Beiträge von Ignotus

    Zum Thema Stellen: Sehr schwierig und so speziell nach Bundesland! Für die Kombination Latein/Geschichte war der Einstellungsschnitt in Bayern zum September 2022 3,0! Vor zwei Jahren lag er bei 1,33. Tempora mutantur. In Englisch/Geographie war der Schnitt 2022 sogar 3,44 (letzte Bekanntgabe eines Septemberschnittes war 2014: 1,66), für Mathe/Physik hingegen 2,69, obwohl diese Kombination eigentlich als gefragter gilt. Im September wurden in Bayern auch verhältnismäßig viele Lehrerinnen und Lehrer mit den Kombinationen Spanisch/Französisch und Spanisch/Englisch eingestellt, obwohl eigentlich der Bedarf für Spanisch gegen Null tendiert.

    Es ist also wirklich super schwer, Aussagen über die Situation in acht oder zehn Jahren zu treffen. Was aber bestimmt gilt: Etwas örtliche Flexibilität sollte man schon mitbringen, wenn man eine Planstelle haben will.

    OT: Ich frage mich immer, woher dieser Drang in die Geschichte kommt. Bei uns und zu meiner Zeit galt das als das "schwierigste" Staatsexamen, aufgrund von Stofffülle und geringer Berechenbarkeit der Themen. Mich hat das trotz großen Interesses abgeschreckt.

    Das Lustige ist, dass in Bayern das Geschichtsstaatsexamen immer noch als sehr schwierig gilt und mit die höchste Durchfallrate hat. Wenn ich mich recht erinnere hat das Kultusministerium vor einigen Jahren Zahlen veröffentlicht, nach denen in Geschichte im Schnitt etwa ein Viertel der Studierenden durchfällt. Trotzdem ist das Studium völlig überlaufen, nicht weil es viele so unbändig interessieren würde, sondern weil es als verhältnismäßig entspannt und gut lernbar gilt. Im Studium fällt fast niemand durch Klausuren oder Hausarbeiten, man kommt mit wenig Lektüre durch (was übrigens den meisten dann - nicht ganz zu Unrecht - im Staatsexamen mit seinem Themenlotto das Genick bricht). Vielen ist auch überhaupt nicht bewusst, was da am Ende auf sie zukommt.

    Also soweit ich weiß, hat Bayern mittlerweile zusätzliche Planstellen geschaffen und mehr Lehrkräfte eingestellt, um die hohen Teilzeitquoten auszugleichen. Das funktioniert meines Wissens nach hauptsächlich über das System der Mobilen Reserve (Planstellen mit fester Ortszuweisung nach spätestens 1,5 Jahren; zumindest am Gymnasium). Prinzipiell wäre es aber natürlich schon sinnvoll, man würde die Teilzeitmöglichkeiten generell etwas restriktiver handhaben, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wie das die anderen Bundesländer handhaben, und ob es da bereits ähnliche Versuche gibt, letzten Endes mit viel Geld gegenzusteuern, weiß ich nicht.

    Zum Thema G8 - G9: Ich bin selbst ein Kind des G8 in Bayern und heilfroh, nicht das neue G9 besuchen zu müssen. Überspitzt gesagt, erschiene mir ein Jahr länger in die Schule zu gehen für ein paar Stunden mehr Religion, Musik und Sozialkunde sehr unattraktiv. Ich würde State_of_Trance in dieser Hinsicht schon zustimmen: Für die (sehr) guten sowie die interessierten Schülerinnen und Schüler war das G8 meines Erachtens eine gute Alternative. Das Argument, dass viele Schülerinnen und Schüler noch ein Jahr Reifezeit brauchen würden, kann ich nur bedingt nachvollziehen. Irgendwann muss man halt einen Cut setzen. An anderen Schularten endet die Schulzeit mit 15 oder 16 Jahren. Man kann auch während Studium oder Beruf noch "nachreifen" (Wann gilt man eigentlich überhaupt als wirklich "reif"?). Ich jedenfalls habe die Freiheit an der Universität genossen; erst dort habe ich gemerkt, wie man in der Schule teils (über-)behütet und eingeschränkt war. So kam es mir jedenfalls vor. Vermindert studierfähig war ich trotz G8 sicher nicht. Aus meiner Erfahrung von mittlerweile mehreren Unikursen, die ich als Dozent geben durfte, mit insgesamt deutlich über 100 Studentinnen und Studenten, würde ich zudem sagen, dass die Studierfähigkeit bei Drittsemestern nicht prinzipiell in größerem Maße gegeben ist als bei Erstsemestern (das wäre ja ein bisschen die Logik hinter der Argumentation für das G9). Dafür sind die Menschen einfach viel zu unterschiedlich.

