Beiträge von Gymshark

    Da muss ich state_of_Trance Recht geben. Es braucht zudem auch noch viel mehr Aufklärung unter den aktuellen Gymnasiallehramtsstudenten mit wenig gefragten Fächerkombinationen, sodass ihnen wirklich klar wird, worauf sie sich einlassen (Einsatzmöglichkeit an wenig beliebten Standorten, womöglich auch an anderen Schulformen) - am besten jedes Semester mindestens einmal und immer in Kombination mit Alternativmöglichkeiten, bei denen sie diese große Unsicherheit gerade nicht haben.

    Natürlich ist es richtig, dass Kinder nicht aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen gesondert beschult werden.

    Ich bin mir sicher, dass du das nicht als Plädoyer gegen die Förderschulen körperliche Entwicklung/Sehen/Hören meinst, aber falls dieser Teil missverstanden werden könnte: Ich bin dankbar für die Kollegen dieser Schulen und weiß, dass es Kinder und Jugendliche gibt, die diese Schulformen als Chance betrachten, um noch besser zu lernen, mit ihren Einschränkungen im Alltag zurecht zu kommen. Gerade, was solche Dinge wie Gebärdensprache oder Brailleschrift angeht, haben normale Gymnasien oft gar nicht die entsprechenden Ressourcen, was sich auch finanziell gar nicht lohnt aufgrund der geringen Anzahl an Schülern mit entsprechenden Einschränkungen. Förderschulen haben durch Bündelung entsprechend mehr Möglichkeiten. Wir bekommen alle paar Jahre vereinzelt Schüler in die Sek II, die zuvor die Sek I an einer Förderschule körperliche Entwicklung oder Hören besuchten, und das klappt in der Regel ganz gut. Es kommt aber sicherlich immer auf den Einzelfall und den Grad der Einschränkung an.

    Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung, aber nicht jeder Mensch hat das Recht auf einen bestimmten Schulabschluss. Das Gymnasium beispielsweise führt zur allgemeinen Hochschulreife, andere Schulformen analog ihre Schulabschlüsse. Es gibt Kriterien, welche den Zugang zu jeder Schulform ermöglichen, und wer diese Kriterien erfüllt, kann hierin beschult werden. Sind diese nicht erfüllt, ist eine Schulform zu wählen, bei der das der Fall ist.

    Ich verstehe, dass das irgendwo eine Form von Diskriminierung ist, da man letztendlich natürlich irgendwo selektiert und somit das lernbehinderte Kind nicht neben dem Kind mit IQ 130 in einem Klassenraum sitzt. Andererseits ist die Berufswelt auch selten so heterogen, dass Menschen mit sehr unterschiedlichen heterogenen Voraussetzungen dieselben Jobs ausüben. Und im Profisport wird zwischen Menschen mit und Menschen ohne Behinderung unterschieden. An welchen Stellen im Leben gibt es denn streng genommen regelmäßig Berührungspunkte zwischen Menschen unterschiedlicher kognitiver Voraussetzungen?

    ... tja, diesen Leuten hat man schon im / vorm Studium geraten, ihre Fächerkombi und Einsatzmöglichkeiten zu erweitern.
    Trotzdem beschweren sich ganz viele SoWi/EK-Absolvent*innen (durch jede andere beliebige überlaufene Kombi oder 2mal NF ohne NaWi), dass sie keine Planstelle bekommen.

    Aber gerade diese Kandidaten sagen doch immer, dass ihnen das nichts ausmache, dass sie ja eh flexibel seien und dass sie zugunsten der Vorliebe für ihre Fächer bereit sind, Kompromisse einzugehen...

    Wenn auch in Mangelphasen daran festgehalten wird, ist das per se gut. Es ist aber wie bereits zuvor erwähnt einseitig, denn Grundschulen oder Förderschulen können sich nicht auf diesen rechtlichen Umstand berufen, um wiederum ihr professionelles Handeln abzusichern.

    Da geht es nicht ums "Zutrauen", der Förderschullehrer hat überhaupt keine Sek2-Fakultas und kann in 80% der Kurse am WBK überhaupt nicht unterrichten.

    Wenn wir über solch extreme Abordnungen sprechen, und zwischen Förderschule geistige Entwicklung und gymnasialer Oberstufe liegen ja schon Welten, ist die Fakulta vermutlich nicht das entscheidende Kriterium. Den Punkt, den ich aufzeigen wollte, ist, dass ich davon ausgehe, dass eher einem Lehrer einer höheren Schulform zugetraut wird, auf niedrigerem Niveau zu unterrichten, als einem Lehrer einer niedrigeren Schulform, auf höherem Niveau zu unterrichten. Das ist schade, weil es immer einen leichten Hauch von "Grundschule/Förderschule/Unterstufe Sek I kann jeder" hat, obwohl gerade hier auch didaktisches und (sonder-)pädagogisches Wissen sehr wichtig sind - und das ist im Lehrberuf ja nicht weniger wichtig als das reine Fachwissen.

