Beiträge von MusikMusikMusik

    Also, Folgendes hat sich ereignet:


    Der Elternbeirat unserer Schule wurde aktiv und hat alles in Gang gesetzt, was irgendwie zu machen war. Es wurden Unterschriften gesammelt, Schülerinnen und Schüler beschrifteten und bemalten eine 60m lange Papierrolle mit herzergreifenden Sprüchen und Bildern, die Bildzeitung brachte einen treffend formulierten Artikel und ein offener Brief an den hessischen Kultusminister Herrn Lorz wurde formuliert.



    Friedberg (H.), im Juli 2022


    Sehr geehrter Herr Minister,


    kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein Politiker die Bedeutung der Bildung für die Zukunft unseres Landes hervorhebt. Wie groß allerdings die Lücke ist, die zwischen diesen hehren Worten und dem tatsächlichen Verwaltungshandeln klafft, zeigt ein aktueller Fall an der Philipp-Dieffenbach-Schule in Friedberg. Dort unterrichtet seit nunmehr fünfeinhalb Jahren der Musikpädagoge Claus Krogmann die Kinder der ersten bis vierten Jahrgangsstufe. Die Mädchen und Jungen der Schule lieben Herrn Krogmann, der scheinbar alle gängigen Musikinstrumente mühelos selbst spielt, singt, textet, tanzt und der den Kindern mit großem Engagement den Zauber der Musik nahebringt. Es dürfte schwerfallen, im Wetteraukreis, vielleicht sogar in ganz Hessen, einen motivierteren und inspirierenderen Musiklehrer zu finden als Claus Krogmann, der eigentlich das Wunschprofil eines jeden Bildungspolitikers erfüllen dürfte.


    Eigentlich. Denn einen Haken gibt es. Claus Krogmann ist kein ausgebildeter Musiklehrer, sondern Musikpädagoge. Das war bislang kein Problem - wie auch seine exzellenten Zeugnisse beweisen. Für das kommende Schuljahr entwickelt es sich indes zu einem solchen. Denn nachdem er der Empfehlung des Schulamtes nachgekommen ist, die Entfristung seiner Anstellung zu beantragen, kann Herr Krogmann im neuen Schuljahr wegen verwaltungsrechtlicher Vorschriften nur weiterbeschäftigt werden, wenn er in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis übernommen wird.


    Dass es bereits ein Skandal ist, einem derart qualifizierten und motivierten Fachmann fünfeinhalb Jahre lang nur kurz laufende Zeitverträge anzubieten, soll hier gar nicht weiter thematisiert werden. Dass das Staatliche Schulamt nun aber den Antrag Krogmanns auf „Entfristung“ mit dem Hinweis auf dessen angeblich mangelnde Qualifikation abgelehnt hat, ist gelinde gesagt beschämend. Denn trotz hessenweitem Lehrermangel und vollmundigen Lippenbekenntnissen verantwortlicher Fachpolitiker ist es dem Staatlichen Schulamt, Ihrem Ministerium als diesem vorgesetzter Behörde und damit der gesamten schwarz-grünen Landesregierung bisher leider nicht gelungen, über den eigenen Schatten hinderlicher Paragraphen zu springen und eine unbefristete Anstellung Krogmanns zu ermöglichen. So wird es jedenfalls nichts mit dem Bildungsland Hessen. Deshalb haben wir uns erlaubt, diesen offenen Brief auch an Vertreter des Schulamtes, der Fraktionen im hessischen Landtag und der (über-)regionalen Presse zu versenden, die wir aus Gründen des Datenschutzes jedoch in Blindkopie gesetzt haben.



    Sehr geehrter Herr Minister, im Namen der Elternschaft der Philipp-Dieffenbach-Schule bitte ich Sie, Herrn Krogmann eine Zukunft an der PDS zu bieten.


    Mit freundlichen Grüßen

    [... Namen gemäß der Nutzungsbedingungen entfernt, kl. Gr. Frosch, Moderator]



    Das Ergebnis der Gerichtsverhandlung ist ernüchternd und ärgerlich zugleich: Die Klage wurde abgewiesen, mit der Begründung, dass

    1.) ein Sachgrund auf Basis "gedanklicher Zuordnung" gegen ist und

    2.) laut aktueller Rechtsprechung ein institutioneller Missbrauch erst nach 6 Jahren befristeter Anstellungen vorliegen kann.


    Anmerkung:

    zu 1.)

    Meine Hoffnung war groß, dass eine Widerlegung des Sachgrunds zur Unwirksamkeit des Vertrags und damit zur automatischen Entfristung hätte führen können. Doch anders als z.B. in der Wirtschaft oder Wissenschaft gibt es wohl von Seiten der Gesetzgeber große Zugeständnisse gegenüber den Schulämtern und man hat die sonst so strikt einzuhaltenden Spielregeln zur Vermeidung des Missbrauchs der Arbeitnehmer:innen maximal aufgeweicht. "Gedankliche Zuordnung" bedeutet nämlich in diesem Zusammenhang, dass Namen der zu Vertretenden zweitrangig oder gar gleichgültig sind. Also, theoretisch könnte im Datenblatt der Vertretungskette auch der Osterhase und der Weihnachtsmann stehen, solange da auch nur irgendwas steht. In meinem Fall konnte ich zweifelsfrei darlegen, dass die konstruierte mittelbare Vertretung absurd und märchenhaft war. Da kann man sich zurecht fragen, ob diese Datenblätter nicht letztlich auch nur dazu dienen einen Anschein von Korrektheit zu erwecken, den auch nicht jede/r Vertretungslehrer:in wagt das zu hinterfragen.

    zu 2.)

