Hallo, ich wollte hier grad das Thema aufmachen und sah, dass ich hier schon nen Account habe. Mein Accountname ist ziemlich paradox, wenn man bedenkt, was jetzt kommt.
Ich werde jetzt bisschen ausholen, damit man das Gesamtbild besser versteht. Es begann in meiner Schulzeit - Ich habe meine Schulzeit wirklich geliebt. Fast alles daran. Außer strenge Lehrer und außer paar Fächer. Naja, eigentlich habe ich es fast nur geliebt, weil all meine Freunde da waren und Schule mein persönliches soziales Netz war. Außerhalb der Schule hatte ich kaum Freunde, aber das brauchte ich nicht, Schule hat mir alles gegeben was ich brauchte. Auch das, was ich Zuhause nicht bekommen habe. Anerkennung, Wertschätzung, Peers etc... dann war für mich schnell klar, dass ich Lehrer werden wollte. Ich wollte da bleiben, an diesem schönen Ort, wo all meine Freunde waren.
Überhaupt war ich immer ein Mensch, der Aufmerksamkeit absolut geliebt und genossen hat. Ich genieße und liebe es immer noch, wenn ich vorne vor ganz vielen Menschen stehen darf, die mir alle zuhören. Und das hat mir der Lehrer-Beruf gegeben, bzw. ich dachte, dass ich dieses Bedürfnis als Lehrer "leben" kann.
Dann habe ich angefangen Lehramt zu studieren. Das Studium war ziemlich langweilig. Da hatte ich gar nicht mehr das Gefühl, das ich immer in der Schule hatte. Aber ich dachte "naja, bald bin ich ja wieder zurück". Dann hab ich mein erstes Praktikum gemacht, direkt im ersten Semester. Ich hab gemerkt, dass ich plötzlich ne Autoritätsperson bin, die Schüler sind logischerweise nicht mehr meine Freunde, ich war selbst noch ziemlich jung, teilweise nur 2, 3 Jahre älter, als meine damaligen 10er. Aber ich war total unsicher. Schule hat mich extrem verunsichert, zum ersten Mal. Ich hab mich wirklich sehr unwohl dort gefühlt. Mit den Lehrkräften im Kollegium konnte ich mich nicht identifizieren und ich war in dem Kollegium auch eher unbeliebt, da ich gefühlt noch selbst eher Schüler als Lehrer war. Ich habs oft darauf geschoben, dass ich damals noch ziemlich jung war und das mit der Zeit kommen würde.
Danach gab es jahrelang erstmal keine Praktika in Schulen mehr. Nur einmal mit ner kleinen Kleingruppe ein Projekt, was auch nicht wirklich gut lief, aus organisatorischen Gründen. Dann nochmal Jahre später ging es ins Master, wo ich mein Praxissemester hatte. Leider auch nur ein Monat, da zu der Zeit die Pandemie begann. In diesem einen Monat war ich immer noch total verunsichert von Schule. Ich hab gemerkt, dass ich im Kollegium aufgeblüht bin und mich gut mit den meisten verstanden habe. Trotzdem war immer ein Beigeschmack von Druck da. S*S müssen funktionieren und unter anderem ich hab dafür zu sorgen. Diesmal war ich auch in der Oberstufe. Ich war irgendwie immer noch total unsicher, als ich vor der Klasse stand, ich hab aber gespürt, dass ich mich weiterentwickelt hab. Von Mal zu Mal wurde es besser und ich hatte mehr Motivation. Ich wollte sogar endlich eigene Unterrichtsreihen planen. Vor allem in der Oberstufe. Die Unterstufe fand ich noch zu wild und zu viel, weil da soviel Kinder auf einmal waren. Ja, dann kam halt die Pandemie und das Erfahrungen sammeln Ding und weiterentwickeln war auch vorbei. Dann gabs jahrelang wieder nur Theorie in der Uni. Das fand ich durchgehend schon immer langweilig und gammelig. Auch mit meinem Mitstudenten konnte ich mich nie groß identifizieren. Ich hatte immer im Hinterkopf, ob es das richtige für mich ist. Und innerlich dachte ich "jaa schon", weil Schule als Schüler immer der Ort war, an dem ich wirklich glücklich war. Und den Ort zu verlieren würde denke ich eine Krise für mich bedeuten. Deshalb hab ich den Master erstmal fertig gemacht. Als dann das Ref vor der Tür stand, hat sich alles in mir gewehrt das zu machen. Ich wusste, das wird Stress und Druck bedeuten und ich hatte aufgrund von privaten Sachen schon mit psychischen Problemen zu kämpfen, weshalb ich mich darauf nicht auch noch einlassen wollte. Dann hab Ichs immer wieder aufgeschoben. Ich hab dann an Grundschulen als OGS-Fachkraft gearbeitet (im Ganztag) und ich habs gehasst. Zwei Jahre an unterschiedlichen Grundschulen und das hat mich extrem unglücklich gemacht. Ich habs nicht geschafft, 20-30 Kinder auf einmal unter Kontrolle zu halten. Ich habs nicht mal mit 10 Kindern bei den Hausaufgaben geschafft. Ich war durchgehend genervt und gestresst. Ich hab nach der Arbeit nichts mehr gemacht, weil ich keine Energie mehr hatte. Das Ref hab ich mir einfach auch nicht mehr zugetraut. Trotzdem gab es immer diese Stimme, die sagte "ja, aber Kleinkinder sind keine Jugendlichen. Mit Jugendlichen ist es bestimmt cooler und dann machst vielleicht mehr Spaß". Diese Erfahrung habe ich nie gemacht. Außer in meinen beiden Praktika, da hatte ich ja Jugendliche in der Klasse. Naja...
