgliedern eher zu erwarten als woanders.
- Mir ist es wichtig in einer Gewerkschaft zu sein, die einen gesamtgesellschaftlichen Blick hat und auch politische Fragen diskutiert und zwar mit einer mitte-linksigen oder jedenfalls nicht-rechtenTendenz.
- Ich gucke gerne über den Tellerrand und komme gewerkschaftlich und auch sonst gerne in Kontakt mit Menschen, die außerhalb des Gymnasiums unterrichten, ich profitiere davon. Ich muss mich nicht über Grundschullehrer erheben und ich sehe mich nicht als "oben" in einer Lehrerhierarchie, ich weiß, dass ich von der Arbeit der Grundschulkollegen lebe und die von der der Erzieher usw.
Oft sind das dann auch die Kollegen, die sich in der gewerkschaftlichen Arbeit engagieren.
Ich für meinen Teil bin damals rein, weil es die einzige Gewerkschaft schien, die eben nicht nur ein reiner Lobbyverein ist und auch nicht so wahrgenommen wird. Ich habe in England an einer Gesamtschule mit Inklusion unterrichtet, fand nicht alles gut, aber auch wirklich nicht alles schlecht - wie derzeit am Gymnasium auch - und bin nicht notwendig auf das Gymnasium fixiert. Ich bin allerdings auch kein absoluter Gegner des dreigliedrigen Schulsystems, aber auch kein auf-Teufel-komm-raus-Verfechter. Ich bin da unideologisch. Ich glaube nicht, dass es am Schulsystem liegt. Ich erlebe hervorragende (selten) und beschissene (oft) Arbeitsbedingungen an allen Schulformen. Die meisten Länder der Welt haben Gesamtschulen, aber es gibt dort in allen Bereichen solche und solche. Und ich kenne keine Studie, die nachweisbar Lernerfolg an Schulform/system binden kann. Ich kenne hingegen sehr viele Belege dafür, dass an gut finanzierten, gut geführten, gut ausgestatteten Schulen mit hervorragenden Arbeits- und Lernbedingungen gut gearbeitet und auch gut gelernt werden kann. Und das will ich für alle Schulen, und was da vorne dann für ein Schul(form)name draufsteht ist mir sowas von wumpe.
Im Zweifelsfall ist das Schulformgedöns eh unerheblich, da das Gymasium trendmäßig / faktisch derzeit schon die "Schule für alle" ist oder wird ... Kann man jetzt mögen oder hassen. Innerhalb der jüngeren GEW jedenfalls war die "Abschaffung des Gymnasiums" auch schon lange kein Thema mehr. Wird wohl realitätskonformistisch auch keins bleiben. Mir aber ehrlich gesagt auch völlig wurscht. Ich glaube, siehe oben, es hängt nicht an der Schulform, sondern an der personellen Ausstattung, der Qualität der Ausbildung und den Arbeitsumständen/bedingungen, der Art der Führung, und einigen anderen Faktoren, ob Schule gute Arbeit leisten kann und für Kollegen und Kolleginnen ein gesunder Arbeitsplatz ist, oder nicht. Und dafür kämpft die GEW schulformübergreifend, das gefällt mir.
Ich persönlich mag auch die Tatsache, dass große Meinungsvielfalt herrscht aufgrund der Tatsache, dass vom Erzieher bis zum Professor alles vertreten ist, an der ich mich oft auch reibe und mich ganz erheblich streite, aber auch viel lerne und schon unglaublich viel Input von Grundschul-, Haupt&Realschul und Förderschulkollegen bekommen habe, der meine Sichtweise, die doch zu Berufsanfang recht gymnasial verengt war, erweitert hat - und dass trotz erheblicher Differenzen und Streitbarkeit am Ende doch die Solidarität die Grundeinstellung ist.
Mir persönlich gefällt die unglaubliche Bereicherung des über-den Tellerrand-Schauens der bezirksweiten Personalratsarbeit und der Arbeit in Arbeitsschutzausschüssen und in Rechtsfortbildungen und Schulungen, usw. Das ist aber ein Bonus, den man nur hat, wenn an sich aktiv engagiert.
Das ist - und so muss es auch sein - ein persönlicher Ansatz sich eine Gewerkschaft auszusuchen, der sicher nicht jeden trifft. Wer es kuscheliger mag und weniger kontrovers, wer nur seine Interessen vertreten sehen will und nicht nur "unter anderen auch seine", der muss sich woanders ein warmes Plätzchen suchen.
Ich für meinen Teil muss auch nicht dauernd über andere Gewerkschaften und Verbände ablästern, das empfinde ich als eher peinlich. Ich finde, man kann da an vielen Stellen zusammen arbeiten und in den Personalräten gelingt das Gottseidank (sprach die Atheistin ) auch überwiegend sehr gut. Das Geblöke und Geschubse findet sich eher nur in ...Lehrerinternetforen?
Nur unorganisiert sein und dann jammern, das - geht mir echt auf den Sack.