Ich gebe ein paar Beispiele. 3-6 Klasse.
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Ich kann noch weiter....es ist so mein typischer Tag.
"Bedenken Sie, das sind alles nur arme Würstchen"
" Dieses Kind hat ADHS, das darf man nicht vergessen "
" Der Junge ist hoch traumatisiert. Er ist ein Scheidungskind!"
Sind das wirklich die Antworten, die du von SL-Seite bekommst? Oder woher kommen diese Sätze?
Denn wenn ja, läuft da einiges schief bei euch in dieser Etage.
Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich, bei allen Erzählungen, die es hier so gibt, in einer total unrealistischen Schule arbeite...
Natürlich gibt es auch bei uns Kinder, die über die Stränge schlagen, die vorpubertieren, die frech werden können, die aggressiv werden usw, keine Frage. Aber bei uns gibt es - und das halte ich für das Wichtigste - AB TAG 1 eine klare Linie, klare Kommunikation, klares Einteilen in "was geht/was geht nicht", Erklären der Konsequenzen etc. Alles seit vielen Jahren klar erarbeitet, mit dem kompletten Kollegium kommuniziert, neue KuK bekommen das Konzept vor Arbeitsantritt erklärt - und wenn die Lehrkräfte das durchziehen - und dazu sind sie bei uns angehalten - dann sind die Austicker wirklich gering.
Neben Schulregeln gibt es bei uns auch sogenannte Leitsätze, die sich mit dem Kind selbst beschäftigen und es positiv bestärken.
Beispiele:
Jedes Kind ist anders - und das ist super so!
Ich bin viel mehr als meine Noten!
Ich darf sagen, wenn ich Kummer habe.
Ich werde gehört und gesehen.
Ich halte mich an unsere wichtigsten Regeln (faustlos, Friedensbrücke etc)
Und so weiter.
Wir haben zu jedem Schuljahres-Start eine Checkliste mit Themen, die jedes Jahr erneut abgehakt werden MÜSSEN, sogar schriftlich, dass wir es gemacht haben. Wir erinnern die Kinder an Umgangsformen, an die Regeln, wir klären mit ihnen, warum sie nötig sind, wir geben ihnen Hilfen mit und das jedes Jahr. Das Gute daran: Wenn Kinder in einer Schule in der ersten Klasse beginnen, sind sie die ersten zwei Wochen erst mal etwas eingeschüchtert und hören tatsächlich noch wesentlich mehr zu, bevor das Grenzentesten losgeht, es sei denn, es liegen schon Einschränkungen oder Störungen vor, das sind aber Einzelfälle. Wenn es also gelingt, den Kindern in diesen zwei Wochen die wichtigsten Regeln nicht einzuimpfen, sondern sie mit ihnen zu entwickeln, hat das, zumindest bei uns, einen wirklichen Erfolg.
Zudem haben wir Präventionswochen, in denen wir Themen wie "Konflikte und ihre Lösungen", "Rede, statt zu schlagen.", "Respekt" und andere wichtige Dinge behandeln. Die Wiederholungen und die absolut genaue Einhaltung der Konsequenzen, gepaart mit dem freundlichen und positiven Auf-die-Kinder-Zugehen und den positiven Bestärkungen wirken bei uns. Zudem haben wir halt eine SL, die durchgreift, auch wenn wir dann manchmal mehr Arbeit haben. Die ist auch schon teilweise durch JEDE Klasse gegangen und hat eine Rede gehalten, die die Kinder beeindruckt hat oder sie steht morgens mitten im Eingangsbereich und wacht darüber, dass die Kinder nicht wie bekloppt durchs Schulgebäude laufen.
Wir sind keine Brennpunktschule, ich glaube, da braucht es wirklich ganz spezielle Menschen, die sich dieser Aufgabe annehmen und ich ziehe alle Hüte, die ich habe, aber wir haben von Integrationsklassen bis Intensivklassen (alle nicht deutschsprechenden Kinder) mit Übersetzern, die den Lehrkräften zur Seite stehen und von jeder Lohnschicht und jeder Sozialschicht (denn Sozial und Lohn steht nicht unbedingt in Verbindung) Kinder bei uns. Kinder mit starken Bedürfnissen, Kinder, die nur gewaltvolle Sprache kennen, Kinder, denen aus jeder Pore das "bitte, liebe mich..." dringt... und durch diese bestimmte Art der Einbindung aller Kinderseelen in eine klare Ordnung, die sie gut umreißen können, beruhigt sich vieles schon im Voraus.