    Um zu erläutern, warum ich nicht gerne das neue G9 gemacht hätte, hier mal eine Beispielrechnung: Gegenüber dem G8 hätten sich für mich über die gesamte Gymnasialzeit im G9 folgende Stundenunterschiede ergeben (inklusive der verpflichtenden Intensivierungen): Deutsch +1, Mathe +1, Englisch (1. Fs.: 5-10 bzw. 11) +2, Latein (2. Fs.: 6-12 bzw. 13) -4, Französisch (3. Fs.: 8-12 bzw. 13) -2, Religion +2, Informatik +2, Physik +1, Chemie +1, Biologie +/-0, Geschichte +1, Politik und Gesellschaft/Sozialkunde +4, Geographie -2, Wirtschaft und Recht +/-0, Kunst +/-0, Musik +2, Sport +2). Dazu kommt in der Oberstufe im G9 für eines dieser Fächer ein Plus von vier Stunden (Leistungsfach). Das W-Seminar, P-Seminar und die Studien- und Berufsorientierung halten sich in G8 und G9 etwa die Waage (offiziell zusammen -0,5). Insgesamt ginge ich also für zusätzliche 14,5 Stunden Fachunterricht ein Jahr länger in die Schule. In manchen Fächern - insbesondere denen meines sprachlichen Profils - käme ich unter dem Schnitt wohl mit weniger Stunden heraus als im G8. Allein elf zusätzliche Stunden entfallen allein auf die Fächer G, PuG, Mu, Rel, Spo. Hätte ich davon einen derartigen Mehrwert, dass sich ein zusätzliches Schuljahr lohnt? Nicht falsch verstehen, zwei dieser Fächer habe ich studiert; dennoch bin ich für meinen Teil skeptisch, ob die zusätzlich aufgewendete Zeit noch im Verhältnis zum Nutzen steht.

    Mir ist bewusst, dass diese Argumentation stark auf einer fachlichen Perspektive fußt, die davon ausgeht, dass die Stundenzahl und die Stoffverteilung über diese Stunden im G8 (gut) machbar ist. Für mich - und doch auch einige andere - war und ist dies der Fall.

    Dennoch: Für manche Schülerinnen und Schüler mag das G9 eine sinnvolle Alternative sein, für manche das G8. Gründe wurden ja oben schon genannt (Persönlichkeitsentwicklung, familiäre Hintergründe, Nachmittagsunterricht - auch wenn dieser mit ein bis zwei Nachmittagen pro Woche im G8 jetzt auch nicht jede Freizeitaktivität verunmöglichte - etc.). Meines Erachtens sollten deswegen beide Formen gleichberechtigt nebeneinander bestehen. G8 und G9 sollten als Möglichkeiten der Differenzierung nach Lerntempo verstanden werden, wobei die Lehrpläne sich nicht wesentlich unterscheiden dürfen. Die im G9 zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit sollte für Persönlichkeitsbildung, Vertiefung etc. genutzt werden. Wenn ich allerdings das G9 - wie jetzt in Bayern - als Regelform etabliere, muss das zusätzliche Jahr meines Erachtens schon einen deutlichen Mehrwert auch für die guten und interessierten Schülerinnen und Schüler bringen. Diesen sehe ich, wenn ich mir die Stundenunterschiede von G8 und G9 sowie die Lehrpläne anschaue, nicht in dem Maße, wie es meines Erachtens notwendig wäre. Dass das neue G9 mit deutlich weniger Nachmittagsunterricht mehr Raum für individuelles Lernen und Erwachsenwerden bietet, würde ich bezweifeln. Die Schüler und Schülerinnen gehen an mehr Tagen eher heim. Ob die verbleibende Unterrichtszeit am Vormittag mehr Zeit für die individuelle Entwicklung lässt und in stärkerem Maße auf die persönliche Situation Rücksicht nimmt, würde ich schwer bezweifeln. Inwiefern die "Überholspur" im G9 ein adäquater Ersatz für das alte G8 sein kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen müssen. Einige gute Ansätze gibt es hier aus meiner Sicht definitiv. Die Stundenzahl in den einzelnen Fächern ist aber freilich insgesamt geringer.