    Missbrauch ist Missbrauch! Ab wann dieser aber als solcher bezeicnet werden kann, ist von Fall zu Fall abzuwägen - das ist ja klar. Aber hier hätte die Richterin einlenken können und es wäre ein neues richtungsweisendes Urteil gefällt worden. Die Rechtshilfe vom DGB erklärte mir, dass viele Richter:innen einfach Angst haben diesen Schritt zu gehen, weil es sonst von höheren Instanzen einen auf den Deckel geben könnte ...


    Wie geht's weiter?

    Ich werde in Berufung gehen. Doch das Verfahren dazu wird wohl bis zu einem Jahr dauern und ich muss sehen, wie sich das alles finanzieren lässt... Aber nur so lässt sich etwas bewirken.


    Wenn ihr auch etwas gegen diesen institutionellen Missbrauch Unternehmen wollt, dann kopiert gerne den Brief an Herrn Lorz und verbreitet diesen weiter oder passt ihn an, so dass ihr ihn für euren persönlichen Fall verwenden könnt. Denn leider bin ja nicht nur ich betroffen, sondern tausenden Lehrerinnen und Lehrern geht es ganz genauso: Es werden Anträge auf Entfristung knallhart abgelehnt, mit der Begründung man sei leider nicht qualifiziert für das, was man seit Jahren unter Beweis gestellt hat - selbst wenn ein erstklassiges amtliches Arbeitszeugnis vorzuweisen ist. Der Widerspruch ist perfekt: Schulämter suchen händeringend nach Quereinsteiger:innen, verlängern aber lieber nicht die Verträge engagierter Musikpädagog:innen, auch wenn hierdurch tausenden von Kindern ihr Recht auf eine musikalisch kulturelle Bildung gewahrt würde.


    Bitte helft ein Bewusstsein für diesen institutionellen Missbrauch zu schaffen.


    DANKE !!!

    Oh, soviele Antworten! Vielen herzlichen Dank!

    Ich dachte, ich werde automatisch informiert, aber meine Einstellungen waren falsch. Deshalb erst jetzt meine Reaktion.


    Flipper79: Es handelt sich um das Bundesland Hessen

    CDL: Danke fürs Mitdenken - trotz Müdigkeit! Der gute Wille zählt ;)

    Alasam: Danke für die Klärung

    Palim: Ja, es war immer dieselbe Schule. Die Vertretung war nicht für eine Person, sondern sehr diffus und zwar größtenteils mittelbar und nur für zwei von gesamt 21 Stunden unmittelbar. Kausal sind die Vertretungen aber nicht nachvollziehbar. Jemand von der GEW sagte mir, dass dies leider üblich sei und vom Gericht oftmals toleriert wird.

    plattyplus: Das mit der Übervorteilung ist ein wichtiger Punkt, denn genau so fühlt es sich an, wenn ich das lese. Einerseits! Denn andereseits, so sagte man mir, hätte ich ja in meiner Personalakte nachschauen können, wo die Vertretungskette in einem Datenblatt 'genau' erklärt wäre.


    ABER: Bis vor nicht zu langer Zeit wusste ich garnicht, dass diese Infos dort stehen und ich war einfach davon ausgegangen, dass alles stimmt. Hand aufs Herz: Wie oft schaut ihr in eure Personalakte, um zu überprüfen, ob auch im Arbeitsvertrag alles stimmt?


    undichbinweg: Danke! Meine Verträge sehen ähnlich aus, Ich kann in dem Runderlass nur nichts zur Namensnennung finden. Gibt es diesen Erlass auch für Hessen?

    Susannea: Das Schulrecht ist halt Ländersache und in Berlin herrschen wohl auch sehr andere Verhältnisse.


    Ich danke euch ganz herzlich für die Unterstützung!


    Bald ist der Gerichtstermin. Drückt mir die Daumen!


    Liebe Grüße

    Hallo liebe Kolleg:innen,


    ich arbeite seit knapp fünfeinhalb Jahren mit Leib und Seele als Vertretungslehrer für Musik (7 Verträge und ein Änderungsvertrag) an einer Grundschule. Jetzt will mir das Schulamt keinen neuen Vertrag ausstellen, während das Kollegium, die Schulleitung und der Personalrat vollkommen fassungslos sind und auch schon so zielmlich alles unternommen haben, um einzulenken ... leider erfolglos. Ich habe mir eine Rechtsberatung beim DGB geholt und auf Entfristung geklagt. Weil die Vertretungskette konstruiert und fehlerhaft ist, mache ich mir Hoffnung auf Erfolg.


    Meine Frage:

    In meinen letzten Arbeitsverträgen stand die zu vertretende Lehrkraft namentlich nicht erwähnt, sondern lediglich "... bis zur Wiederaufnahme des Dienstes der jeweiligen Lehrkraft." Ist das üblich so? Steht das bei euch auch so im Vertrag? Stimmt es, dass der Name aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr im Vertrag genannt werden darf? Meine Rechtsberaterin konnte hierzu keinen Rechtstext finden und nächste Woche ist der Kammertermin, auf den ich gut vorbereitet sein möchte.


    Vielen Dank für eure Hilfe im voraus!

    Liebe Grüße

Werbung