Ich lese den Twitterbeitrag auch mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite ist er "einfach gut so". ein Loblied auf das Menschsein. Es scheint möglich, durch individuelle Zuwendung und Hoffnung an das Gute in einem Menschen und viel Geduld, einer Person zu helfen, ihr Selbstvertrauen wiederzugewinnen oder in diesem Fall vielleicht sogar zu erwerben. Eine Lehrkraft (ich denke gleich welcher Schulart), kann durch pädagogischen Einfluss und individuelle Zuwendung etwas erreichen, vielleicht sogar viel persönliche Entwicklung anstoßen.
Aber ich denke, man muss sehr vorsichtig und genau sein in Bezug darauf, was man selbst erreichen kann und wo man sich zu wichtig nimmt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Tat der beiden Mädchen, die kürzlich eine Mitschülerin ermordeten, habe ich großen Respekt vor der Zerstörungskraft von Herkunftsfamilien und den Traumata, denen Kinder dort ausgesetzt werden. Die Vorstellung, dass diesen beiden unfassbar gewalttätigen Kindern mehrfach als Opfern zugehört und jegliche Augen zugedrückt wurden, ihr Täterverhalten im Vorhinein offenbar übersehen oder verharmlost wurde, zieht mir den Magen zusammen.
Die eingangs beschriebene Gewaltszene zeigt das m.E. sehr deutlich. Ich weiß nicht, wie der Kollege damit umgegangen ist, aber es fällt doch auf, dass dem Opfer in der Szenerie kein weiteres Wort mehr gewidmet wird.
Ich finde es toll, wie transparent er offenbar vorgegangen ist und natürlich, dass das Mädchen auf einem guten Weg zu sein scheint. Ich wäre aber vorsichtig in der eigenen Einschätzung, was man als Lehrkraft bewirken kann. Als Schule Drogentests durchzuführen und nicht die Polizei zu informieren, halte ich z.B. für zumindest ein gewagtes Vorgehen, wenn nicht gar grenzüberschreitend. Das Selbstverständnis, dass man als Lehrer einen so großen Einfluss auf ein schwer misshandeltes Kind nehmen kann, dass man keine andere Stelle mehr offiziell einbezieht, könnte auch nach hinten losgehen. Der große Bruder zeigt das möglicherweise, der hatte offenbar keine Ambitionen, zur Drogenberarung zu gehen und dann auch keine Kraft, den Schulabschluss selbständig durchzuziehen. Und inwieweit das Mädchen ohne Therapie in der Lage ist, das eigene Kind gewaltfrei zu erziehen und selbst keine Drogenkarriere zu beginnen, würde ich doch zumindest mit Vorsicht prognostizieren.
Insofern sehe ich es positiv und den Appell, nie die Hoffnung aufzugeben. Aber man muss auch im Kosmos der Förderschule aufpassen, wo man sich an der Nase herumführen lässt, weil man selbst in 45 Jahren nicht die Strategien erworben hat, die manch Achtklässlerin schon können muss, um in ihrer Welt zu überleben. Manipulationen, ausgespielt werden, 'etwas aus dem Kreuz geleiert kriegen' dürfen nicht den Blick auf die klaren Konsequenzen verstellen, die man immer wieder ziehen muss.