    Tut mir leid für den doch recht lang gewordenen Text, aber es gibt eben nicht "das" (schlechte) G8 und "das" (gute) G9, sondern individuell können beide Formen ihr Gutes oder Schlechtes haben. Pauschal lässt sich meines Erachtens überhaupt nicht sagen, was besser ist - es kommt in hohem Maße auf die Umsetzung und auf die individuellen Präferenzen an. Allerdings kann man natürlich, wie in jedem System, nunmal auch nicht allen in gleicher Weise gerecht werden.

    Liebe Mina,


    ob du später eine Stelle mit der Kombination D/E in Bayern fürs Gymnasium bekommen wirst, hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. natürlich auch von deinen Leistungen in Studium und Referendariat. Die Studierendenzahlen in Bayern für das Lehramt Gymnasium sind in den letzten Jahren gesunken. Der Lehrkräfte-Bedarf - insbesondere in Deutsch - ist schon heute hoch. Für das Schuljahr 2029/30 rechnet das Ministerium mit sehr guten Einstellungschancen in Deutsch und guten Einstellungschancen in Englisch. Sollten dich die beiden Fächer interessieren und dich der Korrekturaufwand nicht abschrecken, sehe ich aus heutiger Sicht keinen Grund, das Studium nicht weiterzuverfolgen.

    Englisch/Politik und Gesellschaft ist möglich, der Bedarf für die Kombination ist aber verhältnismäßig gering, da PuG auch im neuen G9 nur in den Jahrgangsstufen 10 bis 13 unterrichtet wird (verpflichtend einstündig in Klasse 10 und zweistündig in 11 und 12; als Wahloption - neben Geographie und Wirtschaft/Recht zweistündig in Klasse 13). Lediglich Gymnasien mit sozialwissenschaftlichem Zweig haben einen deutlich höheren Bedarf; davon gibt es aber nicht allzu viele. Deshalb wird für die Kombis D/PuG und E/PuG in der Regel ein Drittfach empfohlen. Wenn du als Drittfach wiederum Deutsch nimmst, bringt dir das höchstens für das Referendariat eine Erleichterung. Du könntest dir aber unter Umständen überlegen, PuG als Drittfach zu machen, wenn dich das interessiert. Damit kannst du dir zumindest in einzelnen Jahren einmal eine Deutsch- oder (eher) Englischklasse ersparen; wenn du Klasse 10 und/oder 11 bekommst, hast du dann auch kaum Korrekturen. Allerdings ist die Vorbereitung für PuG ungleich aufwendiger, wie ich finde, da man sich immer neu in äußerst komplexe aktuelle Themenbereiche einarbeiten muss.

    Mit der Einführung des G8 in Bayern hat man ab der 10. Klasse die Fächer Geschichte und Sozialkunde als Fächerverbund eingeführt, wobei das in der Praxis kaum funktioniert hat. Besonders augenscheinlich wird das immer bei den Oberstufenklausuren: Die Schülerinnen und Schüler erhalten zwei verschiedene Angabenblätter, eines für Geschichte, ausgelegt auf eine Arbeitszeit von 60 Minuten, und eines für Sozialkunde, ausgelegt für 30 Minuten (entsprechend dem Stundenverhältnis Geschichte (2) : Sozialkunde (1)). Die Gesamtbearbeitungszeit der Klausur (bzw. eigentlich ja der Klausuren) beträgt dementsprechend 90 Minuten, wobei die Schülerinnen und Schüler sich frei entscheiden, wie viel Zeit sie tatsächlich für die beiden Fächer verwenden. Man wollte durch die - eher organisatorische, denn inhaltliche - Zusammenführung der beiden Fächer wohl die politische Bildung neu organisieren und das fächerverbindende Arbeiten stärker. Allerdings gab es zwei getrennte Lehrpläne, die nur oberflächlich miteinander verbunden waren. Die ursprüngliche Idee, in Geschichte und Sozialkunde in einer Klasse dieselbe Lehrkraft einzusetzen, ging schon aus organisatorischen Gründen nicht auf. Dafür gab es an den meisten Schulen zu wenige Lehrkräfte mit der Fakultät für beide Fächer. Man wollte dadurch wohl die Einstündigkeit von Sozialkunde in allen drei Jahrgangsstufen sowie die Einstündigkeit von Geschichte in Jahrgangsstufe 10 etwas überdecken. Im neuen G9 sind die beiden Fächer wieder strikt getrennt. Politik und Gesellschaft - wie Sozialkunde jetzt auch endlich in Bayern heißt - hat auch deutlich an Stunden gewonnen.

    Ich wünsche dir, wie deine Entscheidung auch ausfallen mag, jedenfalls viel Erfolg in deinem weiteren Studium!

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