Ich bin nun seit über 20 Jahren als Lehrerin an berufsbildenden Schulen tätig. In all den Jahren hatten wir immer wieder Absolvent*innen von Förderschulen in unseren Berufsfachschul- und Berufseinstiegsklassen und die allermeisten haben im Anschluss einen Ausbildungsplatz erhalten. Mehrere haben noch ihren Realschulabschluss nachgeholt und haben dann in der Fachoberschule ihre Fachhochschulreife erworben; ein ehemaliger Förderschüler aus meiner BFS-Klasse hat das Abi an unserem beruflichen Gymnasium gemacht. Sooo schlecht scheinen die Perspektiven für die ehemaligen Förderschüler*innen dann wohl doch nicht zu sein (zumindest nicht für diejenigen, die zu uns an die Schule kommen).
Jetzt, da Sie es erwähnen.
Ich hatte eine Schülerin, die zuerst auf eine Berufsfachschule für Ernährung gegangen ist, weil sie voller Ehrgeiz war. Der Fachbereich war zwar nicht ihr Ding, aber sie wollte unbedingt die Fachoberschulreife schaffen. Danach wechselte sie auf ein Berufskolleg für Gestaltung und hat dort ihre Fachhochschulreife absolviert.
Sie hat viel von ihrem Politiklehrer gesprochen, den sie immer noch positiv in Erinnerung hat. Deswegen wollte sie auch unbedingt Lehrerin werden, doch das hat leider nicht geklappt, weil sie einen Schnitt von 3,2 hat. Aber sie macht als Alternative ein Studium an einer Fernuni.
Die Fachrichtung nennt sich:
"Fachkraft für Inklusions- und Integrationspädagogik."
Allerdings ist das nicht gerade billig und muss deswegen den Gürtel enger schnallen. Ich hoffe, dass das etwas wird.
Leider gab es auch schlimme Momente nach der Förderschule. Sie hat mir erzählt, dass sie im Jahrespraktikum für die 11. Klasse eine Vorgesetzte hatte, die ihr knallhart gesagt hat, dass Leute von der Förderschule der letzte Abschaum sind. Ich habe es ihr geglaubt, da sie stets in Tränen ausgebrochen ist, wenn sie von der Situation im Praktikum erzählte. Sie hat sich auch nicht getraut etwas ihren Lehrern zu erzählen, weil sie zu große Angst hatte die Praktikumstelle zu verlieren.
Ich werde auch heute noch gefragt wie ich Menschen mit Behinderung am besten beibringe, dass diese sehr wahrscheinlich nur Hartz-IV bekommen. Ich war. So geschockt, dass ich gar nichts dazu sagen konnte.