Das frage ich mich jetzt auch. Mir fällt wirklich keine Situation im Alltag ein (schon gar nicht täglich), in der ich schriftliche Rechenverfahren anwenden müsste. Im Regelfall kommt man mit etwas Grundverständnis von Dreisatz und Überschlagsrechnungen sehr gut aus.
Trotzdem kann es ja sein, dass Menschen das im Alltag nutzen.
Ich selbst brauche ab und an Prozentrechnung, Dreisatz öfter, addieren, subtrahieren - aber immer im Kopf oder am Handy, nie schriftlich.
Das mögen andere halt anders machen.
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Noch etwas zu den "unnötig komplizierten GS-Rechenverfahren":
Die meisten erleichtern eigentlich tatsächlich das Rechnen, aber ich habe festgestellt, dass viele Lehrkräfte sie überhaupt nicht richtig reflektieren. Ich bin in Mathe öfter Zweitbesetzung gewesen und arbeite dann nur mit ein paar wenigen Kindern in einer Kleingruppe. Wenn sie erklärt kriegen, WARUM zB der Neunertrick (also erst 10 abziehen, dann wieder eins dazu) sinnvoll ist und warum man am Schluss wieder eins dazurechnen muss, obwohl man doch gerade subtrahiert, dann klappt das auch und ist zum Kopfrechnen supersinnvoll, genau wie viele andere Möglichkeiten. Lediglich auf eine Rechenart beschränken würde ich mich, weil das sonst durcheinanderbringt.
Und noch etwas zur Kritik an der GS:
Man kann Lehrkräfte mögen oder nicht, ich selbst kenne auch einige, die ich außerhalb des LZ lieber meide, aber ich würde mir wünschen, keine verächtlichen Bemerkungen lesen zu müssen. "Der Quatsch" kann in manchen Klassen helfen, das Schreiben auf Linien dient dazu, motorisch eine Handschrift erst mal leserlich zu kriegen, denn wenn alle Buchstaben gleich groß sind, wird der Lesefluss immens gestört und so weiter. Vieles hat seinen Sinn.
Zeichensprache ist in der Grundschule durchaus sinnvoll, weil sie das Reden (also noch mehr "Lärm") ersetzt. zB gibt es bei uns viele Klassen, die sich mit einem Finger melden, wenn sie etwas zum Thema beizutragen haben, zwei Finger, wenn sie eine Frage haben und drei Finger, wenn sie aufs Klo gehen, das wird dann einfach nur in ihre Richtung abgenickt und nicht lautmalerisch fokussiert. Es mag sein, dass Erlaubnisse in einem privaten Haushalt anders laufen, aber in jeder Klasse gibt es auch einige "Vermeider", also Kinder, die aufs Klo gehen, um sich Überforderung zu entziehen oder sehr, sehr lange wegbleiben - und wenn man die Aufsichtspflicht hat, dann ist es wichtig, neben dem Fokus auf die komplette Klasse, der ja auch unentwegt gefordert ist, auch da noch mehr Sicherheiten einzubauen. Daher bin ich mir sicher, dass vieles in der GS wirklich sinnvoll ist.
Ein Leisezeichen IST sinnvoll - wie auch immer das geartet ist. Ich hebe einfach meine Hand, es gibt keinen Fuchs, keinen Wolf, kein Rumgebimmel, keine Klangschalentherapie, einfach nur eine sanft erhobene Hand. Klappt, wenn eingeübt.
Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass Menschen/Kollegschaft, die noch nie an einer GS unterrichtet haben, etwas wohlmeinender von uns Grundschullehrkräften denken würden, bzw etwas offener, gerade WEIL sie keinen Einblick haben. Dass man jemanden mal total doof findet, ist halt so, aber ich erlebe immer wieder, dass zB Kolleginnen und Kollegen, die an weiterführenden Schulen arbeiten, die Nase über uns Grundschullehrkräfte rümpfen. Wir würden zu wenig tun, die Kinder zu schlecht vorbereiten, seien herrisch und "merkbefreit"... aber mal eine Woche die Arbeit zu tauschen, würde beide Seiten friedfertiger machen. Denn beide Seiten würden merken, dass sie genau da, wo sie sitzen, richtig sind - und die andere Arbeit nicht wirklich machen wollen würden. Von daher wäre etwas mehr wohlwollende Akzeptanz schön. In beide Richtungen natürlich. Ich will nie wieder eine achte Klasse auf dem Höhepunkt der Pubertät unterrichten, andere wollen dafür nicht vier Jahre Knochenarbeit leisten, dass völlig fehlerzogene Kinder irgendwie schulfähig werden und noch was lernen (natürlich lernt das Gros gut).
Und ist es nicht gut zu wissen, dass man in seinem Berufszweig genau richtig ist, wenn man merkt, dass man keinen anderen machen möchte?