Meiner Meinung nach benötigen SuS mit Migrationshintergrund Vorbilder mit Migrationshintergrund.
Klassische Rollenbilder mögen in manchen Kulturen (oben wurde so manches erwähnt) anders sein als "bei uns" (in Bayern? in Hamburg?). Dort ein Vorbild zu haben, dass man mit Migrationshintergrund studieren kann, einen anerkannten Beruf erlernen kann, ist wichtig. Dass man als Mann nicht nur "Macho" sein muss, sondern auch in der Grundschule mit Kindern arbeiten kann. Dass man als Frau nicht nur an den Herd gehört.
Klingt erst mal schön. Ich frage mich dann nur, warum nicht auch eine Person, die nicht offensichtlich einen ähnlichen Migrationshintergrund hat, ein Vorbild sein kann.
Einer Lehrkraft mit polnischen Wurzeln sieht man es eher nicht an. Und auch, wenn Merkmale wahrgenommen werden, die einen ähnlichen Migrationshintergrund nahelegen, muss dies nicht der Fall sein.
Zum Beispiel:
Schüler: Ein Kind aus erster Migrantengeneration, dessen Famile von Hartz IV (oder bald dem Bürgergeld) lebt, und das mit seinem Vater jede Woche in die Moschee geht. Die Familie hat das Heimatland hauptsächlich aus Armut bzw. der Perspektive auf ein finanziell besseres Leben verlassen.
Lehrer: Ein Migrantenkind der dritten Generation, dessen Vater Arzt und dessen Großvater Ingenieur war, und dessen Familie (schon lange) sehr wohlhabend ist. Die Familie lebt seit vielen Generationen eher säkular (was mit ein Grund war, das Heimatland zu verlassen).
Die Lebenswirklichkeiten und Migrationshintergründe dieser beiden Personen haben also quasi nichts miteinander zu tun. Die Eignung zur Vorbildfunktion wird dann nur noch an optischen Merkmalen festgemacht.
Das ist mir einfach zu oberflächlich. Aber vielleicht funktioniert es auch einfach so primitiv. Oder mal anders gefragt: Warum kann ein muslimisches Kind nicht (oder nicht gleich gut) von einem Nicht-Moslem lernen (bzw. jemandem, der nicht wie ein Moslem aussieht), dass man eine Frau vernünftig behandeln sollte / als gleichberechtigt ansehen sollte?
Damit billigt man doch gerade zu, dass Nicht-Muslime nicht als Vorbilder für Muslime taugen, weil sie eben keine Muslime sind. Man akzeptiert damit einfach das dem Islam immanente Vorurteil, dass Nicht-Muslime auf einer niedrigeren Stufe stehen als Muslime, bis hin zu den "Ungläubigen".
Andersherum würde dies auch nahelegen, dass ein Schwarzer - evtl. sogar einer, der in Deutschland geboren und sozialisiert wurde - weniger geeignet als Vorbild für weiße deutsche Schüler ist als ein Weißer, egal ob in Deutschland geboren und sozialisiert oder nicht. Das ist doch absurd! Mit solchen Denkmustern begibt man sich in gefährliche Sackgassen.
Das sportliche Idol meiner späten Kindheit / frühen Jugend war ein Afro-Amerikaner. Daran fand ich nie etwas seltsam. Wenn ein Moslem einen Nicht-Moslem nicht als Vorbild akzeptieren kann, würde ich eher sagen, dass da ein wesentlich größeres Problem im Hintergrund steht, das nicht damit beseitigt ist, wenn ein Moslem Grundschullehrer wird.
Ironischerweise haben einige der hier angesprochenen streng gläubigen Muslime, die sich auf der Uni-Toilette die Füßen gewaschen haben, sogar tatsächlich Grundschullehramt (mit Unterrichtsfach Islamische Religion) studiert. Solche liberalen Freigeister werden bestimmt tolle Vorbilder sein.