Ansonsten war in der letzten GEW-ZEitschrift folgender Artikel:
Mit Fantasie Deutsch lernen
Das Sprachlernprogramm „Hokus und Lotus“
Vorschulische Sprachförderung für Migrantenkinder ist seit PISA ein wichtiges Thema. Eine Oberhausener Kita geht einen neuen Weg in der Sprachförderung. Seit einem Jahr wird hier ein systematisches und wissenschaftlich fundiertes Sprachlernprogramm getestet: „Hokus und Lotus“.
Erzieherin Melanie Hardel zieht ihr „magisches“ T-Shirt über. Die Kinder wissen, was nun kommt. Sie bilden einen Kreis, nehmen sich bei den Händen und schließen die Augen. Gemeinsam mit ihrer Erzieherin zählen sie bis zehn. Dann öffnen sie die Augen wieder und sind nun gemeinsam im Park von Hokus und Lotus. Hokus und Lotus sind „Dinokroks“, eine Mischung aus Dinosaurier und Krokodil.
Die Erzieherin nimmt bei der Geschichte abwechselnd die Rolle der Erzählerin und die der Figuren ein, untermalt sie mit Mimik, Gestik und Aktion. Die Kinder spielen und sprechen die Geschichte mit.
Mit den Geschichten von „Hokus und Lotus“ lernen zwölf Migrantenkinder im Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt in Oberhausen Deutsch. Die Geschichten werden als Theaterstück gespielt, gesungen und im Bilderbuch sowie im Zeichentrickfilm angeguckt. Jede einzelne Geschichte wird dabei 15 bis 18 Mal wiederholt, bis sich die Kinder die neuen Wörter gemerkt haben.
Das Sprachlernangebot, an dem die Kinder freiwillig teilnehmen, gibt es fünf Stunden in der Woche, an einem Nachmittag kommen die Eltern dazu.
Kita-Leiterin Gisela Larisch ist von „Hokus und Lotus“ überzeugt. „In relativ kurzer Zeit konnte damit ein guter Wortschatz aufgebaut werden“, sagt Larisch. Das Programm stärke nicht nur die sprachlichen Kenntnisse, sondern auch das Selbstbewusstsein der Kinder. Viele trauten sich endlich, die deutschen Nachbarskinder anzusprechen.
Narratives Format
Die wissenschaftliche Grundlage des Sprachlernprogramms wurde von Prof. Traute Taeschner und einem internationalen Team an der Römischen Universität „La Sapienza“ für den Fremdsprachenerwerb im Primarbereich entwickelt. Kern des Programms ist das Konzept des „narrativen Formats“. Ein Format ist ein gemeinsames, sich wiederholendes Erleben zwischen zwei oder mehreren Menschen. Kinder erleben solche Formate vom Säuglingsalter an zusammen mit den Eltern: Trinken, Windelnwechseln oder Waschrituale vor dem Zubettgehen sind Situationen, die sich stets wiederholen. Diese Wiederholungen erzeugen Erwartungshaltungen. So erwartet auch das Kind nach einiger Zeit ein bestimmtes Verhalten des Erwachsenen, das der jeweiligen Situation entspricht. Damit entwickeln sich ein gegenseitiges Verständnis und der Wunsch, miteinander zu kommunizieren. Dieser Wunsch ist wichtig, denn nur wer mit dem anderen sprechen möchte, wird dessen Sprache erlernen.
Zudem können Kinder in Formaten die Bedeutung der Wörter leichter erfassen, da diese stets mit einem bestimmten Kontext in Verbindung gebracht werden. Wenn Kinder ein Format, d.h. eine Geschichte, wie die fantasievolle der Dinokroks, oft genug in verschiedenen Variationen mit allen Sinnen erfahren haben, sind sie auch in der Lage, die Wörter auf neue Situationen anwenden.
Eine wichtige Rolle innerhalb des Konzepts kommt der „magischen“ Erzieherin zu. Ihr verbales und non-verbales Verhalten unterstützt die Vermittlung des Formats und schafft ein positives Kommunikationsverhältnis zu den Kindern. Sie erzählt in einem gleichmäßigen, langsamen Rhythmus, in dem Erzählung und Pausen alternieren. Mit narrativen Gesten macht sie den Kindern die Geschichte verständlich, gleichzeitig lenkt sie die Aufmerksamkeit der Kinder mit ihrem Blick auf die imaginären Objekte. Danach schaut sie die Kinder an und lächelt. So entsteht eine Art „Komplizenschaft“: Erzieherin und Kinder nehmen gemeinsam den imaginären Gegenstand wahr und bewegen sich in einer phantastischen Welt. Die Erzieherin unterbricht den Erzählfluss nicht, noch versucht sie die Kinder zu dominieren oder zu kontrollieren.
„Magische“ Erzieherin
Die Formate von „Hokus und Lotus“ bauen in Wortschatz und Grammatik aufeinander auf. Ein solches systematisches Sprachlernen mit didaktisch aufbereitetem Material ist in deutschen Kindertagesstätten bislang nicht üblich. Kindertagesstätten in Leverkusen, Duisburg, Recklinghausen und Bochum übernehmen das Programm in diesem Jahr. „Der Ball ist ins Rollen gebracht,“ sagt Monika Springer-Geldmacher von der RAA (Regionale Arbeitstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien), die das Programm aus Italien mitgebracht hat. Doch für die Verbreitung sind weitere Trainingseinheiten für Erzieherinnen nötig, die finanziert werden müssen. Seit 2003 wird es eng, weil die EU die RAAs in NRW nicht mehr unterstützt.
Dagmar Kromer-Busch
Weitere Informationen unter: www.hocus-lotus.edu