    Würde man denn (fachlich) im Gegenzug einem Förderschullehrer, der an der Schule Geistige Entwicklung arbeitet, zutrauen, an einem (W)BK unterrichten zu können oder ist das hier gerade wieder eine einseitige Geschichte?

    Bis auf Fremdsprachen lassen sich vermutlich für alle Fächer der Sek II Gegenstücke innerhalb der Förderschule Geistige Entwicklung finden, wenngleich sicherlich mit anderem Anforderungsniveau und anderen didaktischen Zugängen.

    Die großen Konflikte bleiben also aus? Es ist sehr interessant, dass es hier klappt, aber zuhause vermeintlich Erzfeinde gegenüber stehen. Im Idealfall wäre ein potentieller Putin-Nachfolger jemand, der es schafft, über den vorhandenen tiefen Gräben vereinende Brücken zu bauen. Die Hoffnung stirbt zuletzt...

    Ich verstehe, worauf state_of_Trance hinaus möchte. Aus den Gegenreaktionen auf seine Aussagen lese ich heraus, dass bei manchen Usern die Entscheidung für Lehramt sehr an die gewählten Fächer und Schulformen gebunden ist, während andere es viel offener betrachten, nämlich die Möglichkeit oder gar die Pflicht, auch in andere Schulformen und anderen Fächern eingesetzt zu werden. Bis auf wenige Ausnahmen im berufsbildenden Bereich (und sicherlich auch Weiterbildungskolleg) reden wir ja größtenteils über die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

    An der Stelle mal eine theoretische Überlegung: Nehmen wir an, im Sinne des lebenslangen Lernens würde die Landesregierung beschließen, dass es eine Art Schule für Senioren gäbe - ob freiwillig oder Pflicht lassen wir mal außen vor! Wäre es legitim, die Arbeit mit Senioren ähnlich wie manche hier vielleicht nicht mit kleinen Kindern oder Behinderten arbeiten möchten, abzulehnen? Oder bedeutet der Job des Lehrers wirklich, dass man in der Lage sein muss, alle möglichen Inhalte an alle möglichen Altersstufen mit allen möglichen kognitiven und körperlichen Voraussetzungen zu unterrichten?

    Ich meine mich zu erinnern, dass Sachsen und Bayern in der Regel die besten Länder bei den Schulleistungsstudien sind und womöglich spielt die personelle Aussattung gar nicht so eine große Rolle wie andere Faktoren. Beide Länder setzten ja zum Beispiel stärker auf Selektion und dort gelten inhaltsorientierte Lehrpläne statt kompetenzorientierte Bildungsstandards. Unter Umständen gibt es darüber hinaus noch weitere Faktoren, die Sachsen von anderen Bundesländern, die klassisch schlecht in diesen Studien ausfallen, unterscheidet.

    Du sprichst von "den Syrern, Afghanen" und forderst Konsequenzen, aber dass "die Männer" weitaus häufiger Gewaltaten begehen, lässt dich nicht zum Schluss kommen, dass "die Männer" Konsequenzen bräuchten. Alle.

    Vielleicht gibt es ja innerhalb dieser doch sehr großen Gruppe noch einmal unterschiedlich starke Ausprägungen. Ohne eine Statistik parat zu haben, würde ich mal aus dem Bauch heraus sagen, dass 20-jährige Männer durchschnittlich häufiger Gewaltverbrechen verüben als 80-jährige Männer. Neben der Kategorie "Alter" könnte man natürlich noch andere Kategorien finden, um die Gruppe "Männer" differenzierter zu betrachten hinsichtlich der Neigung zu Gewalttaten.


    Ich bin aber ehrlich, dass ich gerade nicht so den Zusammenhang zum Thema "Lernmethoden und Entwicklung des Bildungsniveaus an deutschen Schulen" erkennen kann.

    Ich schätze, dass es Beispiele sowie Gegenbeispiele für alle möglichen Ausprägungen hinsichtlich Bildungshintergrund, kultureller Hintergrund und Integrationsfähigkeit gibt. Sicher wurde das bereits genauer empirisch untersucht, hilft uns aber an der Stelle eher weniger weiter. Vielleicht könnte man an der Stelle eher überlegen, welche Lernmethoden, und darum geht es ja hier im Thread, greifen, wenn man Kinder von "schlecht ausgebildete[n] Menschen [...], die selbst bildungsfern sind" in der Klasse sitzen hat und möchte, dass deren Integration trotz schwieriger Ausgangslage dennoch gelingt.

