Meine rein subjektiven Erfahrungen zum Thema:
Ich bin nicht hochbegabt, hatte aber in meiner Schulzeit viel Spaß an Deutsch und Französisch und habe laut meinen damaligen Lehrer auch ein besonderes Talent für diese Fächer gezeigt. Daher war ich im Unterricht irgendwann regelmäßig frustriert auch gelangweilt, wenn meine Mitschüler dieses Interesse nicht geteilt haben und ich gefühlt ewig darauf warten musste, bis auch der letzte aus der Klasse mit Aufgaben fertig war, die ich wesentlich schneller erledigt hatte. Ich war nie der Typ, der das hat raushängen lassen (finde, Arroganz ist eine sehr unangenehme Charaktereigenschaft ...). Eher im Gegenteil, ich habe oft und auch gern Klassenkameraden geholfen, die Probleme mit dem Stoff hatten und die meisten Lehrer mochten mich, weil ich sehr ruhig war und nie Ärger gemacht habe. Insgeheim habe ich mir aber oft doch gewünscht, dass jemand vielleicht mal mehr auf mich eingegangen wäre, ich z.B. schwierigere Aufgabenstellungen bekommen hätte oder die Möglichkeit zu einem Schülerstudium. (Damals war das leider noch nicht so bekannt und wenn, dann nur für naturwissenschaftliche Fächer). Ich glaube, das hätte mir beides Spaß gemacht und sich positiv auf meine Entwicklung ausgewirkt.
Eine Lehrerin schlug mir dann irgendwann vor, eine Klassenstufe zu überspringen, weil ich es durch Fleiß und Ehrgeiz geschafft hatte, auch in Fächern gute Noten zu bekommen, die mir nicht von Natur aus lagen. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden, weil ich genau wusste, dass meine Begabung sich auf den geisteswissenschaftlichen Zweig bezieht und Mathematik und ich in diesem Leben keine Freunde mehr werden ... Bin in der Oberstufe dann auch in Mathe von 2 auf 4 gerasselt 🥴
Irgendwann hatte ich aber Glück und wir bekamen eine sehr motivierte junge Referendarin in Französisch. Sie bemerkte, wie es mir ging und setzte sich dafür ein, dass ich ein Jahr früher an der DELF-AG und den Prüfungen dafür teilnehmen konnte als üblich. Fand ich toll, endlich neue kognitive Herausforderungen! Habe diese Lehrerin dann sehr vermisst, als sie irgendwann die Schule wechselte, weil ich das Gefühl hatte, endlich erkennt jemand meine Situation und geht auf mich ein.
In der Oberstufe wurde es dann generell besser, als mit der LK-Wahl die Möglichkeit bestand, eigene Interessen zu vertiefen.
Eine andere Lehrerin fragte mich irgendwann auch, ob ich Lust hätte, jüngeren Schülern Nachhilfe zu geben; das hat mich dann die Oberstufenzeit über begleitet und mir viel Spaß gemacht.
Trotzdem war es für mich wie eine andere Welt, als ich nach dem Abi an die Uni gegangen bin und das erste Mal auf andere Leute in meinem Alter getroffen bin, die meine Begeisterung für meine Interessengebieten geteilt und auch gerne gelernt haben. An der Uni hat niemand etwas gesagt, wenn man dicke Romane gelesen hat, in der Freizeit gerne Geschichten oder Gedichte geschrieben hat oder anderweitig kreativ und generell kulturell interessiert war ...
An der Schule hatte ich, gerade in der Mittelstufe, dagegen oft das Gefühl, ein Fremdkörper zu sein, weil ich größtenteils andere Interessen hatte als viele Mitschüler und gerne gelernt habe. Bin deswegen eine zeitlang leider auch von drei, vier Leuten gemobbt worden.
Deswegen habe ich ein Herz für alle Lehrkräfte, die in ihren Fächern nicht nur auf die schwächeren Schüler oder die breite Mehrheit schauen, sondern sich auch Gedanken um die leistungsstarken, motivierten Leute machen. Es muss ja nichts Großes sein! Aber hier und da mal eine anspruchsvolle Extraufgabe geben oder ein interessantes Fachbuch ausleihen, auf die Möglichkeit eines Schülerstudiums hinweisen oder zur Teilnahme an Wettbewerben oder AGs ermöglichen, die zum Interessengebiet des jeweiligen Schülers passen ... Das allein kann schon ganz viel ausmachen.