Auch wir haben Kinder, die ohne Impulskontrolle sind und plötzlich mit LALALA von ihrem Stuhl aufspringen, weil sie gerade nicht mehr können, ADHS oder nicht, oder minutenlang mit dem Kopf auf die Tischplatte donnern, weil sie Frust haben. Aber aus irgendeinem Grund helfen diese ganzen Gespräche in der Klasse, weil es dann nämlich nicht nur der blöde Lehrer ist, der das richten muss, sondern mal eine sanfte Hand von einem Mitschüler oder einer Mitschülerin kommt mit einem "wollen wir mal zusammen gucken?" oder ein Kind, das sich wirklich unglaublich daneben benimmt, dann von der Klasse völlig irritierte Blicke kriegt und ein gezischtes "ey...setz dich, lass das, das nervt mich!" Zudem haben wir eine gute Ubuskraft, die wirklich immer, wenn man Hilfe braucht, einfach mal dazu kommt und bei der Frusttoleranz hilft.
Vielleicht ist es das.
Wir haben keine Front "Lehrkraft-SuS"...fällt mir so beim Schreiben auf. Es ist ein Miteinander, gerade im Sozialen. Denn wir Lehrkräfte haben auch unsere dunklen Momente oder machen Fehler...Wie erleichternd ist es, dann nicht Angst haben zu müssen, dass genüsslich dort reingetrampelt wird. Und es ist SEHR erleichternd, wenn Störende nicht nur von mir ruhiggestellt werden müssen, während die Klasse da sitzt, grinst und in die andere Richtung "mithilft", sondern halt zu einem großen Teil nicht bei der Störung mitzieht, was die Störenden isoliert, aber nicht die Lehrkraft. Ich glaube, das ist wirklich ein wichtiger Punkt.
In ganz heftigen Fällen, wenn wochenlang kein wirklicher Unterricht durch Störung möglich ist, wird sofort ein Klassenwechsel des wortführenden Kindes oder des störenden Kindes vereinbart. Das geht bei uns schnell. Jahrgangskurz-Konferenz "wer würde ihn/sie nehmen?", Elterngespräch mit SL, klare Ansage, dass das ne CHANCE ist (manchmal die letzte) - und in einem neuen Klassengefüge ist zu 90% danach Ruhe, weil die lange aufgebaute Rolle und sozialen Gefüge von einem auf den anderen Moment weg sind. Gerade letztes Jahr wieder erlebt in einer Vierten. Ein Junge kam von einer anderen Klasse, die ersten Wochen waren schwierig, weil natürlich Trauer, Scham und völlige Isolation aufgefangen werden mussten, aber es war unglaublich, was dieses Kind in der Zeit, die es bei uns in der Klasse war, für eine Wandlung hingelegt hat. Meine Kollegin (Klassenlehrerin) und ich (Fachlehrerin) waren am Schluss völlig baff, wie er selig strahlend innerhalb seiner neuen Buddies aus vollem Herzen den Abschluss-Klassensong sang und uns danach umarmte. In der anderen Klasse hatte er nur noch die Mitarbeit verweigert und ging über Tische und Bänke, weil einfach zu viele Kinder eine ungute Dynamik aufgebaut hatten und die Klassenlehrerin um Hilfe bat. In unserer Klasse gab es Kinder, zu denen er aufsah und die ihn dann einfach bei nem Blöd-Moment anschauten und sagten: "Echt jetzt....", ihn danach aber ganz normal mit raus zum Spielen nahmen.
Da haben wir einfach eine gute Struktur an unserer Schule mit einem sehr genauen Auge drauf...und alle ziehen an einem Strang.
Unsere Schule ist durch und durch toll, ich liebe die Kinder wirklich, auch die problematischen und mir tut es so leid für die, die so einen Schulalltag erleben, wie du ihn schilderst. Ich glaube aber, dass da von KuK und SL-Seite einiges getan werden könnte, dass sich das bessert.