    pepe : Ausgangslage war Zauberwald s Feststellung, dass viele ihrer Schüler nur mangelhafte Deutschkenntnisse aufweisen. Ich stellte daraufhin eine gewisse Schnittstellenproblematik zwischen einer liberale Haltungen zu Migration aus demographischen und Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen seitens der Politik und dem Wunsch trotz einer Zunahme an Kindern, die nicht über ausreichend bildungssprachliche Kompetenzen verfügen, das gesamtgesellschaftliche Bildungsniveau mindestens halten zu können. Daraufhin entstand eine Diskussion um den Einfluss von Migration auf das Bildungssystem. Die Ausgangsfrage war bewusst offen gehalten und damit nicht nur auf Migration beschränkt. Am Ende ist es ein Teilaspekt neben den Auswirkungen von Corona, veränderten Unterrichtsmethoden, veränderter Kooperation mit Eltern/Arbeitswelt und verstärkter Nutzung von digitalen Medien bereits in jungen Jahren, der sich auf unser Bildungssystem auswirkt.

    fehlende Deutschkenntnisse bei sehr vielen Schülern (in meiner letzten ersten Klasse hatte ich 11 Nationen bei 19 Kindern)

    Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie man dieses Problem lösen kann, denn die Forderung nach Zuwanderung ist ja gerade in Zeiten von Fachrkräftemangel laut. Hinzu kommen natürlich noch Flüchtlinge, denen Deutschland die Aufnahme ermöglicht. Beide Personengruppen haben eben oftmals Kinder, die häufig in Vierteln wohnen, in denen es bereits andere Kinder mit Migrationshintergrund gibt - vermutlich solche Viertel wie das in dem du unterrichtest. Zuwanderung und Aufnahme von Flüchtlingen sind ja durchaus politisch gewollt, aber wie gleichzeitig das Bildungsniveau erhöht werden kann, darauf finde ich von der Politik keine Antwort. Vielleicht ist da einfach auch die Annahme, dass der Umgang mit anderen Kindern in der (Grund-)Schule bereits ausreicht, dass migrantische Kinder die deutsche Sprache erlernen.

    Vielleicht hilft es für dich persönlich an der Stelle, zu wissen, dass die Abiturdurchschnitte in den letzten Jahren stetig besser wurden, ohne dass wirklich nachweisbar ist, dass die Absolventen deutlich kompetenter wurden. Du könntest mit realistischen Noten zumindest in ganz kleinem Rahmen helfen, die Notenvergabe wieder auf ein Niveau zu bringen, dass Leistung und Bewertung realistisch gegenüber stehen.

    Auch in der Sek II kannst du ein Phänomen des Tages, sei es aus den Bereichen Rechtschreibung, Grammatik oder Semantik, das dir in Klausuren häufig begegnet, häufig begegnet, und dafür sorgen, dass es den Schülern so prägnant im Hinterkopf bleibt, dass sie es nicht mehr vergessen.

    Deine Erwartungen sind realistisch und wenn die Schüler in diesen elementaren Bereichen Defizite haben, müssen sie spätestens jetzt daran arbeiten, da sie sonst nicht das Abitur schaffen und damit ggf. ihren Wunschberuf nicht durchführen können. Bei einer leistungswilligen Lerngruppe kann eine erste Klausur mit schlechtem Notendurchschnitt ein "Weckruf" sein. Sind Leistung schwach und Willigkeit nicht vorhanden, wird es eng; dann muss man tief in die pädagogische Trickkiste greifen, wobei man insbesondere in der Sek II fragen muss, ob da nicht die Schüler in der Bringschuld sind.

    Nein, die wollen meist in die Industrie. Dahin wollen aber auch die SuS aus dem beruflichen Gymnasium und sind da meist erfolgreicher. Handwerk ist in jedem Fall verbunden mit viel körperlicher Arbeit - das wollen die nicht. Ich hatte einen Schüler in der Unterstufe, der hat geschmissen und eine Ausbildunng beim Discounter angefangen. Da hat er sich aber auch nicht lange gehalten wohl - er konnte sich nicht an regelmäßige Zeiten und eine gewisse Frustrationstoleranz da gewöhnen.

    Puh, schwierig. Da müssen wir uns gesamtgesellschaftlich dringend etwas überlegen, denn ich gehe nicht davon aus, dass deine Schüler eine seltene Ausnahme in Deutschland sind. Da gibt es sicher viele Jugendliche in berufsbildenden Lehrgängen, egal ob schulisch oder dual, mit ähnlichen Situationen. Noch halten die vorhandenen Fachkräfte den Laden am Laufen, aber was ist, wenn die mal in Rente gehen? Bei unseren Schülern sind diese "Probleme" oft noch vermeintlich weit weg, aber eure Schüler stehen (je nach Bildungsgang mal mehr, mal weniger - das habe ich schon verstanden) mit einem Bein im Berufsleben, daher ja die Ausgangsfrage, ob sie sich bewusst sind, wie viel gesellschaftliche Hoffnung gerade auf ihren Schultern liegt.

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