Danke dafür, Line!
Zum Thema: Ganz wichtig finde ich eine Idee davon zu bekommen, wann und wie man als Lehrer genau ansetzen kann.
Präventiv duch Aufklärung, das ist klar. Aber was, wenn man einen konkreten Verdacht hat? Meiner Erfahrung nach ist das der schwierigste Teil. Die meisten, die unter einer Essstörung leiden, geben das ja nicht mal (immer) vor sich selber zu - da ist ein offenes Gespräch oft schwierig.
Einfach die Eltern anrufen und Panik verbreiten, ist zuerst auch nicht das Mittel der Wahl - das führt meist dazu, dass die Schülerin sich hintergangen fühlt und das Vetrauen flöten geht.
Ich bin diesem Thema schon ein paar Mal begegnet und fand diesen ersten Schritt immer den schwierigsten. Einige Male haben mehrere Gespräche, zunächst "nur" über meine Beobachtungen (nachlassende Leistung, Unkonzentriertheit, körperliche Schwäche, Traurigkeit oder Emotionslosigkeit) ohne Nennung des Wortes "Essstörung" schon geholfen, dass sich die entsprechenden jungen Damen (zumindest zum Teil) geöffnet haben - aber es war unendlich schwierig, eine Zustimmung zu einem Gespräch mit den Eltern zu bekommen. Macht es Sinn, dieses Gespräch auch ohne die Zustimmung der Schüler zu suchen? Wird dann zhause alles noch komplizierter (heißt: fühlen sich die Schülerinnen dann noch eher unter Druck, zuhause zu lügen/verheimlichen/verstecken?) - wann genau muss man als Lehrerin auch gegen den Willen der Schülerin eingreifen und wann sollte man noch abwarten und darauf hoffen, dass die Gesprächsangebote angenommen werden?
Diese zeitliche Grenze finde ich ganz schwer zu finden.
Mal habe ich erlebt, dass bei solchen Gesprächen der "Damm brach" und die Schülerin heilfroh schien, endlich alles "herauslassen zu können" (in einem Fall hatte das sogar einen beginnende Therapie zur Folge), mal habe ich erlebt, dass ab dann total blockiert wurde und das Versteckspiel erst richtig anfing.
Einmal ging das soweit, dass die Schülerin die Eltern davon zu überzeugen versuchte, ich hätte mich in einen Wahn hineingesteigert, sie sei essgestört und ich wäre völlig paranoid. Zum Glück haben die Eltern das ganz und gar nicht so gesehen, sondern waren sehr dankbar, dass auch die Lehrerin ihre Wahrnehmung bestätigte und sie haben mit mir sehr konstruktiv zusammengearbeitet, allerdings konnten auch sie bis zum Abitur der Schülerin nichts erreichen: sie stritt vehement alles ab, log, aß nur, wenn sie beobachtet wurde ("Seht ihr, ich esse doch!") ... und trotz mehrerer Angebote, auch nach dem Abi zur Verfügung zu stehen, habe ich nie mehr etwas von ihr gehört.
Die Frage ist also: wie weit kann man als Lehrerin gehen, wann greift man ein, wann versucht man, nur mit der Schülerin zu reden und ab wann muss / soll man die Eltern benachrichtigen?
Das finde ich am allerkniffligsten, besonders bei volljährigen Schülerinnen.
Außerdem haben wir als Lehrer - auer dem pädagogischen Fingerspitzengefühl - wenig Anhaltspunkte darüber, wie viel Druck man ausüben kann oder soll, und wann das keinen Sinn macht.
Wenn eine Schülerin blockiert, weil sie ihre Magersucht gar nicht loslassen möchte, aber schon besorgniserregend schwach ist - wie lange kann ich es dann beim Angebot "da zu sein" belassen, und wann muss ich "radikaler" eingreifen? Wenn, dann wie? Was, wenn die Familie es auch nicht wirklich wahrhaben will und die Gefahren nicht kennt?
Wo enden meine Möglichkeiten, wo fangen sie an? Auch rechtlich ist da vieles recht auslegungsfähig.
Bisher habe ich zum Glück durch Gesprächsangebote, Informationen, Elternarbeit und Hinweise auf Anlaufstellen einige Male (etwas) helfen können, aber ob das immer so geht? Kann man die Situation auch verschlimmern, indem man sich zu schnell, zu viel, zu ..... kümmert?
Die zwei Fortbildungen für Verbindungslehrer, die ich zu dem Thema gemacht habe, waren da nicht sehr hilfreich. Da gab es hauptsächlich nur Informationen zur Symptomatik und zu den psychischen Hintergründen. Das konnte ich mir aber locker in ein paar Tagen selbst im Netzt ersurfen, hatte ich auch schon länsgt. Konkrete Antworten auf meine Fragen (siehe oben) bekam ich leider nicht: das hänge vom Einzelfall ab, da sei Fingerspitzengefühl gefragt...etc. Ach nee! So weit war ich auch schon.
GIBT es Antworten auf diese Fragen?
Lieber Gruß
Meike