Nee, das ist ja auch meine Dauerkritik am Referendariat, dass es so wirklichkeitsfremd ist. 7seitige Entwürfe für eine einzige Stunde, was ein Quatsch. Fachleiterzentrierter Unterricht, und durch die ständige Auseinandersetzung mit Kleinigkeiten eine Übersensibilisierung für's Unwichtige.
Danach der Schock: 26 Stunden Unterricht in ich weiß nicht wie vielen Klassen, Arbeiten bis zum Umfallen wegen UB-trainiertem Perfektionswahn, Zillionen administrativer Aufgaben, weniger Zeit für den einzelnen Schüler, weil man plötzlich 150 davon hat - plus ein ewig schlechtes Gewissen deswegen, Korrekturmarathons ohne Korrekturerfahrung, und das schwierige Lernen des Backens vieler kleiner Brötchen. Dazu Aufgaben, von denen ich bisher GAR keine Ahnung hatte: Tutorenjob, Abitur.
Darauf hat mich das Referendariat nicht vorbereitet - und die Zeit danach war die schwierigeste Zeit in meiner bisherigen Lehrerkarriere.
Ich hatte zum Glück tolle Kollegen, die mir mit Rat, Tat, Material, Telefonseelsorge und super Tipps weitergeholfen haben - und dieses Forum.
Den ganz neuen Kollegen an unserer Schule versuche ich jetzt ähnlich weiterzuhelfen, vor allem mit dem Rat sich so schnell wie möglich von den 26-perfekte-Stunden-Wahnideen zu lösen und mit fertigen Reihen zu verschiedenen Themen - aber ich beobachte sie trotzdem, wie sie gähnend und überarbeitet durch die Gegend eiern und sich schwer tun.
Ich weiß nicht, ob die Uni da viel Hilfe bieten kann. Das Referendariat könnte man aber schon dahin gehend ändern, dass von den Referendaren eher viele Stunden angeguckt werden, dafür aber eher Alltägliches verlangt wird, die Entwurfschreiberei kann man meinetwegen abschaffen, auch die Grundsatzdebatten im Seminar (das kann man an der Uni bereits gemacht haben) - dafür sollten dort mal alltagstaugliche Dinge getan werden: Zusammen mal ein paar tatsächlich anfallende Klausuren konzipieren, einige gemeinsam korrigieren, eine alltagstaugliche, abiturrelevante Reihe ohne größeren Budenzauber planen, überhaupt nicht mehr so viele Einzelstunden, sondern ganze Reihen planen und Halbjahresthemen im Überblick im Auge behalten, Elterngespräche simulieren, Zeugnisnoten anhand von aktuellen Fällen vergeben üben, Zeitmanagement üben (wie lange darf ich bei 26 Stunden eigentlich eine Stunde planen, was ist das Minimum, das ich für eine Stunde haben muss, wie sortiere ich Planungen und Korrekturen so, dass ich eine ganze Woche im Griff habe) etc.
Haben wir nie gemacht. Wir haben dafür für einen Spezialfall 7 verschiedene sensationelle Einstiege geplant - die allein schon wieder so viel Vorbereitung benötigten, dass kein Lehrer sie jemals durchführen würde, wenn er nicht gerade einen persönlichen Assistenten für Einstiege eingestellt hat.
Und die derzeitigen modularisierten Referendare müssen noch größeren Quark machen: sie haben z.B. Module wie "Erziehen und Beraten" und sollen DAZU in einem Fachunterricht eines Lehrers einen UB machen. Nun ist meine tolle Ref'in C aber gerade bei mir in zwei LKs unterwegs: Shakespeare im einen, Romanticism im anderen. Was soll die da denn jetzt machen unter dem Motto "Erziehen und Beraten"? Wir haben schon rumgeblödelt, dass ich doch am Tag vor dem UB bitte ein paar Schüler ungerechtfertigterweise zusammenfalten soll, damit sie am nächsten Tag gekonnt eine Beratung durchführen kann... so'ne Fürzchen, aber auch!
So lange dieser Hirnriss weiter so bleibt, kann man nicht erwarten, dass Junglehrer sich leicht tun.
Das ist aber auch bei den Schulleitungen noch nicht recht angekommen: die stürzen sich nämlich auch gerne auf die ganz Frischen und verdonnern sie zu AGs hier, Projekten da, Zusatzaufgaben am einen und Innovation am anderen Ende.
Ist schon alles verrückt...
Dir, Carla-Emilia, wünsche ich gute Nerven und weiterhin gute Unterstützung von deinen Kollegen!
Lieber Gruß
Heike