Ich wollte auch immer wieder als Vertretungslehrer arbeiten, um noch einen Einblick in Schule zu bekommen. In meinen Vorstellungsgesprächen war ich irgendwie auch immer total happy, weil mich alles so an meine Schulzeit erinnert hat. Aber zu einer Stelle ist es nie gekommen, weil immer die Bewerber*innen MIT Ref vorgezogen wurden, auch für Vertretungsstellen.
soweit so gut. Nach langem Hin und Her habe ich mich endgültig dagegen entschieden, das Ref zu machen. Ist jetzt ziemlich frisch. Jetzt habe ich meine erste Stelle angefangen, die komplett außerhalb des Schulsystems liegt und ich hab eine absolute Identitätskrise bekommen. Eine innere Stimme sagt mir andauernd, dass Schule der Ort ist an dem ich aufblühen werde und ich das weggeworfen habe. Weil ich ja nur da jemals glücklich war. Naja, als Schüler zumindest. In meiner Lehrer- bzw. Pädagogenposition war ich eigentlich nie groß glücklich in der Schule. Trotzdem denke ich mir, dass ich mich nie WIRKLICH auf Schule eingelassen habe und deshalb nie wissen kann obs richtig war oder nicht. Ich bin mir aber sehr sicher, dass ich das Ref abgebrochen hätte. Meine ZFSL Zeit im Praxissemester mochte ich auch nicht groß. Hauptsächlich echt darum, weil ich mich mit den anderen Lehrämtlern nie groß identifizieren konnte.
Naja, nach meiner Krise habe ich dann reflektiert. Warum stürze ich denn so in eine Depression, nur weil ich jetzt nen neuen Job hab? Und ich denke, der Grund war das, was ich in Schule projiziert habe. Schule war für mich DER soziale Hotspot schlecht hin. ALLE waren da. Als Lehrer hatte ich zb auch Spaß im Lehrerzimmer, aber nicht in der Klasse. Als Pädagoge hatte ich Spaß mit meinen Kollegen, aber nicht als ich dann in meine Gruppe musste. Wenn andere Erwachsene dabei waren, hatte ich wiederum wieder Spaß und dann mochte ich es plötzlich. und ich glaube, gerade WEIL Schule DAMALS soviel Bedürfnisse in mir befriedigt hatte, konnte ich das nicht groß zulassen. Ich hab viel zu viel von Schule abhängig gemacht, eigentlich meine ganze Identität, und jetzt bin ich da plötzlich raus, in einem komplett neuen Beruf' und hab quasi meine Vergangenheit als glücklicher Schüler komplett loslassen müssen. Als ich auf diese Erkenntnis gekommen bin, ging meine innere Krise weg. Ich hab plötzlich viel mehr Ruhe verspürt. Meine sozialen Bedürfnisse können in jedem Job befriedigt werden, weil ich überall ein Kollegium habe. Seitdem habe ich nicht mehr diesen Drang von meinem neuen Job wegzulaufen. Ich habe meine neue Realität irgendwie "akzeptiert".
Und dennoch bin ich hier und schreibe diesen Text. Wieso? Nun, ich hab hin und wieder Angst, dass ich wieder diese totale Lebenskrise bekomme und denke, dass ich die falscheste Entscheidung ever getroffen habe. Was wenn ich als Lehrer aufgeblüht wäre? Was wenn ich total glücklich geworden wäre als Lehrer? Ich hab mich ja nie langfristig darauf eingelassen bzw. einlassen können. Was wenn ich erstmal das hätte tun müssen? Ich meine, ich liebe es doch vor ganz vielen Menschen zu stehen und mich zu präsentieren. Aber das wäre vielleicht der falsche Grund, Lehrer zu werden. Als Lehrer geht es nicht um mich. Es geht nicht um meine Bedürfnisse. Es geht um die Heranwachsenden und es geht vor allem um Vermittlung von Wissen und Kompetenzen. Das muss ich verstehen. Ich kann in vielen Berufen, diese Bedürfnisse nach Anerkennung und "gesehen werden" erfüllen und das sogar von anderen Erwachsenen Menschen. Da hätte ich das auf Augenhöhe. Und nicht auf einer asymmetrischen Ebene, wo ich eine Autorität bin. Hätte ich das Ref begonnen und wäre durchgefallen hätte ich keine Lebenskrise. Weil es außerhalb meiner Entscheidung wäre. Aber ich habe die Entscheidung selbst und bewusst getroffen und deshalb beschleicht mich andauernd das gefühl, dass es ein Fehler gewesen sein könnte. Irgendwie mach ich mein Gefühl von Glück davon abhängig. Naja...
Dieser Text bestätigt mich grade darin, dass ich Lehrer aus falschen Gründen geworden wäre. Aber ich möchte dennoch die Perspektive und Meinungen der anderen Lehrkräfte mal einfach hören. Ich bitte euch, respektvoll zu bleiben. Es geht hier um eine ernstzunehmende Thematik und möchte vernünftigen Austausch darüber haben. Kommentare, die nach Verurteilung oder "von oben herab" klingen bringen niemandem was. Das möchte ich hier nur mal erwähnen, das ich oft solche Gespräche hatte, wo man auf meine inneren Bedenken und Motivationen nicht groß eingehen wollte. Naja, das wars mit dem Riesentext. Danke an alle, die es gelesen haben und sich Zeit und Mühe machen darauf einzugehen.