Wir haben sehr viele Männer, und die unterrichten nicht nur Informatik, Physik und Sport, sondern auch Sprachen, Geschichte, Religion
An meiner Schule sind wir ziemlich genau 50 % Männer und 50 % Frauen unter den Lehrpersonen. Ich schrieb es hier schon einige Male, dass unsere einzig wirkliche Klischee-Fachschaft Physik ist, mit nur 2 Frauen. Spanisch und Italienisch waren lange ausschliesslich Männer, erst seit Kurzem haben wir da je eine Frau. Chemie haben wir zum ersten Mal einen Frauenüberhang und lustigerweise haben alle Frauen tatsächlich im Hauptfach Chemie studiert, wohingegen alle Männer, die Chemie unterrichten, eigentlich Biologen sind. Richtig krassen Frauenüberhang haben wir im Bildungssystem übrigens sowieso nur in der Primarstufe, Sek I liegt der Frauenanteil landesweit bei knapp über 50 %, Sek II bei knapp unter 50 %.
Trotzdem wollen Jungs nur noch selten Lehrer werden, genau wie Mädchen. Auffällig finde ich das nicht, eher nachvollziehbar.
Naja. Was ich hier so lese und was ich im deutschen Lehrpersonen-Bekanntenkreis höre, sind die Arbeitsbedingungen einfach echt unattraktiv (geworden). Ich würde es in Deutschland auch nicht machen wollen. Wir werden in der Schweiz eigentlich auf allen Stufen recht gut bezahlt, aber auch hier ist halt das ganze Drumrum an der Sek I unterdessen so schlecht geworden, dass es kaum noch jemand machen will - unabhängig vom Geschlecht. Primar ist OK, Sek II gibt es keinen Lehrermangel.
warum in aller welt muss ein vorbild das gleiche geschlecht haben?
Gute Frage, verstehe ich auch nicht. Ich versuche grundsätzlich als Mensch ein Vorbild für alle Jugendlichen an der Schule zu sein und ihnen beizubringen, dass man sich untereinander offen und respektvoll verhält. Männer und Frauen sind so ganz grundsätzlich mal verschieden, das kann und sollte man nicht leugnen. Man sollte nur kein Problem draus machen, sondern sich überlegen, ob man was Sinnvolles damit anfangen kann. Was ich über die Jahre beobachte ist, dass junge Männer nicht weniger an sich selbst verzweifeln wie junge Frauen, die Frauen sich aber eher getrauen auf eine Lehrperson zuzugehen und auszusprechen, dass es ihnen nicht gut geht. Die Männer schämen sich immer noch eher dafür. Mehrfach habe ich es dabei schon erlebt, dass es daheim eine "Drachen-Mutti" gibt, die an ihrem Sohn nur rumnörgelt, was er alles nicht kann und macht. Frauen haben oft die "klassischen" psychischen Probleme, wie Depressionen und Essstörungen, Männer neigen eher zu sowas wie Spielsucht. Letzteres ist für einige immer noch schwer zu akzeptieren, dass es sich um eine psychische Erkrankung handelt, die nicht einfach so weg geht, wenn man nur genügend dran rumschimpft. Da sehe ich meinen Job als Lehrperson schon darin, hinzuschauen und anzuerkennen, dass es geschlechterspezifische Unterschiede gibt. Die jungen Menschen respektieren einen und nehmen einen zum Vorbild, wenn sie merken, sie werden gesehen. Ich persönlich habe es mit den Frauen gleich gut wie mit den Männern. Es ist bei beiden Geschlechtern jeweils ein bestimmter Typus, der eher mit mir über vertrauliche Dinge reden mag. Bei den Frauen sind es eher die, die gerne die unverwüstlichen Heldinnen sein mögen und dann geht's doch nicht so ganz auf. Bei den Männern sind es eher die Grübler und Philosophen. Irgendwie entwickelt doch jede Lehrperson über die Jahre eine gewisse Affinität zu gewissen Schüler*innentypen, so beobachte ich das jedenfalls an mir selbst und meinen Kolleginnen und Kollegen.
Für die meisten meiner Schüler*innen bin ich ansonsten einfach "nur" Fachlehrperson und sie sind zufrieden, wenn sie im Unterricht was lernen und man respektvoll mit ihnen umgeht. Gerade heute kamen drei Damen aus einer meiner Klassen zu mir und haben mich gebeten, ob wir die Besprechung der Aufgaben aus der letzten Stunde besonders genau nehmen könnten. Sie würden das jetzt echt checken wollen. Ja, haben wir dann gemacht und sie haben auch richtig die Lauscher angelegt und sich eingebracht. Das reicht ihnen eigentlich schon, wenn sie merken, aha, wenn wir uns Mühe geben, dann gibt die da vorne sich auch Mühe. Im Grunde könnte alles ganz einfach sein, wenn man nicht gar so viel Gewese veranstaltet, wo es sich effektiv gar nicht lohnt.