Ich arbeite an solch einer Schule, mitten im Ruhrgebiet in NRW
Wir haben auch Eltern, die selber nie eine Schule besucht haben.
Elternbriefe geben wir teilweise mehrsprachig raus, damit alle Eltern die Chance haben sie zu verstehen.
Kinder ohne einen Migrationshintergrund sind bei uns die Seltenheit. Wir haben über 30 verschiedene Nationen an unserer Schule, einen Migrationsanteil von über 90%.
Viele unserer Kinder haben nie einen Kindergarten besucht, was sich besonders immer im ersten Schuljahr zeigt. Kinder, die noch nie eine Schere in der Hand hatten, die noch keine Händigkeit festgelegt haben, die keinen Stift halten können. Kinder, die nicht ihren Namen schreiben können oder bis 5 zählen können. Würfelaugen erkennen Fehlanzeige. 5 Minuten still sitzen und zuhören? Nie gelernt. Arbeitsanweisungen befolgen? Schwierig.
Viele Kinder sind nach der Schule/nach der OGS oft sich selbst überlassen. Da sind wir um jedes Kind, welches die OGS besuchen kann, froh.
BuT steht einem Großteil unserer Kinder zu, weil die Eltern entweder nicht arbeiten dürfen, können oder wollen.
Viele Kinder stammen auch aus Großfamilien mit mehr als 4 Kindern Zuhause.
Schulabsentismus ist bei uns ebenfalls ein großes Thema. Ebenso Pünktlichkeit morgens.
Dazu kommen große Klassen mit bis zu 30 Kindern, wobei wir zuletzt immer bei 27 Schluss gemacht haben.
In jeder Klasse sind Kinder mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf, von GG über Sprache/Kommunikation zu Hören, teilweise Sehen und ganz viel Lernen und Em-Soz.
Besonders GG wird immer mehr. Wir haben im aktuellen 1. Schuljahr in jeder der vier 1. Klassen mindestens ein Kind mit einem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung.
Die Beantragung von Schulbegleitungen hat sich so enorm erschwert, dass viele der Kinder, die einen Bedarf haben, niemanden zur Seite haben. Ohne ICD-10 Diagnose keine Schulbegleitung - die Eltern schaffen es aber oft entweder nicht eine solche Diagnose einzuholen oder sehen die Problematik gar nicht erst ein.
Das führt auch dazu, dass Therapien gar nicht erst angefangen werden. Wie oft durfte ich mir von de Eltern als sonderpädagogische Lehrkraft schon anhören, dass ich das doch einfach während der Schulzeit mit den Kindern machen solle - Logopädie, Ergotherapie…
Achso, und natürlich haben die Klassenleitungen diese Klassen alleine! Doppelbesetzungen bestehen meist nur auf dem Papier, werden bei Vertretungssituationen sofort aufgelöst. Ebenso werde ich, wenn ich mal im Team in einer Klasse bin oder wenn ich laut Plan Kleingruppenförderung habe, oft zur Vertretung rausgezogen, so dass eine sonderpädagogische Betreuung und Förderung nicht durchgängig gegeben ist.
Immerhin sind wir aber mit aktuell noch 4 sonderpädagogischen Lehrkräften gut ausgestattet - eine für jeden Jahrgang.
Sind dennoch, besonders in der Schuleingangsphase, wo wir auch sehr viel präventiv sonderpädagogisch fördern, gerne um die 30 Kinder, die man da hat… Und das ist immer nur die Spitze des Eisberges.
Also ja, solche Schulen gibt es. Und zwar nicht selten.
Edit:
Achso, und zum Thema Sprache und Einschulung: Für fast alle unsere Kinder ist Deutsch entweder die Zweit- oder sogar eine Fremdsprache.
Wir machen mehr Wortschatzarbeit als wir eigentlich Deutschunterricht machen können. Dazu kommt dann oft eine geringe Merk- und Konzentrationsfähigkeit der Kinder.