Beiträge von Antimon

    Ach, ich kann das schon ab. Ich fühlte mich nicht wirklich angesprochen.

    Danke dir, dann ist das gut. Kannst du verstehen, dass mich die Art, die Dinge kleinreden und relativieren zu wollen, nervt? Das ist genau der Punkt. Es ist ganz sicher so, dass meine Mutter z. B. einiges im Leben anders und besser machen hätte können. Aber irgendwann ist der Scheisshaufen so gross, dass es nicht mehr geht. Ich kenne das Konzept Kleinkläranlage, aber darum geht es überhaupt nicht. Woher sollen das Geld und die Ressourcen für sowas kommen, wenn man jahrelang nur zusehen muss, überhaupt zu überleben? Verstehst du, dass man Hilfe erwartet, wenn einem die Politik verspricht, dass jetzt alles besser wird? Verstehst du, dass man dann keine Klugscheisserei mehr hören will von Leuten, denen es immer schon besser ging? Mir musst du nichts über Kleinkläranlagen und Brote schreiben, die es sicher doch noch irgendwo gab, ich bin diejenige in der Verwandtschaft, die in der Schweiz einen Arsch voll Geld verdient. Einen solch Weg kann aber nicht jeder gehen. Und ich versuche wenigstens zu verstehen, dass man an den Umständen auch einfach scheitern und verzweifeln kann.

    Ich habe dich weder zitiert, noch mich auf einen Beitrag von dir bezogen und schon gar nichts über die Lebensumstände deiner Mutter oder Verwandtschaft geschrieben, also bitte unterstell mir das auch nicht

    Oh Mann. Wen willst du denn gemeint haben mit dem nicht vorhandenen fliessend Warmwasser? Was bist du denn gar so gereizt grade?

    Mich stört nur, dass du den Eindruck erweckst, als habe die Mehrheit der Leute mit einem Plumpsklo gelebt und es habe nicht mal genug Brot zu kaufen gegeben

    Keine Ahnung, woher du den Eindruck hast. Ich schrieb von meinen Verwandten, das war nicht zu überlesen. Es ist ein Beispiel für Leute und Gegenden, die vergessen wurden. Dass das sicher keine Einzelfälle waren, kann man anhand vieler gut gemachter Dokumentationen über die Zeit nachvollziehen. Der MDR hat schöne Serien dazu, auch über die industriellen Altlasten der DDR. Die - ich schreibe es präventiv - in dem Ausmass auch mit nichts im Ruhrpott oder sonstwo im Westen zu vergleichen sind.

    Das Brot wird knapp gewesen sein, weil die Mehrheit im Dorf unter der Hand das kostengünstige Brot an Schweine verfüttert hat, um sich nebenher einen Urlaub in Ungarn zu finanzieren

    So wird es gewesen sein. Die Leute waren einfach selber schuld an ihrem Elend. Vielleicht war die Planwirtschaft im Frühjahr 1989 auch einfach nur kurz vor dem endgültigen Kollaps. Ich habe neulich eine eindrückliche Doku zu den Montagsdemos in Leipzig gefunden, in der original Bilder der Leipziger Wohnviertel von damals gezeigt werden. Such bitte danach und sag mir dann, ob du immer noch findest, das sei mit irgendwas vergleichbar, wie es im Westen war. Ich habe 1988 meine Mutter das letzte Mal zu DDR-Zeiten zur Verwandtschaft begleitet. Wir hatten es selbst nicht gut, aber ich habe mit 8 schon verstanden, warum Mama Konservendosen in den Osten schickt.

    Einfache Lebensumstände sind keine Rechtfertigung für mangelnde Empathie gegenüber Flüchtlingen und/ oder die Wahl von Rechtsradikalen

    Ich wiederhole es dann doch gerne noch ein drittes Mal: Ich schrieb nichts von Rechtfertigung. Ich schrieb davon, dass ich nachvollziehen kann, dass man irgendwann so denkt. Und du schreibst etwas vom "Stolz" des Opas auf sein Haus. Das ist wie die Sache mit den geschlossenen Krankenhäusern, je nach Kontext ist die Wahrnehmung völlig unterschiedlich. Meine Mutter hatte nicht viel, auf das sie hätte stolz sein können. Auch meine Verwandtschaft hat sich die Lebensumstände nicht ausgesucht. Die Fremdbestimmtheit war das grundsätzliche Konzept der DDR.


    Rumgedreht ist übrigens mangelnde Empathie gegenüber denjenigen, den das Leben einfach nichts geschenkt hat, ein sehr wichtiger Grund für zunehmende Verbitterung. Auf das will ich eigentlich die ganze Zeit schon raus.

    Nur dass du darin keinen Grund findest, um AFD zu wählen.


    Ich übrigens auch nicht, wo du es schreibst: gab es bei uns auch nicht, war mir aber gar nicht mehr bewusst.

    Eben, ich nicht. Meine Mutter war aber durchaus in die Richtung geneigt. Nachvollziehen kann ich es daher allemal. Und ich weiss, dass nicht alle dumm und Nazis sind, die solche Parteien gut finden.

    Schmidt Ich schrieb nicht, dass irgendjemand Hunger leiden musste. Haste hoffentlich registriert. Ich schrieb auch mit keiner Silbe, dass für *mich* das alles eine Rechtfertigung wäre, die AfD zu wählen. Unter meinen Verwandten gab es einzelne, die 1989 zu den Montagsdemos nach Leipzig gefahren sind und es gab die, die 2015 *gegen* PEGIDA auf die Strasse gegangen sind. Bei uns hat nie irgendjemand "gejammert". Scheisse war es trotzdem und dass das immer wieder relativiert und nicht anerkannt wird, ist offensichtlich für viele Grund genug, die AfD zu wählen.

