Hey liebe Antwortenden,
ich freue mich, dass ihr mir eure Eindrücke schildert und dass es ja scheinbar zum Glück nicht überall, vielleicht sogar eher selten, so schlimm ist.
Dir als Einzelperson kann ich nur empfehlen: Stell Versetzungsanträge und lauf so schnell und so weit du kannst.
Das ist eigentlich auch mein Plan. Natürlich habe ich Angst, dass die Versetzung nicht klappt bzw. ewig dauern könnte oder (noch schlimmer) ich von einer schrecklichen Schule in die nächste kommen könnte. Leider bin ich auch noch ein Mensch, der häufig meint, er müsste was "durchziehen":
Wie viele Schüler hast du denn? Bist du Klassenlehrer? Wie viele Stunden hast du? Bist du allein mit den Schülern? Warum ziehst du den U durch, wo doch eh keiner möglich ist? Was wäre denn möglich? Hast du eine Beziehung zu den Schülern?
Ich habe zum Beispiel eine eigene Klasse, die ich von der 5ten bis jetzt zur 9ten, mit viel Kraft und Einsatz betreue. Ich habe viel Zeit und noch mehr Nerven geopfert und auch einige SuS "erreicht". Eine Co-Klassenlehrkraft ist im Laufe der Jahre verzweifelt abgesprungen, daher fühle ich mich diesen SuS irgendwie verpflichtet und würde gerne so vielen wie möglich helfen, wenigstens irgendeinen Abschluss zu bekommen und die 10 zu schaffen. Ich arbeite Vollzeit (25,5 St.).
In meiner Klasse fühle ich mich am wohlsten, was nicht heißt, dass ich mich dort wohl fühle. Klingt jetzt vielleicht etwas narzisstisch, aber ich glaube, ohne mich würden es noch weniger schaffen, auch wenn ich jetzt wieder eine ganz tolle Co an meiner Seite habe. Viele SuS mögen mich und haben eine gute Beziehung zu mir, aber ein kleines Missverständnis, kann dafür sorgen, dass ich auf's Übelste beleidigt werde. Meist kommt dann irgendwann eine Entschuldigung und das Versprechen sich zu bessern, aber die Grundstimmung ist leider immer noch so, wie in meinem ersten Post.
Ich bin meist alleine mit meinen Lerngruppen, habe damit aber kein Problem. Unsere Sozialarbeiter (momentan drei) und Sonderpädagogen (momentan zwei) leisten viel und machen gute Arbeit, aber die Masse an Problemen, sorgt dafür, dass nie wirklich was langfristiges passiert, da es immer wieder neue "Baustellen" gibt. Leid tun mir unsere Lehramtsanwärter, die hier ihren ersten Einblick in das Schulwesen bekommen.
Ich habe natürlich auch einen gewissen Anspruch an mich und meinen Unterricht, daher versuche ich, meinen Unterricht immer ordentlich durchzuziehen. Ich glaube, dass die SuS diese "Hartnäckigkeit" auch irgendwie zu schätzen wissen. Trotzdem endet es oft im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch im Plenum, damit sich doch jeder irgendwie angesprochen fühlt und meint, er könnte "jederzeit drankommen", da wie gesagt, freies Arbeiten nicht möglich ist und jede offenere Form des Unterrichts im Chaos endet. Es hat ein bisschen was von "whack-a-mole", falls ihr versteht. Auch dieses ständige "Aufpassen", "Steuern" und "Präsenz zeigen" ist sehr anstrengend.
Wie schon geschrieben, die meisten SuS mögen mich, aber sie können nicht aus ihrer Haut. Gerade wenn es darum geht sich vor anderen zu beweisen, wird versucht mich böse zu treffen. In der Schule versuche ich meist zu irgendwie zu kontern und mache den "Teflon"-Lehrer, aber zu Hause war ich schon manches mal sehr verzweifelt.
Als "Tipp" für Kollegium/Schule fällt mir nur ein: Missstände öffentlich machen. Geht an die Presse, schreibt einen Brandbrief, wendet euch immer wieder, immer wieder ans Bildungsministerium, an die Schulbehörde, ...
Lasst euch das nicht weiter gefallen!
Daran habe ich auch schon gedacht und habe auch (leider) schon einiges (zumindest an Vandalismus und Zustand des Schulinventars) dokumentieren können. Aber ich traue mich nicht, habe Angst vor eventuellen Konsequenzen, möchte nicht als "Verräter" da stehen. Ich kann es gerade nicht anders beschreiben...
Ist das an anderen Schulen ähnlich in der Region?
Was haben andere probiert?
Es soll sogar Schulen geben, an denen es noch schlimmer sein soll, aber vielleicht ist das auch nur eine Durchhalteparole an unserer Schule. Unsere Schule hat leider einen sehr schlechten Ruf, freiwillig melden sich dort die wenigsten an. Daher sind wir leider auch eine Art "Auffangbecken" für jeden, der sonst nirgends beschult werden kann, was natürlich schlecht für den Ruf der Schule ist. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung...
Wir versuchen durch Außenwirkung Werbung zu machen und stellen unsere Schule viel besser da, als sie wirklich ist. Vielleicht ist das ein Grund, warum unser Schulträger meint, es sei doch alles in Ordnung.
Schulinterne Fortbildungen werden meist aus dem Kollegium organisiert, auch wenn schon oft der Wunsch nach externem Input geäußert wurde. Ich weiß nicht, aber vielleicht schämt sich die Schulleitung und möchte daher niemanden "von außen" in die Schule lassen. Oder es hat wieder was mit Außenwirkung zu tun.
Naja, auf jeden Fall vielen Dank für euer Mitgefühl. Es tut irgendwie schon gut, das hier mal im kleinen Rahmen zu veröffentlichen.