Hallo Zusammen,
da ich mich noch nicht vorgestellt habe, ein paar persönliche Informationen. Ich bin keine Lehrerin, sondern nur über dieses Thema im Internet gestolpert und möchte als selber Betroffene ein paar Worte beisteuern.
Als allgemeiner Rüffel zuerst bin ich ein wenig erschüttert über das Wissen einiger Lehrer hier im Forum. Denn gerade Sie müßten mit betroffenen Schülern und Schülerinnen richtig umgehen, um diesen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Unterdrückte Transsexualität führt zu unglaublichen psychischen Spannungen.
Beginne ich doch erstmal, dass bisher geschriebene ein wenig zu kommentieren:
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...Nicht jedes private Detail ist auch von öffentlichem Interesse. ...
...Es darf die Schüler nicht interessieren, ob ich mit meiner Frau schlafe oder nicht - oder wie oft..
... Ein Outing befriedigt höchstens narzistische, egoistische Bedürfnisse. Daher könnte es sogar zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen.
....
Es geht hier nicht um eine sexuelle Spielart, auch wenn das viele glauben. Es geht um Identität. Das ist kein privates Interesse, es geht auch überhaupt nicht um sexuelle Präferenzen und von narzistischen egoistischen Bedürfnissen zu reden sollte ausreichen, um Ihnen eine Dienstaufsichtsbeschwerde anzuhängen. Lesen Sie mal das Gleichstellungsgesetz.
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...Ich sehe das ähnlich wie viele Vorredner: ist ein Outing wirklich nötig? Wozu? ..
...Unsere Geellschaft muss endlich akzeptieren lernen, dass die Sexualität der Menschen ihre Privatsache und frei zu gestalten ist....
...wenn sich dein Freund als ganz normaler Lehrer gibt, der er ja auch ist...
Wozu wohl? Stimmt, das Outing ist völlig irrelevant, aber das Leben nicht. Sie wollen doch wohl nicht von einer Frau erwarten, das sie jeden Tag mit Klebebart und als Mann verkleidet zur Arbeit geht? Es geht nicht um Sexualität! Da hat wohl jemand das Problem nicht verstanden. Und nein, dieser Mensch ist eine normale Lehrerin!
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... Man muss ganz deutlich sagen - bei Transsexualität geht es nicht um rational gefällte Entscheidungen, was "besser" ist, Phosgenas Freund kämpft darum, irgendwie zu überleben....
Danke, genau das beschreibt es mit einem Wort. Es geht ums "überleben".
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... Warum ich hier nachfrage und nicht in einem Transgender-Forum liegt daran, dass ich 'normale' Stimmen hören wollte. Dort scheint es mir zumindest, als würde jedem Transgender gesagt: Du bist in Ordnung und die Welt ist böse und gemein. ...
Auch das ist völlig richtig. Die Selbsthilfegruppen haben leider oft ein etwas "verzerrtes" Bild von der Wirklichkeit. Sich Gedanken über den richtigen Weg zu machen und auf die Bedürfnisse anderer einzugehen, ist natürlich vernünftig, solange man sich dabei nicht zu sehr verbiegen muß. Die Frage des "wie" ist sicherlich zu diskutieren, aber nicht die Frage des "warum".
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... Und zur Situation meines Freundes, dem geht's gut, danke der Nachfrage *g*. Der geht da unbekümmert seinen Weg, meist mit einem Lächeln im Gesicht. Scheinbar tut ihm die neue Rolle extrem gut. Ich glaube, deshalb kommt er auch so sehr authentisch rüber. Und deshalb denke ich auch, dass die Schüler von ihm genauso beeindruckt sind/wären....
Und genau diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Wer mit glücklicher Ausstrahlung auf andere zugeht bekommt diese auch zurück.
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... Bei den Unterrichtsvorschlägen für potentielle Unterrichtsreihen findet sich auch die Reihe "Wann ist ein Mann ein Mann, wann ist eine Frau eine Frau?" Im Rahmen dieser Reihe ist es ausdrücklich vorgesehen, das Thema Transsexualität zu thematisieren - idealerweise in Form einer so genannten Realbegegnung, d.h. man lädt Transsexuelle in den Unterricht ein....
Sehr schön, dass ist doch mal ein guter Ansatz. Was bestimmt überhaupt das Geschlecht? Die alte Lehrmeinung von wegen XY und XX ist etwas zu ungenau und längst überholt. Die Frage, was sind weibliche und was sind männliche Eigenschaften bewegt mich schon seit Jahrzehnten. Gibt es eindeutige oder nur unterschiedliche Verhältnisse innerhalb der Geschlechter? Ich habe noch keine einzige Eigenschaft erlebt, die nicht in beiden Geschlechtern anzutreffen ist. Und wenn Sie für Ihren Unterricht Unterstützung benötigen, komme ich gerne in die Schule.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Für alle nicht Eingeweihten wird der formale Weg sehr gut im TSG (Transsexuellengesetz) zusammengefaßt. Da lohnt sich ein Nachlesen, z.B.: http://de.wikipedia.org/wiki/Transsexuellengesetz
Weiter gibt es das Gleichstellungsgesetz, was jede Diskriminierung, also z.B. einen Schulwechsel, natürlich verhindert. Aber das sind die juristischen Dinge, soweit muß es gar nicht kommen.
Wie man ein Outing gestaltet und wie die Akzeptanz hinterher oder auch zwischen drin ist hängt von ganz vielen Faktoren ab, die nicht planbar sind. Ich z.B. habe alle meine Freundschaften vertiefen können, da mein soziales Umfeld auf mein eigenes sehr weitgehendes Öffnen eben nur mit einer eigenen Öffnung reagiert hat. Das sind aber Sonderfälle und ich gehe auch auf jeden Einzelnen sehr individuell ein, um niemanden zu überfordern oder mit Themen zu belästigen, die ihn nicht interessieren.
Das Abhängigkeitsverhältnis mit Schülern macht es natürlich schwierig. Ist man beliebt, wird der Weg viel eher akzeptiert, als wenn es genug Schüler gibt, die einem eh eines auswischen wollen; und an Kollegen will ich lieber gar nicht denken. Ein Schulwechsel bringt überhaupt nichts, da bei der heutigen Vernetzung diese Information natürlich herum geht. Dazu kommt, dass es bei Menschen nach der Pubertät eh sehr schwer wird, die Wirkung der Hormone vollständig Rückgängig zu machen. Unerkannt zu bleiben an der neuen Schule wird darum schwer. Und dann ist das vertraute Umfeld viel eher eine Stütze als eine Belastung.
Ganz herzliche Grüße
Susanne Falter