    Warum junge Leute in so großer Zahl die AfD wählen, erklärt es für mich allerdings nicht unbedingt

    Das ist in der Tat ein beunruhigendes Phänomen, dass der Frust auf die nächste Generation vererbt wird. Meiner Meinung nach konnte das nur passieren, weil der Frust eben im Westen nie ernst genommen wurde. Nachvollziehen kann ich es wiederum auch. Ich meine, ich schrieb schon mal, ich bin mir sehr sicher, meine Mutter würde die AfD gut finden, würde sie noch leben. Natürlich bin ich damit aufgewachsen, dass mir ständig vorgeschimpft wurde, dass es der Türke nebenan ungerechtfertigterweise doch viel besser hat als wir. Das Gefühl dahinter ist "erst muss es *mir* besser gehen, dann darf auch der Türke da sein". Wie es dem Türken tatsächlich geht, wusste Mama freilich überhaupt nicht und dass ihre eigene Situation genau gleich schlecht wäre ohne den Türken, hat sie auch nicht verstanden. Wer dieses Gefühl nicht ernst nehmen kann, muss sich nicht wundern.

    Ja, irgendwie so Rätselraten wird wohl mein Weg zur Arbeit. Wir hatten mal die irrsinnige Idee ein Champions League Finale in der St Jakobshalle auszutragen. Da fuhr dann auch das Tram nicht mehr nach Muttenz durch, das tut es bei einem "normalen" Fussballspiel eben schon noch. Die Innenstadt war auch nicht mehr zu betreten weil die Polizei die rivalisierenden Fangemeinden an jeweils unterschiedlichen Lokalitäten zusammenpferchen und hüten musste. Aber das war nach einem Tag vorbei. Als nächstes bewerben wir uns dann für Olympia. Basel ist grössenwahnsinnig.

    ob ausgrechnet das taugt, um die Wahlen zu erklären

    Ich habe nur ein Symptom von vielen beschrieben. In der DDR hatten die Frauen Arbeit, die Kinder waren betreut, das haben z. B. viele als gut empfunden. Also waren gute Dinge dann weg und zu viele schlechte Dinge sind geblieben. In der Summe kann ich den Frust sehr gut verstehen. Er ist im Westen nie ernst genommen worden, was zu noch mehr Wut und Verbitterung geführt hat. Die Diskussion hier zeigt's ja grade sehr schön. Wo ist das Problem, im Ruhrgebiet ist auch irgendwo eine Strasse kaputt. Na dann. Wenn man das Verständnis auch nach 34 Jahren nicht aufbringen kann, besteht wohl wenig Hoffnung auf nachhaltige Veränderungen.

    Ah, stimmt, Luxemburg, also das Land, hat ja insgesamt nur 500000 Einwohner*innen. Es könnte also noch schlimmer sein! :aufgepasst:


    Im Ernst... Genf hätte das Veranstaltungszentrum nördlich ausserhalb der Stadt. Man kommt vom Flughafen oder mit dem Auto gar nie in die Stadt rein. In Basel hingegen fädelt man durch die komplette Stadt durch. Wir hatten 2014 eine OSZE-Sicherheitskonferenz in der Messe. Die ist im Kleinbasel mitten im Wohnquartier. Das Tram fuhr also bis zur Gewerbeschule, dort mussten alle aussteigen und um das Messegelände drumrum laufen. An der Clarastrasse durfte man wieder einsteigen. In mehreren Strassenzügen wurden die Leute beim Einkaufen von der Polizei eskortiert, weil sie zu dicht an Frau Merkel vorbeiliefen. Wir hatten das Licht der Flakscheinwerfer des Militärs im Wohnzimmer. Es gibt keinen blöderen Ort für solche Veranstaltungen als Basel.

    Und anderswo nicht?


    Ist das geschlossene Krankenhaus im Osten schlimmer als im Westen?


    Verstehe ich nicht.

    Wie hat es denn 1989 bei euch in Niedersachsen ausgesehen? Und kam dann Herr Kohl vorbei und hat euch blühende Landschaften versprochen? Wir hatten im Mai 1989 noch Besuch aus Mecklenburg, die Situation war damals so schlecht, es gab an manchen Tagen nicht mal mehr Brot zu kaufen. Die Leute hatten grosse Hoffnungen und sind vergessen worden, ich erwähnte das Plumsklo. Verstehst du dass zwei geschlossene Krankenhäuser je nach Kontext wirklich unterschiedlich schlimm wahrgenommen werden können?

    Für den Fall, dass uns in der Woche doch noch jemand von euch besuchen will:



    Kein Witz. 95 % aller Unterkünfte sind bereits ausgebucht, selbst im 12 km entfernten Liestal zahlt man 2500 CHF für irgendwas mit einer 5.3 Bewertung. Es heisst, die komplette Infrastruktur um die St Jakob Halle sei für 6 Wochen blockiert. Ich beginne mich zu fürchten.


    Ich habe mal ein bisschen bei Wikipedia gescrollt, der ESC hat überhaupt nur 2 x in einer kleineren Stadt stattgefunden. Einmal in Lugano und einmal in Lausanne :lach2:

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